Flächenabweichungen bei Mieterhöhungen
Mit Urteil vom 18.11.2015 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung – Flächenabweichungen seien auch bei Mieterhöhungen erst bei einer Abweichung der Wohnfläche von mehr als 10 % zu berücksichtigen – aufgegeben. Maßgeblich für den vorzunehmenden Abgleich der begehrten Mieterhöhung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete sei allein die tatsächliche Größe der vermieteten Wohnung. Gleichzeitig stellt der Bundesgerichtshof klar, dass die Möglichkeit des Vermieters zur Anpassung der Miete auch im Falle von Flächenabweichungen durch die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB begrenzt wird.
Der Ausgangsstreit – Vermieterin verlangt Mieterhöhung wegen Flächenabweichung im Mietvertrag
Die Parteien haben in Ihrem Mietvertrag aus dem Jahr 1985 vereinbart, dass die Wohnfläche 156,95 m² beträgt. Tatsächlich ist die Wohnung 210,43 m² groß. Im Jahr 2013 verlangte die Vermieterin zunächst eine Anpassung der bisherigen Miete von 629,75 € an die tatsächliche Wohnfläche auf 843,06 €. Weiterhin soll der Mieter einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete um 94,46 €. (15 % von 629,75 €) zustimmen. Insgesamt verlangt sie daher eine Mieterhöhung von 629,75 € auf insgesamt 937,52 €.
Der Mieter erklärte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 94,46 €. Daraufhin erhob die Vermieterin Klage. Diese scheiterte in den ersten beiden Instanzen.
Die Entscheidung – Was gilt für Flächenabweichungen bei Mieterhöhungen?
Auch die Revision zum BGH hatte keinen Erfolg. Obwohl es hierauf nicht ankam, erklärt der BGH aber, dass Flächenabweichungen bei Mieterhöhungen auch dann zu beachten sind, wenn die Abweichung nicht größer als 10% ist.
Der BGH erklärt, dass die Höhe der ortsüblichen Miete nach den gesetzlichen Regelungen anhand von objektiven Kriterien zu ermitteln sei. Deshalb ist, auch bei geringeren Abweichungen, zur Ermittlung der ortsüblichen Miete die tatsächliche Wohnfläche zugrundezulegen und nicht etwa eine Beschaffenheitsvereinbarung durch die Parteien. Die Regelung des § 558 Abs. 6 BGB, nach der ein Abweichen von den gesetzlichen Regelungen zu Ungunsten des Mieters unwirksam ist, zeige, dass objektive Kriterienregelmäßig nicht durch subjektive, ausgehandelte Kriterien ersetzt werden sollten. Der BGH führt aus:
„Für eine Mieterhöhung nach § 558 BGB kommt es deshalb nicht auf fiktive Verhältnisse, sondern auf die für die tatsächliche Wohnungsgröße maßgebliche Miete an, weil nach dem gesetzgeberischen Regelungskonzept diese Bestimmung, die es dem Vermieter ermöglichen soll, im Rahmen desVergleichsmietensystems eine angemessene, am ortsüblichen marktorientierte Miete zu erzielen, allein die (tatsächlichen) Gegebenheitenden Maßstab für die Berechtigung einer Mieterhöhung bilden.“
In der Vereinbarung einer geringeren als der tatsächlichen Fläche ist regelmäßig auch keine Vereinbarung über den teilweisen Ausschluss künftiger Mieterhöhung zu sehen. Der Mieter ist durch die gesetzlichen Regelungen vor übermäßigen Mieterhöhungen ausreichend geschützt. Die Möglichkeit zur Anpassung der Miete wird in diesemSinne durch die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB begrenzt.
Zur Berechnung ist dann die tatsächlich zum Vergleichsstichtag geltende Miete heranzuziehen. Wie diese Miete zustande gekommen ist, ist nicht von Bedeutung. Es wäre falsch, die Berechnung anhand der an die tatsächliche Wohnungsgröße angepassten Miete durchzuführen, so der BGH. Eine Anpassung der Miete zu Gunsten des Vermieters gemäß § 313 Abs. 1 BGB, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Möglichkeit zur Mieterhöhung bereits abschließend gesetzlich geregelt wurde.
Praxistipp – Flächenabweichungen zwischen vereinbarter und tatsächlicher Fläche sind immer beachtlich
Mit seinem Urteil vollzieht der BGH eine wichtige Rechtsprechungsänderung. Denn zuvor sollten Flächenabweichungen auch bei Mieterhöhungen immer erst bei einer Abweichung von mehr als 10 % von der vertraglich vereinbarten Fläche erheblich sein. Dies gilt in Zukunft nicht mehr für Mieterhöhungen, die nun nach der tatsächlichen Fläche berechnet werden.
Ein Mangel soll nach Ansicht desBundesgerichtshofs weiterhin nur dann vorliegen, wenn die Flächenabweichung mehr als 10 % beträgt. Offengelassen wird die Frage der Anpassung von Betriebskosten. Da diese nach einem objektiven einheitlichen Maßstab umzulegen sind, kann man auch hier als betroffener Mieter auf eine Rechtsprechungsänderung hoffen. Allerdings wird man wohl begründen müssen, dass die Flächenabweichung nicht einheitlich sämtliche Mieter betrifft.
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- In dem Beitrag Flächenabweichungen – Rechte und Ansprüche des Mieters stelle ich die Rechte von Mietern dar, wenn die Flächenabweichung mehr als 10% beträgt.
- Hier finden Sie weitere Links zu dem Urteil.
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