Berliner Mietspiegel 2021 wirksam
Immer wieder streiten Vermietende und Mietende über die Anwendbarkeit des Berliner Mietspiegels für die Bestimmung einer ortsüblichen Vergleichsmiete nach der Mietpreisbremse. Dabei wird sich häufig darauf berufen, dass der jeweils gültige Mietspiegel, wie beispielsweise der Mietspiegel 2019, unwirksam sein könnte. In einem Urteil vom 20.07.2022 hat nunmehr das Landgericht Berlin zu der folgenden Frage entschieden: Ist der Berliner Mietspiegel 2021 wirksam?
Der Ausgangsstreit – Vermieter möchte Miete erhöhen und erkennt Mietspiegel 2021 nicht an
Die Parteien sind über einen Mietvertrag für eine Wohnung miteinander verbunden. Der Vermieter beantragte mit seiner Klage eine Mieterhöhung nach § 558 BGB. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Vermieter neu beanspruchte Miete übersteige die unter Anwendung des Berliner Mietspiegels 2021 ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete. Daraufhin legte der Vermieter Berufung ein. Er war der Ansicht, der Berliner Mietspiegel 2021 stelle keine geeignete Schätzgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete dar. Diese müsse durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten festgestellt werden.
Die Entscheidung – Berliner Mietspiegel 2021 ist wirksam, da mit Änderung des § 558 BGB ein Übergangszeitraum zur Anpassung geschaffen wurde
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht habe das Mieterhöhungsverlangen zu Recht als unbegründet angesehen, so das Landgericht. Sofern ein Mietspiegel den Voraussetzungen des § 558c Abs. 2 BGB entspreche, sei der Richter befugt, ihn als Grundlage einer Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen. Dem entspreche der Berliner Mietspiegel 2019 und damit auch der Mietspiegel 2021, welcher eine zulässige Fortschreibung von ersterem sei. Die Mietenden würden mit 7,28 €/qm bereits eine Nettokaltmiete bezahlen, die die nach dem Berliner Mietspiegel zulässige Spanne von 5,34 bis 7,16 €/qm übersteige. Die vom Vermieter geforderte Mieterhöhung sei nicht gerechtfertigt, so das Landgericht.
Ebenso nicht zutreffend sei die Ansicht des Vermieters, dass der Berliner Mietspiegel 2021 unwirksam ist, weil er weder die allgemeinen Voraussetzungen für einen qualifizierten Mietspiegel noch diejenigen für einen einfachen Mietspiegel gemäß den §§ 558c, 558d BGB erfülle. Nach Ansicht des Vermieters könne er nicht als qualifizierter Mietspiegel anerkannt werden, weil bereits der Mietspiegel 2019 eine Fortschreibung des Mietspiegels 2017 sei. Somit hätte 2021 eine Neuerstellung des Berliner Mietspiegels erfolgen müssen. Des Weiteren seien auch die Voraussetzungen für einen einfachen Mietspiegel nicht gegeben, da § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB für einen solchen schon seit dem 01.01.2020 den Betrachtungszeitraum von sechs Jahren vorschreibe.
Berliner Mietspiegel 2021 ist als Fortschreibung des Mietspiegels 2019 wirksam
Das Landgericht weist diese Argumente ab. Die Änderung des Betrachtungszeitraums von vier auf sechs Jahre sei ein Eingriff in gesetzlich bestimmte Zeiträume, die ihrer Funktion nach auf Kontinuität ausgerichtet seien. Der Gesetzgeber habe aus diesem Grund einen Übergangszeitraum geregelt. Danach können „Mietspiegel, die (…) bereits am 31. Dezember 2019 existierten, (…) entsprechend § 558d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs innerhalb von 2 Jahren der Marktentwicklung angepasst werden“. Es sei für die Übergangszeit nicht erheblich, ob es sich um einen „neu erstellten“ oder nur um einen angepassten Mietspiegel handele, so das Landgericht. Durch die Frist von zwei Jahren zur Anpassung solle die durchgehende und störungsfreie Anwendbarkeit von Mietspiegeln sichergestellt werden.
Damit ist nach Ansicht des Landgerichts der Berliner Mietspiegel 2021 eine ebenso taugliche Schätzgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete, wie bereits der Mietspiegel 2019. Denn ein gerechtfertigter Einwand läge nur vor, wenn eben dieser Mietspiegel 2019 am 31.12.2019 nicht existiert hätte oder die Anpassung an die Marktentwicklung nicht innerhalb von zwei Jahren stattgefunden hätte.
Mietspiegel 2019 erfüllt Voraussetzungen für die Neuaufstellung eines einfachen Mietspiegels
Zudem würde auch die Erläuterung des Gesetzgebers, dass „(d)ie Anpassung eines bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden und bereits einmal angepassten Mietspiegels (…) jedoch nicht möglich“ ist, zu keinem anderen Ergebnis führen, so das Landgericht. Der am 31.12.2019 existierende Mietspiegel war der Berliner Mietspiegel 2019. Dieser sei vor der Schaffung des Mietspiegels 2021 nicht schon einmal angepasst worden, sondern wurde zu diesem Anlass erstmalig angepasst. Eine abweichende Lesart, wonach etwa ausgedrückt sein sollte, dass er existierende Mietspiegel selbst ein neu erstellter sein müsse, findet laut Landgericht keine Stütze im Gesetz.
Schließlich bestätige auch ein Urteil der 65. Kammer des Landgerichts, dass das Erstellen des Berliner Mietspiegels 2019 nach § 558c Abs. 1 BGB die Mindestvoraussetzungen für eine Neuaufstellung eines einfachen Mietspiegels erfülle. Es treffe nicht zu, dass es sich lediglich um eine Fortschreibung des Mietspiegels 2017 handele, wonach mit dem Mietspiegel 2021 das Verbot einer mehrfachen Fortschreibung überschritten werde. Vielmehr sei der Berliner Mietspiegel 2021 eine zulässige erstmalige Fortschreibung des Berliner Mietspiegels 2019.
Praxistipp – Komplexe Lage durch verschiedene Urteile, lassen Sie sich rechtsanwaltlich beraten
Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre zum Berliner Mietspiegel zeigt, dass viele Unsicherheiten in Bezug auf dessen Wirksamkeit bestehen. So impliziert beispielsweise ein Urteil der 67. Kammer des Landgerichts Berlin eine mögliche Unwirksamkeit des Mietspiegels 2021. Aus diesem Grund ist eine rechtsanwaltliche Beratung zur Einordnung der aktuellen Lage hier in jedem Fall sinnvoll. Schließlich besteht derzeit Unklarheit über die wirksame Erstellung des Mietspiegels 2023. Ähnliches gilt für die dem Mietspiegel zugrunde liegende Berliner Mietpreisbremse. Ihre Wirksamkeit wurde zwar inzwischen oftmals, unter anderem durch den Bundesgerichtshof (s. BGH, Urteil vom 19.02.2020 – VIII ZR 123/21), bestätigt, noch immer werden aber auch abweichende Urteile gefällt.
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