Erstattung fiktiver Rückbaukosten
Wenn Mietende während der Mietzeit bauliche Veränderungen durchführen, sind sie im Regelfall verpflichtet, diese nach Beendigung der Mietzeit wieder zu beseitigen. Unterlassen sie dies, können Vermietende die Erstattung der Rückbaukosten einfordern. Doch was ist, wenn die Vermietenden keinen tatsächlichen Rückbau vornehmen und trotzdem die Erstattung fiktiver Rückbaukosten verlangen? Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg mit Urteil vom 06.12.2022 entschieden.
Der Ausgangsstreit – Mieterin kündigt Mietverhältnis, Vermieter verlangt Erstattung fiktiver Rückbaukosten
Die Parteien sind über einen Mietvertrag für Gewerbe aus dem Jahr 2009 miteinander verbunden. Mit Schreiben vom 26.09.2018 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis mit Wirkung zum 31.03.2019. Im Anschluss erklärte sie außerordentlich fristlose Kündigungen und gab das Mietobjekt am 28.12.2018 zurück.
Der Vermieter widersprach den außerordentlichen Kündigungen und forderte die Mieterin mit Schreiben vom 15.01.2019 auf, „die Räume zu säubern, nötige Instandsetzungen vorzunehmen und die fälligen Schönheitsreparaturen auszuführen.“ Er beanstandete unter anderem, dass der Rückbau einer Trockenbauwand geschuldet gewesen sei, verlangte hierfür die Erstattung fiktiver Rückbaukosten und erhob schließlich Klage beim Landgericht Potsdam. Ein vom Landgericht beauftragtes Gutachten zum Rückbau der Trockenbauwand stellte fest, dass diese sich noch in unverändertem Zustand befand. Nach Ansicht des Landgerichts seien daher die Kosten für die Versetzung der Wand nicht ersetzbar. Der Vermieter habe die Räumlichkeiten in unverändertem Zustand nachvermietet. Ein weitergehender Vermögensschaden sei von Seiten des Vermieters nicht nachgewiesen worden.
Gegen das Urteil legt der Vermieter Berufung beim OLG Brandenburg ein.
Die Entscheidung – Erstattung fiktiver Rückbaukosten im Gewerbe nicht zulässig, wenn offensichtliche Wertverbesserung vorliegt
Die Berufung bleibt weitgehend ohne Erfolg. Das OLG schließt sich der Ansicht des Landgerichts an, dass die fiktiven Rückbaukosten nicht erstattungsfähig seien. Der Sachvortrag des Vermieters dazu, dass der Nachmieter die Trockenbauwand nicht haben will, sei gemäß §§ 529, 531 Abs. 1, 2 Nr. 3 ZPO im Berufungsrechtszug nicht mehr zu berücksichtigen. Der Vermieter habe es aus Gründen der Nachlässigkeit unterlassen, ihn bereits vor dem Landgericht vorzubringen.
Zudem habe das Landgericht bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch zum einen entfällt, weil die die Weitervermietung der Büroräume ohne den Rückbau der Wand erfolgt sei. Zum anderen sei vom Vermieter nicht vorgetragen worden, dass er insoweit einen Schaden erlitten habe. Schließlich sei die Trennwand auch von den Nachmietern so hingenommen worden. Das OLG betont weiter, dass hier kein Rückgriff auf die zulässige Erstattungsfähigkeit fiktiver Rückbaukosten möglich sei. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zeige, dass die Liquidation eines bloß fiktiven Schadens nicht in Betracht komme, wenn ein den Mietenden vorwerfbares Fehlverhalten die Sachsubstanz der Mietsache gar nicht nachteilig verändert habe. Wenn also beispielsweise eine offensichtliche Wertverbesserung vorliegt und das Verhalten lediglich Anlass zu Reparaturmaßnahmen gibt, die Vermietenden diese jedoch gar nicht für erforderlich halten und deswegen unterlassen (s. BGH, Urteil vom 05.03.2014 – VIII ZR 205/13).
Im vorliegenden Fall hat der Vermieter die Wand in den Geschäftsräumen belassen. Das spreche dagegen, dass ihr Verbleib eine Minderung des Gebrauchswerts der Mietsache bedinge, die auf Grundlage fiktiver Rückbaukosten ausgeglichen werden müsse, so das OLG. Das Interesse des Vermieters, die Einbauten zu nutzen, gegenüber der Mieterin aber die Kosten ihrer Entfernung als Schaden zu tilgen, sei nicht schützenswert und rechtfertige keine fiktive Erstattung der Rückbaukosten. Zu beachten sei hier der Grundsatz von Treu und Glauben, wonach gemäß § 242 BGB eine Leistung stets so zu erbringen ist, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Die hier vorliegende Überkompensation widerspreche diesem Grundsatz und sei daher nicht zulässig.
Praxistipp – Lassen Sie sich rechtsanwaltlich beraten
Ob (fiktive) Rückbaukosten zu erstatten sind, ist im Einzelfall zu prüfen. Grundsätzlich gilt das für die Fälle, in denen Vermietende den Rückbau tatsächlich durchführen. Bevor es allerdings zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, sollten sich Vermietende und Mietende stets rechtsanwaltlich über ihre Rechte und Pflichten beraten lassen.
Wenn die Parteien des Mietvertrags nichts anderes vereinbart haben, müssen Mietende Einbauten bei Mietende zurückbauen. Dies gilt selbst dann, wenn Vermietende den Einbau ausdrücklich gestattet haben. Selbst dann muss man ausdrücklich vereinbaren, dass der Einbau bei Mietende in dem Mietobjekt verbleiben kann.
In einem zweiten Teil des Urteils hat sich das OLG Brandenburg mit der Wirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel in der Gewerbemiete beschäftigt. Darauf wurde hier jedoch nicht näher eingegangen. Eine Zusammenfassung dieses Teils des Urteils finden Sie daher in dem Beitrag Wann sind Schönheitsreparaturklauseln in der Gewerberaummiete unwirksam?
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- Wie können sich Mietende nach Mietvertragsende gegen Forderungen der Vermietenden wehren? In diesem Beitrag gebe ich Ihnen einen Überblick.
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