Betriebskostenabrechnung im Gewerberaum
Mit Urteil vom 27.01.2010 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch im Gewerberaum, wenn die Parteien nicht anderes vereinbart haben, die Betriebskostenabrechnung nach einem Jahr fällig ist. Im Gegensatz zum Wohnraummietrecht kann der Gewerberaumvermieter im Regelfall aber auch noch nach Ablauf des Jahres eine Nachforderung aus der Abrechnung geltend machen.
Der Ausgangsstreit – Betriebskostenabrechnung im Gewerberaum
Die Parteien sind über einen Gewerberaummietvertrag aus dem Jahr 1993 verbunden. In dem Mietvertrag war geregelt, dass die Vermieterin einmal jährlich zum Ablauf eines Kalenderjahres über die Betriebskostenvorauszahlung abrechnen sollte (§ 6 Ziff. 2 Mietvertrag). Sowohl auf Mieter- als auch Vermieterseite wurden die Vertragsparteien im Laufe des Mietverhältnisses durch neu eintretende Vertragsparteien ersetzt. Das Mietverhältnis endete zum 15.02.2004.
In den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre bis einschließlich zum Jahr 2001 wurden, obwohl diese Kosten nach dem Vertrag auf den Mieter umgelegt werden durften, keine Kosten für Allgemeinstrom, Wartung der Heizung, Schädlingsbekämpfung und Verwalter abgerechnet. Am 23.09.2004 gingen der Mieterin die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2002, 2003 und – anteilig – 2004 zu. Die Abrechnungen endeten mit einer Nachzahlung in Höhe von insgesamt 12.294,50 €. Die Mieterin leistete auf die Forderung alleine 337,13 €.
Mit ihrer Klage verlangt die Vermieterin den Restbetrag aus den Betriebskostenabrechnungen. Das Landgericht hatte die Mieterin zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht hatte die Berufung zurückgewiesen.
Die Entscheidung – Betriebskostenabrechnungen nicht verspätet
Der Bundesgerichtshof bestätigt die Urteile der Instanzgerichte. Die Mieterin musste auf die Abrechnungen leisten, diese waren insbesondere nicht verspätet. Eine Betriebskostenabrechnung ist im Gewerberaum regelmäßig ein Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums fällig. Auch wenn der Vermieter erst später abrechnet, kann er trotzdem eine Nachforderung aus der Abrechnung geltend machen
Nach dem Mietvertrag umlegbare Betriebskosten
Zumindest in der Revision unstreitig war, dass die Kosten für Allgemeinstrom, Wartung der Heizung, Schädlingsbekämpfung und Verwalterhonorar nach dem Mietvertrag auf die Mieterin umgelegt werden durften.
Keine analoge Anwendung im Gewerberaum der gesetzlichen Regelungen zur Betriebskostenabrechnung für Wohnraum
Die Vermieter waren nicht deshalb mit der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung ausgeschlossen, weil diese verspätet war. Eine solche Ausschlussfrist sieht § 556 Abs. 3 S. 3 BGB vor. Nach dieser Vorschrift kann ein Vermieter von Wohnräumen eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung dann nicht mehr geltend machen, wenn die Abrechnung dem Mieter mehr als 12 Monate nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zugeht und der Vermieter sich für die verspätete Abrechnung nicht rechtfertigen kann. Wenn § 556 Abs. 3 S. 3 BGB auf das (Gewerbe-)Mietverhältnis der Parteien anwendbar wäre, hätte zumindest die Abrechnung für das 2002 verspätet sein können. Diese hätte dann bis zum 31.12.2003 der Mieterin zugehen müssen.
Hierzu stellt der BGH fest, dass die Vorschrift nicht direkt anwendbar ist. § 578 BGB regelt, welche Vorschriften des Wohnraummietrechts (ab § 549 BGB Untertitel 2. Mietverhältnisse über Wohnraum bis einschließlich § 577a BGB) auf andere Mietverhältnisse (also Grundstücke, Gewerbe, Stellplätze etc.) anwendbar sind. § 556 BGB wird in § 578 BGB nicht genannt. Eine analoge Anwendung von § 556 Abs. 3 S. 3 BGB auf ein Gewerberaummietverhältnis sei, so der BGH, nicht möglich, da der Gesetzgeber in § 578 BGB klar geregelt hat, welche Vorschriften anwendbar sind und welche nicht. Es fehle deshalb die für eine analoge Anwendung notwendige planwidrige Regelungslücke.
Keine stillschweigende Abänderung des Mietvertrags
Weiter hatte die Mieterin eingewendet, dass der Mietvertrag stillschweigend dadurch geändert wurde, dass die Verwalterinnen über die streitigen Positionen nicht abrechnet haben. Diese Ansicht weist der BGH mit dem Argument zurück, dass es an einem auf Abänderung der vertraglich umlagefähigen Nebenkosten gerichteten Willens der Vermieter fehle. Die Mieterin konnte aus der insofern unterlassenen Abrechnung nicht schließen, dass die Vermieter auch für die Zukunft auf diese Positionen verzichten wollen.
Keine Verwirkung der Ansprüche, Fälligkeit der Betriebskostenabrechnung im Gewerberaum regelmäßig innerhalb eines Jahres
Letztlich scheidet auch eine Verwirkung der Ansprüche aus. Hierzu stellt der Bundesgerichtshof zunächst einmal fest, dass die Vermieter zum Zeitpunkt des Zugangs der Abrechnungen am 23.09.2004 noch nicht zur Abrechnung über die Jahre 2003 und 2004 verpflichtet waren.
Eine vertragliche Vereinbarung, bis wann die Betriebskostenabrechnung zu erstellen ist, bestand nicht. Die Regelung des § 6 Ziff. 2 Mietvertrag sollte, entgegen ihrem Wortlaut, alleine festlegen, dass die Vermieterin jeweils über ein Kalenderjahr abzurechnen hat (sog. Abrechnungszeitraum). Eine Abrechnung direkt zum Ablauf des Abrechnungszeitraums sei praktisch nicht möglich, da dann noch nicht sämtliche Abrechnungsunterlagen vorliegen (die Abrechnungen der Versorger von Heizung und Wasser werden immer erst im Folgejahr erstellt).
Auch eine gesetzliche Regelung, wann über die Nebenkosten im Gewerberaum abzurechnen ist, fehlt. Nach Ansicht des BGH sei es aber möglich, sich zur Bestimmung der Fälligkeit der Betriebskostenabrechnung an § 556 Abs. 3 S. 2 BGB zu orientieren. Demnach muss die Abrechnung spätestens zum Ablauf des 12 Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums dem Mieter zugehen. Nach Ablauf der Frist ist die Abrechnung aber „alleine“ fällig. Der Mieter kann ab diesem Zeitpunkt den Vermieter auf Erteilung der Abrechnung in Anspruch nehmen und, wenn keine Abrechnung zugegangen ist, die weiteren Vorauszahlungen zurückbehalten.
Letztlich ist auch die Nachforderung für den Abrechnungszeitraum 2002 nicht verwirkt, denn hier fehlt es an den für eine Verwirkung erforderlichen vertrauensbildenden Umständen.
Praxistipp – Im Gewerberaum sollte die Betriebskostenabrechnung überprüft werden
Mit der Entscheidung aus dem Jahr 2010 hat der Bundesgerichtshof geklärt, innerhalb welchem Zeitraum der Vermieter von Gewerberaum über die Betriebskosten abzurechnen hat und welche Rechte und Ansprüche für den Vermieter daraus entstehen, dass die Abrechnung nicht erstellt wird. Die Parteien eines Gewerberaummietvertrages können – im Gegensatz zu Parteien eine Wohnraummietvertrags – aber selbstverständlich hiervon abweichende Vereinbarungen treffen.
Der BGH hat in den letzten Jahren formularvertragliche Regelungen zur Umlage von Betriebskosten im Gewerberaum einer strengen Prüfung unterzogen. Im Gewerbe kann es sich deshalb die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung durchaus lohnen.
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- Zu dem Thema Betriebskosten in der Gewerberaummiete lesen Sie auch meinen Beitrag Betriebskostenabrechnung in der Gewerbemiete.
- Weshalb die Überprüfung des Gewerberaummietvertrags vor Abschluss ratsam ist, erkläre ich in dem Beitrag Prüfung des Gewerbemietvertrags vor Abschluss.
- Hier finden Sie weitere Informationen zu diesem Urteil.
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