Aussetzung eines Beschlusses im Eilverfahren
Nach dem Gesetz soll der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) durch den Verwalter sofort umgesetzt werden. In einem von dem Landgericht Frankfurt am Main entschiedenen Rechtsstreit versuchte eine Eigentümerin einen Beschluss durch eine einstweilige Verfügung auszusetzen. Das Landgericht musste nun zu folgender Frage entscheiden: Unter welchen Voraussetzungen ist die Aussetzung eines Beschlusses einer WEG durch einstweilige Verfügung im Eilverfahren möglich?
Der Ausgangsstreit – Eigentümerin verlangt Aussetzung eines Beschlusses
Die Parteien sind Eigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Verwalterin lud die Eigentümer im Sommer 2020 zu einer Eigentümerversammlung. Sie wies in der Einladung darauf hin, dass die Anzahl der anwesenden Eigentümer in der Versammlung beschränkt sei. Die Eigentümer sollten deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung eine Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung erteilen. Die Verwalterin behielt sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, wenn die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird.
Die Gemeinschaft hat in der Versammlung beschlossen, die Fassade des Wohnhauses zu streichen. Die Eigentümerin, die die einstweilige Verfügung beantragt hat, ist der Ansicht, dass die zu verwendenden Farben gesundheitsschädlich seien. Sie erhob Anfechtungsklage gegen den Beschluss. Da die Verwalterin angekündigt hat, den Beschluss ab September 2020 umzusetzen, beantragt sie außerdem den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Mit der einstweiligen Verfügung möchte sie den Beginn der Arbeiten verhindern.
Das Amtsgericht Kassel hatte der Antragstellerin recht gegeben. Nach Ansicht des Amtsgerichts war der Beschluss der Gemeinschaft nichtig, da nicht sämtliche Eigentümer an der Versammlung hätten teilnehmen können. Die Gemeinschaft besteht aus 11 Eigentümern. An der Versammlung sollten nur bis zu 10 Personen teilnehmen.
Die Entscheidung – Landgericht hebt die Aussetzung durch das Amtsgericht auf
Das Landgericht hebt die Entscheidung des Amtsgerichts auf. In seiner Entscheidung beschäftigt sich das Landgericht insbesondere mit der Frage, wann die Aussetzung eines Beschlusses durch einstweilige Verfügung daher im Eilverfahren möglich ist.
Ladung auch mit begrenztem Personenkreis ausreichend
Zunächst einmal beschäftigt sich das Landgericht mit der Frage, ob die in der Einladung vorgesehenen Einschränkungen dazu führen, dass der Beschluss der Gemeinschaft nichtig war. Das Landgericht verwirft hier die Begründung des Amtsgerichts. Nach Ansicht des Landgerichts war die Einladung wirksam.
Zunächst stellt das Landgericht fest, dass auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie die Eigentümer einen Anspruch auf persönliche Teilnahme an einer Eigentümerversammlung haben. Es sei unzulässig, Versammlungen auf die Teilnahme einzelner Personen zu beschränken. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht geschehen, so das Landgericht. Die Verwalterin habe lediglich darauf verwiesen, dass der Versammlungssaal für 10 Personen angemietet war. Sie hat vorgeschlagen, dem Beirat oder der Verwalterin Vollmacht zu erteilen. Die Verwalterin habe ein Ermessen dahingehend, wie groß der Versammlungsort ist, den sie für die Versammlung anmietet. Dabei kann sie berücksichtigen, wie viele Teilnehmer erfahrungsgemäß zu erwarten sind. Der angemietete Saal müsse nicht in jedem Fall sämtliche Eigentümer fassen. Deshalb war die Einladung nach Ansicht des Landgerichts nicht zu beanstanden.
Aussetzung eines Beschlusses der Gemeinschaft durch einstweilige Verfügung im Eilverfahren
Da der Beschluss nicht von Beginn an nichtig war, musste das Landgericht jetzt prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Beschlusses durch einstweilige Verfügung im Eilverfahren gegeben sind.
Dabei ist zunächst zu sehen, dass nach der Gesetzeslage fehlerhafte Beschlüsse bis zu ihrer Ungültigkeitserklärung durch ein Gericht grundsätzlich wirksam und vollziehbar sind, § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG. Die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung. Deshalb muss der Verwalter regelmäßig auch angefochtene Beschlüsse vollziehen.
Eine Vollziehung soll durch einstweilige Verfügung dann ausgesetzt werden, wenn im konkreten Einzelfall ausnahmsweise die Interessen der anfechtenden Miteigentümer überwiegen. Dies könne bei drohenden irreversiblen Schäden oder bei einer offenkundigen Rechtswidrigkeit des Beschlusses der Fall sein.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Dem Aussetzungsinteresse kommt kein ausreichend hohes Gewicht zu. Zwar sei der Fassadenanstrich nur mit erheblichem Aufwand rückabzuwickeln. Da dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums ein besonderes Gewicht zukommt, sind deshalb die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von besonderer Bedeutung. Im vorliegenden Fall seien solche Erfolgsaussichten aber nicht in einem solchen Maß erkennbar, dass sie eine Aussetzung des Beschlusses rechtfertigen. Die zur Fassadensanierung verwendete Farbe ist eine zugelassene Fassadenfarbe mit algenhemmender Wirkung. Diese ist wohl zwar nicht für Wohnräume geeignet. Entgegen der Ansicht der Klägerin begründet dies aber keine Anfechtbarkeit, da sie ja an der Außenfassade angebracht werden soll.
Praxistipp – Aussetzung des Beschlusses einer Gemeinschaft im Eilverfahren zum Schutz des Eigentums
Die Entscheidung des Landgerichts verdeutlicht die engen Grenzen innerhalb der eine Aussetzung eines Beschlusses durch einstweilige Verfügung im Eilverfahren möglich ist. Grundsätzlich ist zu sehen, dass gerade dann, wenn das Eigentum eines Eigentümers betroffen ist, die Aussetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren wohl in Betracht gezogen werden muss, wenn die sofortige Umsetzung droht.
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