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Härtefallwiderspruch bei Zahlungsverzugskündigung?

  • RA Daryai
  • Mieten Urteile, Wohnraummietrecht Urteile
Beschluss // Landgericht Berlin // 64 S 191/17

In einem Hinweisbeschluss vom 01.03.2018 erklärt die 64. Kammer des Landgerichts Berlin, dass Mieter auch bei einer Zahlungsverzugskündigung die Möglichkeit zum Härtefallwiderspruch haben.

Der Ausgangsstreit – Vermieter kündigt wegen Zahlungsverzug, Mieter erklärt Härtefallwiderspruch

Die Sachverhaltsdarstellung des Landgerichts ist, da es sich um einen bloßen Hinweisbeschluss handelt, recht kurz.

Die Vermieterin erklärte dem Mieter einer Wohnung die Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Der Mieter befand sich im Rückstand mit drei Monatsmieten. Die Vermieterin kündigte sowohl außerordentlich fristlos als auch hilfsweise ordentlich. Der Mieter leistete dann innerhalb der Schonfrist, sodass die außerordentlich fristlose Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam wurde.

Nach Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung klagte die Vermieterin dann auf Räumung. Die Vermieterin ist der Ansicht, dass die ordentliche Kündigung das Mietverhältnis beendet hat. Der Mieter hatte während des Rechtstreits erklärt, dass er aufgrund seines Einkommens keine neue Wohnung zu zumutbaren Bedingungen findet.

Härtefallwiderspruch auch bei Zahlungsverzugskündigung?

Die Entscheidung – Auch bei Zahlungsverzugskündigung besteht die Möglichkeit zum Härtefallwiderspruch

Die 64. Zivilkammer erteilt mit ihrem Beschluss Hinweise zu denen die Parteien Stellung nehmen sollen. In dem Beschluss bezeichnet die Kammer die Erfolgschancen der Berufung derzeit als offen, da dem Mieter ein Recht zum Härtefallwiderspruch zustehen könnte.

Die Kammer erklärt, dass die Kündigung formell ordnungsgemäß und begründet war. Entgegen der Rechtsansicht der 66. Kammer sei es möglich, gleichzeitig außerordentlich fristlose und ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs zu erklären. Die außerordentlich fristlose Kündigung führe nicht dazu, dass die gleichzeitig erklärte ordentliche Kündigung unwirksam wird. Die Vermieterin habe ein berechtigtes Interesse an der Kündigung. Alleine die Tatsache, dass der Mieter den Zahlungsrückstand nach der Kündigung zeitnah beglichen hat, lasse dieses Interesse im Regelfall nicht entfallen.

Allerdings, so die 64. Kammer, müsse noch geprüft werden, ob dem Mieter ein Recht zum Härtewiderspruch gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht. Zwar werde in § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB erklärt, dass dem Mieter das Recht zum Härtefallwiderspruch dann nicht zusteht, wenn die Kündigung auf einem Grund beruht, der den Vermieter auch zur außerordentlich fristlosen Kündigung berechtigt. Dies war hier der Fall, da die Vermieterin aufgrund des Mietrückstands auch zur außerordentlich fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB berechtigt war.

Nach Ansicht der 64. Kammer solle entgegen dem Wortlaut § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Konstellation Zahlungsverzug aber nicht angewandt werden (sogenannte teleologische Reduktion). Der BGH hätte dies im Jahr 2005 zwar anders entschieden. Inzwischen habe sich aber die von der Vorsitzenden des 8. Zivilsenats des BGH geäußerte Befürchtung bestätigt, dass Vermieter durch eine kombinierte Kündigung die Möglichkeit zur Schonfristzahlung unterlaufen, da sie sich eine stark erhöhte Miete bei einer Neuvermietung versprechen.

Praxistipp – Bei ordentlicher Kündigung immer Härtefallwiderspruch erklären

Den Hinweis der 64. Kammer zur Beweiserleichterung für Mieter, die sich auf fehlenden Ersatzwohnraum berufen, sollten sowohl Mieter als auch Vermieter ernst nehmen.

Mieter sollten sich in Zukunft, je nachdem ob sie auf die Möglichkeit zum Härtefallwiderspruch (s. § 574b Abs. 2 BGB) hingewiesen wurden oder nicht, spätestens im Prozess den Härtewiderspruch erklären.

Vermieter befinden sich derzeit in der Zwickmühle. Erklären sie dem Mieter nicht, dass er zum Härtewiderspruch berechtigt ist, kann der Mieter einen solchen Widerspruch noch im gerichtlichen Verfahren nachholen (§ 574b Abs. 2 s. 2 BGB). Erklärt man als Vermieter den Hinweis auf das Widerspruchsrecht, könnte hieraus gefolgert werden, dass man dem Mieter unabhängig von dem Bestehen der gesetzlichen Voraussetzungen ein solches Widerspruchsrecht einräumen möchte. Derzeit scheint deshalb die beste Variante zu sein, zu erklären, dass die Ansicht vertreten wird, dass nach der Gesetzeslage eigentlich kein Recht zum Widerspruch besteht, dennoch vorsorglich auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wird.

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die 64. Kammer des Landgerichts die Ansicht der 67. Kammer zu teilen scheint, dass die Mietenbegrenzungsverordung des Senats vom 28.04.2015 zeigt, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung der Mietwohnung zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Einem Mieter, der sich auf die Härte „fehlender Ersatzwohnraum“ beruft, könne deshalb eine Beweiserleichterung zu Gute kommen.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat inzwischen entschieden, dass einem Mieter nach Zahlungsverzugskündigung und Schonfristzahlung kein Härtefallwiderspruch zusteht (BGH, Urteil vom 01.07.2020 – VIII ZR 323/18, Kein Härtewiderspruch nach Schonfristzahlung).

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  1. In dem Beitrag Wegen Mietschulden gekündigt, was tun? gebe ich als Rechtsanwalt für Mietrecht Praxistipps, wie Mieter mit Kündigungen wegen Mietschulden umgehen sollten.
  2. Hier finden Sie weitere Informationen zu dem Beschluss.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

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