Alten-WEG im Wohnungseigentum?
Der Ausgangsstreit
Ein Wohnungseigentümer hatte dem Mieter seiner Wohnung erlaubt, die Wohnung mehreren älteren und teilweise schon stark hilfsbedürftigen Menschen gegen Entgelt zu überlassen. Dabei kamen noch weitere Umstände hinzu. So half ein dauerhaft anwesender Pflegedienst den Bewohnern bei der Körperhygiene und bei der Organisation und Erledigung der Haushaltstätigkeiten. Ferner wurde bei Bedarf medizinische Pflege durch medizinisches Fachpersonal erledigt.
Die übrigen Wohnungseigentümer störte daran, dass zum einem besonders viel Müll anfalle und zum anderen auch durch die Schichtwechsel des Pflegepersonals wesentlich mehr Lärm als normal entstehe. Zusätzlich dazu hielten sich fremde Personen in dem Haus auf und ferner sei auch störend, dass häufig Krankenwageneinsätze erfolgten.
Aus diesem Grund machte die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Miteigentümer Unterlassungsansprüche geltend. Es handele sich nicht mehr um reines Wohnen wie es erlaubt sei, sondern letztlich um den Betrieb eines Seniorenheims oder sogar eines Pflegeheimes.
Die Entscheidung
Das Amtsgericht Charlottenburg sah dies nicht so. Es beschäftigte sich mit der Frage, wie weit denn „Wohnen“ gehe. Grundsätzlich ist es im Wohneigentum nur erlaubt, „zu wohnen“ und im Teileigentum „nicht zu wohnen“. Dies ist auf dem Papier jedenfalls ja eigentlich eine trennscharfe Abgrenzung. Denn die beiden Nutzungen schließen sich begrifflich gegenseitig aus (BGH, Urteil vom 27.10.2017 – V ZR 193/16).
Deswegen sei der Betrieb eines Pflegeheimes oder eines Seniorenheimes auch nur im Teileigentum möglich. Im Gegensatz dazu ist ein betreutes Wohnen und die häusliche Pflege im Wohnungseigentum zulässig. Dabei ist festzuhalten, dass eine Wohnnutzung auch dann vorliegt, wenn ein Bewohner zu 100% bettlägerig ist und die Wohnung nicht mehr selbstständig verlassen kann, sondern intensiv und ständig auf Pflege angewiesen ist. An der Wohnnutzung ändert es auch nichts, dass mehrere Menschen einer Wohnung zusammenleben, und alle gemeinsam Dienstpersonal haben. Auch der gewöhnliche Mieter könnte durchaus, auch wenn dies heute recht ungewöhnlich geworden ist, Dienstpersonal haben.
Auch der möglicherweise anfallende zusätzliche Müll oder die Belastung durch Krankenwageneinsätze ließ das Gericht nicht gelten. Es gibt keine Vorschriften, die spezielle Bedürfnisse der Mieter verbieten würden. Auch in anderen Konstellationen sei übermäßige Störung hinzunehmen, so zum Beispiel bei Kinderlärm oder bei dementen Bürgern. Im Übrigen wäre hier auch das mildere Mittel zu wählen, also das Vorgehen gegen einzelne spezielle Störungen. So könne zum Beispiel gegen die überwiegende Müllproduktion vorgegangen werden oder eben festgelegt werden, dass hier dann entsprechend größere Mülleimer und Container besorgt werden, deren Kosten dann von den übrigen Miteigentümern von dieser Einheit zu tragen wären.
Praxistipp
Die Abgrenzung von Wohn- und Teileigentum wird immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Nur auf den ersten Blick erscheint die Abgrenzung von „Wohnen“ und „nicht Wohnen“ klar. Im Wege einer zweiten Betrachtung ist dann herauszuarbeiten, ob im jeweiligen Fall über das hinzunehmende Maß Störung vorhanden ist. Gerade unter Berücksichtigung des demografischen Wandels, es gibt eben einfach immer mehr ältere und alte Menschen mit entsprechenden Bedürfnissen und Gebrechen, tritt hinter das Thema der „Alten-WGs“ möglicherweise sogar der Kinderlärm als Thema in den Hintergrund. Ferner ist dann auch zu prüfen ob es nicht auch noch ein milderes Mittel gibt, wie hier beispielsweise gegen einzelne Störungen vorzugehen. Die komplette Nutzungsuntersagung ist nur das allerletzte Mittel, ultima ratio, und darf wirklich nur im Extremfall ausgesprochen oder als zulässig erachtet werden. Ein „Recht auf Stille“ gibt es nicht, um es einmal so salopp zu fassen.
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