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Fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug treuwidrig

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Urteil // Oberlandesgericht Brandenburg // 3 U 93/21

Wenn Mietende mit der Zahlung ihrer Miete in Rückstand geraten, droht die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug. Was gilt aber, wenn die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug treuwidrig ist? Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg entschieden.

Der Ausgangsstreit – Erbengemeinschaft erklärt fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzug

Die Parteien sind über einen Mietvertrag für ein Grundstück aus dem Jahr 2006 miteinander verbunden. Die Vermieter hatten das Grundstück vom verstorbenen Erblasser 2013 geerbt. Die Mieterin nutzte das Grundstück zum Betrieb einer Entsorgungs-, Speiseverwertungs- und Photovoltaikanlage. Die Kaltmiete betrug 2.900,00 € und es wurde eine Vertragslaufzeit bis zum 31.12.2029 vereinbart. Mit Nachtragsvereinbarung vom 08.10.2009 erfolgte eine Reduzierung der Miete auf 500,00 € monatlich und durch Nachtrag vom 17.10.2011 verpflichtete sich die Mieterin, die Miete für den Zeitraum vom 11.2011 bis zum 10.2017 im Voraus zu zahlen. Sie erfüllte diese Vereinbarung durch Zahlung von 31.485,88 €.

Nachdem die Mieterin die Miete für die Monate November und Dezember 2018 nicht gezahlt hatte, erklärten die Vermieter die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzug.  Die Mieterin zahlte daraufhin die rückständigen Mieten und wies die Kündigung mit Schreiben vom 10.01.2019 zurück. Daraufhin forderten die Vermieter die Mieterin zur Räumung auf und erhoben schließlich Klage.

Das Landgericht verurteilte die Mieterin zur Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Grundstücks sowie zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Monate Januar bis April 2019. Die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug greife gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB durch.

Daraufhin legte die Mieterin Berufung ein. Die fristlose Kündigung sei angesichts der erheblichen überobligatorischen Mieterleistungen treuwidrig. Der zum Kündigungszeitpunkt vereinbarte monatliche Betrag von 500,00 € habe keinen Gegenwert für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks dargestellt. Das Ausbleiben des symbolischen Betrags sei nicht als Mietzahlungsverzug zu werten. Vielmehr müsse das Mietverhältnis in der Gesamtheit seiner Laufzeit gewürdigt werden.

Fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug treuwidrig

Die Entscheidung – Kann die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug treuwidrig sein?

Die Berufung ist begründet, so das OLG Brandenburg. Die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug sei treuwidrig. Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, dass die fristlose Kündigung wirksam erklärt worden ist und die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt sind. Bei der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB finde die Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen sei bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben und die Abwägungsvoraussetzungen, die in § 543 Abs. 1 BGB genannt sind, müssen nicht noch zusätzlich erfüllt sein.

Allerdings könne die Berufung auf die fristlose Kündigung im Einzelfall treuwidrig sein, so das OLG. Dies komme vor allem dann in Betracht, wenn das Verhalten Vermietender widersprüchlich, überraschend oder arglistig sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gelte für das gesamte Privatrecht. Hieraus lasse sich das sogenannte Übermaßverbot ableiten. Danach ist eine Rechtsverfolgung unzulässig, die geringfügige, dem Berechtigten im Einzelfall unschädlich gebliebene Verfehlungen zum Anlass nimmt, weitreichende Rechtsfolgen geltend zu machen. Die Rechtsausübung dürfe sich nicht als unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des anderen Teils darstellen.

Im vorliegenden Fall habe die Mieterin den Rückstand unmittelbar nach Erhalt der Kündigung ausgeglichen. Es gab keine weiteren Zahlungsrückstände und das Mietverhältnis wurde seitens der Vermieter jahrelang beanstandungsfrei durchgeführt. Es hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, dass es noch einmal zu Zahlungsrückständen kommen würde. Der Zahlungsverzug beruhte zudem auf einem Versehen; auch die Vermieter gingen nicht von einer vorsätzlichen Aussetzung der Zahlungen aus.

Das OLG führt weiter aus, dass die Tatsache, dass die Vermieter das Mietverhältnis gerne vorzeitig beenden wollten, indem sie bereits 2018 eine unberechtigte ordentliche Kündigung erklärt sowie eine unberechtigte Mietzahlungsklage erhoben hatten, nicht als Begründung dafür dienen könne, dass sie kein Vertrauen mehr in eine gedeihliche Fortsetzung des Mietverhältnisses hätten. Die Mieterin hatte stattdessen einmal einen beträchtlichen Teil der Miete im Voraus gezahlt, um dem Erblasser in einer schwierigen Situation zu helfen. Das müssten sich die Vermieter als Rechtsnachfolger zurechnen lassen. Die fristlose Kündigung sei erst recht unverhältnismäßig, da sich die Mieterin mehr als nur vertragsgetreu gegenüber den Vermietern verhalten habe, so das OLG.

Praxistipp – Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben bei der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzug

Es erscheint als fragwürdig, wie das OLG hier die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Wohnraummietrecht für seine Entscheidung heranzieht. In der Wohnraummiete folgt die Unwirksamkeit der außerordentlich fristlosen Kündigung bei nachträglichem Forderungsausgleich aus dem § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Dieser ist in der Gewerberaummiete nicht anwendbar. § 578 BGB, der regelt, welche Normen der Wohnraummiete auch in der Gewerberaummiete gelten, verweist nicht auf diese Regelung.

Wenn Mietende den Zahlungsverzug in der Wohnraummiete nachträglich ausgleichen, stellt sich die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit dann bei der (nahezu immer) gleichzeitig ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Schon deshalb ist der Verweis des OLG auf die Rechtsprechung des BGH unpassend. Und selbst bei einer ordentlichen Kündigung soll der unmittelbare Zahlungsausgleich das Verhalten des Mieters nur „in einem milderen Licht“ erscheinen lassen. Es bedarf dann noch weiterer Gründe, weshalb die Kündigung unwirksam ist. Meine Erfahrung ist, dass die Instanzgerichte sich nur selten zu einer solchen Prüfung bringen lassen.

Dahingegen kennt die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich keine Abwägung. Es gibt zwar Fälle einer rechtsmissbräuchlichen Kündigung in der Rechtsprechung. Diese betreffen aber nur absolute Ausnahmefälle. Die Entscheidung des OLG ist ein absoluter Einzelfall. Man kann sie sicherlich zur Argumentation heranziehen, sollte aber nicht damit rechnen, dass ein anderes Gericht in einem ähnlichen Fall noch einmal so entscheidet.

Grundsätzlich sollten Mietende Mietrückstände unbedingt ausgleichen, bevor eine Kündigung kommt (§ 543 Abs. 2 S. 2 BGB) oder aber prüfen, ob eine Aufrechnung in einer Höhe möglich ist, die die Kündigung unwirksam macht. Auch diese muss schnellstmöglich erklärt werden (§ 543 Abs. 2 S. 3 BGB).

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  1.  Einen Überblick über das Thema Kündigung wegen Zahlungsverzug bietet Ihnen dieser Beitrag.
  2. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.

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