Besichtigung einer „Messie-Wohnung“
Der Streit, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter die Pflicht hat, dem Vermieter die Besichtigung der Wohnung zu ermöglichen, ist regelmäßig Gegenstand von Gerichtsurteilen. Das Amtsgericht Ludwigshafen hat nunmehr zu folgenden Fragen entschieden: Hat ein Vermieter in der Corona-Pandemie das Recht auf Besichtigung einer „Messie-Wohnung“? Und ist er bei verweigerter Besichtigung dazu berechtigt, diese außerordentlich fristlos zu kündigen?
Der Ausgangsstreit – Vermieterin verlangt Besichtigung einer „Messie-Wohnung“
Ein Monteur, der in der Wohnung des Mieters gewesen war, meldete an die Vermieterin, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung um eine sogenannte „Messie-Wohnung“ handele. Diese verlangte infolgedessen vom Mieter Zutritt zur Wohnung. Sie schlug ihm mehrere Besichtigungstermine vor. Zunächst lehnte der Mieter die Besichtigung ab. Er sei erkrankt und könne wegen der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie keine Besichtigung in der Wohnung ermöglichen. Auch nach Erholung von der Krankheit verweigerte er allerdings weiterhin die Besichtigung.
In einem ersten Rechtsstreit erhob die Vermieterin Klage auf Duldung des Zutritts. Daraufhin erging am 07.08.2020 Versäumnisurteil. Der Rechtsanwalt der Vermieterin schlug nunmehr erneut dem Mieter Termine zur Besichtigung vor und drohte zudem die Vollstreckung des rechtskräftigen Versäumnisurteils an. Nachdem auch diese Termine wieder fruchtlos verstrichen, erklärte er die Abmahnung und drohte die Kündigung des Mietvertrags an, sollte es zu keiner Reaktion des Mieters kommen. Wiederum ermöglichte der Mieter keine Besichtigung. Auf Antrag der Vermieterin setzte das Amtsgericht Ludwigshafen dann mit Beschluss schließlich ein Zwangsgeld gegen den Mieter fest.
Nachdem der Mieter weiterhin nicht reagierte, erklärte der Rechtsanwalt der Vermieterin die außerordentlich fristlose und ordentliche Kündigung wegen Nichtgewährens des Zugangs zu der Wohnung. Mit der Klage verlangt die Vermieterin die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
Die Entscheidung – Wirksame außerordentlich fristlose Kündigung, da ein Recht auf Besichtigung einer „Messie-Wohnung“ besteht
Das Amtsgericht Ludwigshafen verurteilt den Mieter die Wohnung zu räumen und an die Vermieterin herauszugeben. Die Kündigung vom 05.11.2020 habe das Mietverhältnis beendet. Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch bestehe nach §§ 546, 985 Abs. 1 BGB, so das Amtsgericht.
Für den Anspruch auf Räumung muss ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen. Dieser bestehe hier darin, dass der Vermieterin der Zutritt zur streitgegenständlichen Wohnung nicht gewährt wurde, eine Pflichtverletzung des Mieters liege also vor, so das Amtsgericht. Da die Vermieterin den Verdacht hatte, es handele sich bei der Wohnung um eine „Messie-Wohnung“, besitze sie diesen Anspruch auf Zutritt aus ihrem Eigentumsrecht aus Art. 14 Grundgesetz (GG).
Das Amtsgericht erklärt zudem, dass auch die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für die Vermieterin nicht zumutbar sei. Begründet wird dies durch die besondere Schwere der Pflichtverletzung. Die Vermieterin versuchte über ein Jahr, Zutritt zur Wohnung zu erhalten. Sie schlug stets einige Alternativtermine vor oder bat um eigene Terminvorschläge. Der Mieter zeigte hingegen keinerlei Entgegenkommen. Auch während der Corona-Pandemie sei eine solche Besichtigung außerdem möglich gewesen, so das Amtsgericht. Die Vermieterin habe des Weiteren ein immer größer werdendes Interesse am Zutritt zur Wohnung, da sie schließlich durch die Vermutung, es handele sich um eine „Messie-Wohnung“, auch eine Substanzverletzung derselben befürchten musste.
Praxistipp – Eine erhebliche Pflichtverletzung des Mieters begründet ein Besichtigungsrecht des Vermieters
Regelmäßig entscheiden die Gerichte darüber, unter welchen Voraussetzungen dem Vermieter Zutritt zu vermieteten Wohnungen genehmigt werden muss. Das Besichtigungsrecht ist eine reine Nebenpflicht des Mieters. Vermieter haben daher nicht grundsätzlich das Recht, die Wohnung, beispielsweise periodisch, zu besichtigen. Es muss hierfür stets ein konkreter sachlicher Grund vorliegen. Dieser kann in einer vorangegangenen erheblichen Pflichtverletzung des Mieters liegen.
Wenn diese vorliegt, kann auch die Berufung auf eine nicht mögliche Besichtigung aufgrund der Corona-Pandemie kein Argument sein. Eine Besichtigung unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen ist auch während der Pandemie möglich.
Bei fristloser Kündigung wegen erheblicher Pflichtverletzung sollten sowohl Mieter als auch Vermieter beachten, dass diese regelmäßig erst nach Abmahnung oder Fristsetzung möglich ist. So kann der jeweiligen Vertragspartei die Möglichkeit gegeben werden, sich wieder vertragsgemäß zu verhalten. Nur in Ausnahmefällen durch besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen kann hierauf verzichtet werden. Dem Vermieter ist dann nicht zuzumuten, dass durch die Verzögerung, die mit einer vorherigen Abmahnung einhergeht, das Mietverhältnis noch länger besteht. Beispiele für solche möglichen Ausnahmen sind der umfassende Anbau von Rauschgift oder Gewalt gegenüber Nachbarn.
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- Hier finden Sie weitere Informationen zum Recht zur Besichtigung.
- Anhand des eines Beschlusses des Landgerichts Berlin aus dem Jahr 2018 zeige ich Ihnen, was bei Kündigung und Räumung eines Messies zu beachten ist.
- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
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