Vorbehalt der Minderung nicht immer notwendig
Mit einem Beschluss vom 04.09.2018 eröffnet der Bundesgerichtshof Mietern, die Miete trotz Mangel ohne Vorbehalt geleistet haben, die Möglichkeit diese – unter bestimmten Voraussetzungen – zurückzufordern. Die Erklärung des Vorbehalt der Minderung ist daher nicht immer notwendig.
Der Ausgangsstreit – Mieter denkt, Minderung ist von Zustimmung Vermieterin abhängig
Die Parteien waren über einen Wohnraummietvertrag verbunden. Die Mieter leisteten die Miete November 2015, Januar 2016 und März 2016 in Höhe von insgesamt 2.460,00 EUR nicht.
Im März 2013 hatten die Mieter einen Mangel – wiederkehrende faulige Gerüche – der Wohnung angezeigt. Der Mangel wurde erst im Dezember 2015 behoben. Aus der Kommunikation der Mieter mit der Verwalterin lässt sich entnehmen, dass die Mieter (fehlerhaft) davon ausgingen, dass sie für eine Minderung der Miete eine Zustimmung der Vermieterin benötigen.
Die Vermieterin machte mit ihrer Klage die unstreitig offenen Mieten i.H.v. 2.460,00 € geltend. Die Mieter erklärten gegenüber dieser Forderung der Vermieterin die Aufrechnung mit Ansprüchen auf Rückzahlung von seit Januar 2011 zu viel geleisteter Miete. Sie waren der Ansicht, dass sie berechtigt waren, die Mieteseit Januar 2011 die Miete monatlich um 15% zu mindern. Sie gelangten so zu einer Forderung auf Rückzahlung von zu viel geleisteter Miete in Höhe von insgesamt 7.380,00 EUR.
Das Amtsgericht war der Ansicht, dass die Mieter nur im November 2015 zur Minderung der Miete i.H.v. 10% berechtigt waren, da sie die Mieten vorbehaltslos geleistet hatten. Es verurteilte die Mieter zur Zahlung von 2.378,00 EUR . Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Amtsgerichts teilweise ab. Es ließ die Aufrechnung mit zu viel geleisteter Miete auch für die Monate Januar 2015 bis Oktober 2015 sowie Dezember 2015 zu. Es verurteilte die Mieter deshalb zur Zahlung von 1.476,00 EUR. Gegen das Berufungsurteil legte die Vermieterin Revision ein.
Die Entscheidung – Vorbehalt der Minderung ist nicht immer notwendig
In seinem Beschluss weist der 8. Senat des Bundesgerichtshofs die Vermieterin darauf hin, dass er beabsichtigt die Revision zurückzuweisen. Die Vermieterin nahm daraufhin die Revision zurück. Nach der Entscheidung ist es nicht immer notwendig, einen Vorbehalt der Minderung zu erklären.
Rückforderung zu viel geleisteter Miete
Ausgangspunkt für den Rechtsstreit ist der nicht ganz seltene Fall, dass Mieter die Miete in voller Höhe leisten, obwohl ein (nicht unwesentlicher) Mangel besteht und sie deshalb zur Minderung berechtigt wären. Der Anspruch des Mieters auf Rückforderung überbezahlter Miete folgt aus der Vorschrift des § 812 BGB, nach der eine ungerechtfertigte Bereicherung zurückzuleisten ist, also die zu viel geleistete Miete. Eine Rückforderung nach dieser Vorschrift ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Leistende (Mieter) gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 814 Alt. 1 BGB). Wenn also ein Mieter die volle Miete leistet, obwohl er wusste, dass er zur Minderung berechtigt ist, kann er diese zu viel geleistete Miete nicht zurückfordern.
Ausschluss der Rückforderung nach § 814 BGB
Grundsätzlich muss der Leistungsempfänger (Vermieter) darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 814 BGB vorliegen, der Mieter also wusste, dass er nicht leisten muss. Der Bundesgerichtshof hatte aber in einem Urteil aus dem Jahr 2003 erklärt, dass im Regelfall nach dem heutigen Kenntnisstand Mieter wissen, dass sie bei einem Mangel die Miete mindern dürfen (BGH, Urteil vom 16.07.2003 – VIII ZR 274/02). Die Gerichte waren seitdem dazu übergegangen, nahezu durchgehend Ansprüche auf Rückzahlung überbezahlter Miete an § 814 BGB scheitern zu lassen, wenn kein Vorbehalt erklärt wurde.
In seiner Entscheidung erklärt der BGH jetzt, dass die Entscheidung aus dem Jahr 2003 nicht bedeutet, dass dem Vermieter eine Darlegungs- oder Beweiserleichterung zugute kommt. § 814 Alt. 1 BGB greife zugunsten des Vermieters nur dann, wenn der Mieter nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Er müsse „nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben.“ In dem entschiedenen Fall zeigen aber die E-Mails der Mieter, dass sie fehlerhaft davon ausgingen, dass sie zur Minderung eine Zustimmung der Vermieterin benötigen. Aus diesem Grund greife § 814 BGB hier nicht.
Praxistipp – Vorbehalt sollte man stets ausdrücklich erklären
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird es Mietern zwar häufiger ermöglichen, zu argumentieren, dass ein Anspruch auf Rückzahlung überbezahlter Miete möglich ist. Als Mieter kann kann man auf verschiedene Weise argumentieren:
- Man meinte, dass der Mangel zeitnah beseitigt wird.
- Sie dachten, dass man die Zustimmung des Vermieters zur Minderung benötigt.
- Bei Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück konnte man rechtlich nicht sicher sein, ob man zur Minderung berechtigt war.
- usw…
Der Regelfall wird aber wohl bleiben, dass der Mieter diese Unkenntnis von seinem Recht zur Minderung begründen muss. Denn der Bundesgerichtshof erklärt auch, dass er mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2003 eine „überschlägige Regelfallbetrachtung“ angestellt hat. Diese sollte zwar die Würdigung der Einzelfallumstände durch den Richter nicht ersetzen. Der BGH hat diese „Regelfallbetrachtung“ aber auch in der neuen Entscheidung nicht eingeschränkt.
Mieter sollten also weiterhin erklären, dass sie die Miete in Höhe einer angemessenen Minderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung leisten. Sowohl Vermieter als auch Mieter sollten, wenn ein Mangel auftritt, die Kommunikation sorgfältig dokumentieren, um zu der Frage „Kenntnis des Mieters von seinem Recht zur Minderung“ vortragen zu können.
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- In meinem Beitrag Richtig mindern habe ich aus der Perspektive eines Rechtsanwaltes für Mietrecht erklärt, was man als Mieter bei der Durchsetzung einer Minderung beachten sollte.
- Weitere Informationen zu dem Beschluss finden Sie hier.
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