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Keine Minderung wegen Lärm durch Bolzplatz

  • RA Daryai
  • Mieten Urteile, Wohnraummietrecht Urteile
Urteil // Bundesgerichtshof // VIII ZR 197/14

Mit Urteil vom 29.04.2015 hat der Bundesgerichtshof (BGH) der Revision von Vermietern stattgegeben, nachdem die Mieter wegen eines lauten „Bolzplatzes“ die Miete gemindert hatten. Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass ein Mieter wegen Lärm vom Nachbargrundstück, hier durch einen Bolzplatz, keine Minderung geltend machen darf. Die Sache wurde vom BGH an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Ausgangsstreit

Der Mietvertrag wurde im Jahr 1993 geschlossen. Die Wohnung der Beklagten liegt im Erdgeschoss. Mitvermietet ist eine Terrasse. Unmittelbar an das Wohngrundstück grenzt ein Schulgelände.

Im Jahr 2010 wurde in 20 Meter Entfernung von der Terrasse auf diesem Schulgelände ein Bolzplatz errichtet. Der Bolzplatz ist von einem Metallzaun umgrenzt. Er ist für Kinder bis zu 12 Jahren bestimmt, die hier bis 18 Uhr werktags spielen dürfen.

Die Mieter minderten aufgrund der Beeinträchtigung durch Lärm die Miete. Sie beklagten weiter, dass zusätzlich außerhalb der erlaubten Zeiten Jugendliche auf dem Bolzplatz gespielt haben sollen.

Mit der Klage machten der Vermieter die aufgrund der Minderung nicht gezahlte Miete geltend. Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage der Vermieter ab.

Die Entscheidung

Nunmehr gibt der Bundesgerichtshof den Vermietern in entscheidenden Punkten recht.

Was ist ein Mangel der Mietsache?

Ein Mangel der Mietsache liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand vom vertraglich geschuldeten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand wiederum bestimmt sich nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien, die auch konkludent zustande kommen können. Gegenstand einer solchen Vereinbarung können auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken, wie Lärmimmissionen.

Im Regelfall vereinbaren die Parteien aber selten ausdrücklich, wie die Mietsache beschaffen sein soll. Fehlt also eine Parteiabrede, bestimmt sich der geschuldete Zustand nach dem zum vertragsgemäßem Gebrauch geeigneten Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung.

Keine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien

Hiervon ausgend stellt der BGH zunächst einmal fest, dass die Parteien weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Vereinbarung dahingehend geschlossen haben, dass sich das Lärmniveau im Laufe der Mietzeit nicht steigern dürfe. Denn für eine konkludente Vereinbarung wäre es notwendig, dass der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters erkennen kann, dass der Mieter bestimmte Umstände über die Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht. Darüber hinaus genügt eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters nicht aus. Vielmehr muss der Vermieter der Vorstellung des Mieters auch durch sein Verhalten zustimmen.

Gerade bei Lärmimmissionen sei es aber so, dass der Vermieter häufig keinen Einfluss darauf habe, ob die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses unverändert fortbestünden. Er habe deshalb, so der BGH, regelmäßig keinen Willen, für ein bestimmtes Lärmniveau während der gesamten Mietzeit einzustehen.

Beschaffenheitsvereinbarung aufgrund des Nutzungszwecks?

Im Anschluss prüft der Bundesgerichtshof dann, ob sich aus dem Nutzungszweck der Wohnung nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses eine bestimmte Beschaffenheit ergibt.

Hierbei ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vor allem zu berücksichtigen, welche Regelung die Parteien bei sachgerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die Entwicklung bewusst gewesen wäre.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs würden sie dann für von außen einwirkende Lärmimmissionen vereinbaren, dass diese nicht zu einem Mangel und damit zu einer Mietminderung führten, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Die Parteien hätten sich dann darauf verständigt, die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen, wenn die Kläger selbst die Immission gem. § 906 BGB nicht entschädigungslos dulden müssten.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache dann an das Landgericht zurückverwiesen, da die Parteien zu noch offen Fragen vorgetragen sollen.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist auch für die gerade in Berlin häufig problematische Frage von Bautätigkeiten Dritter von erheblicher Bedeutung. Als Nachbar bin ich gem. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet, auch wesentliche Beeinträchtigungen durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks wie z. B. eine zulässige Bebauung hinzunehmen. Ausgenommen sind nur solche Beeinträchtigungen, die durch Maßnahmen verhindert werden können, die dem Nachbarn wirtschaftlich zuzumuten sind.

Um eine Mietminderung durchzusetzen muss in Zukunft der Mieter gegenüber dem Vermieter nachweisen, dass entweder die Bauarbeiten auf wirtschaftliche Weise mit geringeren Beeinträchtigungen durchgeführt werden könnten oder aber durch übermäßige Verzögerung der Bauarbeiten die Dauer der Beeinträchtigung unverhältnismäßig ist. Übliche Bautätigkeiten auf Baugrundstücken werden deshalb in Zukunft von Mietern ohne Minderung hinzunehmen sein.

– – –

Update: Entgegen der ersten Einschätzung bleibt die Frage, ob ein Mieter wegen Bauarbeiten in der Nachbarschaft zur Minderung der Miete berechtigt ist, weiter offen. Eine Reihe von Instanzgerichten wendet die Entscheidung auf Fälle, in denen Mieter aufgrund von Bauarbeiten die Miete mindern, nicht an. Die 67. Kammer (LG Berlin, Urteil vom 16.06.2016 – 67 S 76/16) und die 18. (64.) Kammer des Landgerichts Berlin (LG Berlin, Urteil vom 07.06.2017 – 18 S 211/16) haben entgegen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Mietern eine Minderung bei einer Bautätigkeit auf dem Nachbargrundstück zugesprochen.

Hier finden Sie weitere Links zu dem Urteil.

Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.

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