Anrechnung von Balkonen und Terrassen zur Wohnfläche vor 2004
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine Abweichung zwischen vereinbarter und tatsächlicher Mietfläche nur dann erheblich, wenn der Unterschied mehr als 10 % der vereinbarten Fläche beträgt. Mit Urteil vom 22.04.2009 hat der BGH zu der Frage entschieden, bis zu welchem Anteil die Anrechnung der Flächen von Balkonen und Terrassen möglich ist, wenn der Mietvertrag vor 2004 abgeschlossen wurde und die Parteien zu der Berechnung keine ausdrückliche Regelung getroffen haben.
Der Ausgangsstreit – Anrechnung von Balkonen und Terrassen zur Wohnfläche bei einem Mietvertrag streitentscheidend
Die Parteien sind über einen Wohnraummietvertrag miteinander verbunden.
In dem Mietvertrag der Parteien war die Größe der Wohnung mit „ca. 120 m²“ angegeben. Die Parteien waren sich darüber einig, dass die Wohnfläche der Innenräume 90,11 m² beträgt. Streit bestand allein über die Frage, wie die beiden 25,2 m² und 20,2 m² großen Terrassen auf die Wohnfläche anzurechnen sind. Die Mieterin war der Ansicht, dass eine Anrechnung allein von einem Viertel der Flächen der Terrassen vorzunehmen ist. Die Vermieter wollten die Hälfte der Terrassenflächen anrechnen. Wenn man die Terrassen zur Hälfte berücksichtigt, besteht keine zur Minderung berechtigende Flächenabweichung.
Die Mieterin behielt den Minderungsbetrag für die Monate November 2003 bis August 2005 in Höhe von 3.488,34 € von den Mieten für die Monate März bis August 2005 ein. Der Vermieter macht mit seiner Klage diese zu wenig gezahlten Mieten geltend. Das Amtsgericht wies die Klage des Vermieters ab, das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts.
Die Entscheidung – Anrechnung von Balkonen und Terrassen zur Wohnfläche kann man bei Vertrag mit bis zu 50% ihrer Fläche berücksichtigen
Der Bundesgerichtshof gibt dem Vermieter Recht. Bei einem Mietvertrag, der vor 2004 abgeschlossen wurde, steht es im Ermessen des Vermieters, die Flächen von Balkonen und Terrassen mit bis zu 50% bei der Berechnung der Wohnfläche zu berücksichtigen. Es sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart oder es gibt einen abweichenden ortsüblichen Berechnungsmodus.
Bestätigung der Rechtsprechung zur Berechnung der Wohnfläche
In seinem Urteil wiederholt der BGH zunächst seine Rechtsprechung, wie sich die Berechnung der Wohnfläche bestimmt. Im Wohnraummietrecht selber ist der Begriff der Wohnfläche und deren Berechnung nicht geregelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH soll zunächst einmal eine Vereinbarung der Parteien über die Berechnungsweise gelten. Haben die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, richtet sich die Berechnung der Wohnfläche nach der ortsüblichen oder nach der Art der Wohnung naheliegenden Berechnung. Ist auch hierzu keine Feststellung zu treffen, erfolgt die Berechnung nach den im preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen (bis 31.12.2003 nach den §§ 42 – 44 der II. BV, ab dem 01.01.2004 nach der Wohnflächenverordnung – WoFlV).
Bei Mietverträgen bis 2004 kann Vermieter Ermessensspielraum ohne Begründung voll ausschöpfen
Sowohl die II. BV als auch die WoFlV räumen dem Bauherrn einen Bewertungsspielraum ein, ob er Flächen von Balkonen, Loggien, Dachgärten und gedeckten Freisitzen (hierunter fallen zum Teil Terrassen) mit 0% bis 50 % ihrer Fläche anrechnet. Bisher noch nicht geklärt war, ob ein Vermieter diesen für den preisgebundenen Wohnraum vorgesehenen Toleranzspielraum voll ausschöpfen darf oder aber eine Begründung benötigt, wenn er den Maximalwert von 50% ansetzen möchte. Nach einer verbreiteten Ansicht, soll der Vermieter, wenn er eine andere Entscheidung nicht begründen kann, an den Mittelwert gebunden sein. Er dürfte dann höchstens 25% der Fläche von Balkonen und Terrassen als Wohnfläche anrechnen.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Vermieter in seinem Ermessensspielraums eingeschränkt sein soll. Deshalb konnte der Vermieter bei Mietverträgen, die bis zum 31.12.2003 abgeschlossen worden sind, die Flächen von Balkonen, Terrassen und ähnlichem also mit 50 % ihrer Fläche bei der Berechnung der Wohnfläche einbringen. Ob dies auch für Mietverträge gilt, die danach abgeschlossen wurden, ist bisher nicht entschieden. Nach § 4 Nr. 4 WoFlV ist hier eine Anrechnung in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte möglich.
Praxistipp – Risikoreiche Minderung
Die direkte Umsetzung einer Minderung ist spätestens ab einer Höhe von mehr als einer Monatsmiete mit einem erheblichen Risiko behaftet. Stellt sich die Minderung, wie hier, als unberechtigt heraus, ist der Mieter mit Miete in dieser Höhe im Rückstand. Die Höhe des Mietrückstands berechtigt den Vermieter zur Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzug. Alleine schon die Tatsache, dass eine Kündigung im Raum steht, bringt viele Mieter dazu, Kompromisse einzugehen, die sie ohne Kündigung nicht eingehen würden. Aus diesem Grund raten wir, die Miete in voller Höhe unter Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Die zuviel gezahlte Miete kann man dann immer noch einklagen (s. auch Richtig die Miete mindern).
Hinweis: Nach einem Urteil des Landgerichts Berlin (LG Berlin, Urteil vom 17.01.2018 – 18 S 308/18) werden gem. § 4 Nr. 4 WoFlV – zumindest in Berlin – Balkone, Terrassen, Wintergärten und Loggien im Regelfall nur mit 25% ihrer Fläche bei der Berechnung der Wohnfläche berücksichtigt. Dies gilt, soweit die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben, für ab dem Jahr 2004 abgeschlossene Mietverträge.
– – –
- Zum Beitrag: Flächenabweichungen – Rechte und Ansprüche des Mieters
- Hier finden Sie weitere Informationen zu der Entscheidung.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.
Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.