Kein Recht zur Kündigung nach Ohrfeige
Darf man als Vermieter immer kündigen, wenn sich der Mieter pflichtwidrig verhält? Manchmal ist es noch nicht einmal ausreichend, dass ein Mieter einen anderen körperlich angreift, um eine Kündigung zu rechtfertigen. In einem durch das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 20.05.2014 entschiedenen Fall bestand selbst nach einer Ohrfeige kein Recht zur Kündigung.
Der Ausgangsstreit – Vermieter kündigt Mieterin, nachdem sie eine andere Mieterin ohrfeigte
Mit Urteil vom 20.05.2014 hat das Landgericht Karlsruhe die Räumungsklage eines Vermieters endgültig abgewiesen.
Die Mieterin hatte in einem Streit mit einer anderen Mieterin darüber, ob diese bei der Reinigung des Treppenhauses die Fußmatte ausgeschüttelt hatte, der anderen Mieterin eine Ohrfeige versetzt. Der Vermieter erklärte die Kündigung des Mietvertrages. Die Mieterin zog aber auf die Kündigung nicht aus.
Die Entscheidung – Besteht nach einer Ohrfeige kein Recht zur Kündigung?
Nach Ansicht des Landgerichts Karlsruhe bestand auch nach der Ohrfeige kein Recht zur fristlosen oder ordentlichen Kündigung des Mietvertrages.
Für seine Entscheidung waren durch das Landgericht die Interessen der Parteien auf Kündigung bzw. Fortsetzung gegeneinander abzuwägen. Nach der erforderlichen Interessensabwägung stand für das Landgericht Karlsruhe fest, dass die geohrfeigte Mieterin zum Entstehen des Streites beigetragen hat. Sie hatte die Fußmatte der gekündigten Mieterin nicht ausgeschüttelt und sich dann auf das Streitgespräch eingelasen. Außerdem sei zugunsten der gekündigten Mieterin zu berücksichtigen, dass es in den vier Monaten zwischen dem Vorfall am 16.03.2013 und der Kündigung am 19.07.2013 zu keinen weiteren Vorfällen mehr gekommen ist, so das Landgericht.
Praxistipp – Bei drohendem Rechtsstreit selbst besonders vertragstreu verhalten
Auch wenn man die Ansicht des Landgerichts nicht teilen muss und bei Kündigungen wegen Pflichtverletzungen immer der Einzelfall betrachtet wird, beinhaltet das Urteil des Landgerichts wichtige Lektionen sowohl für Vermieter als auch für Mieter. Eine Kündigung wegen Pflichtverletzung durch den Vermieter setzt voraus, dass sich der Vermieter selber (bzw. hier der geohrfeigte Mieter) vertragstreu verhält. Wenn man das Verhalten der Gegenseite als so unerträglich empfindet, dass das Mietverhältnis gekündigt werden soll, muss man selber auf ein besonders korrektes Auftreten Wert legen.
Weiterhin hat das Gericht die Zeit zwischen der Pflichtverletzung und der ausgesprochenen Kündigung in die Bewertung einbezogen. Hier ist häufig zu beobachten, dass die Situation durch das Verhalten von Mietern und Vermieter immer weiter eskaliert. Auch hier gilt, sowohl der Mieter, der in der Wohnung bleiben, als auch der Vermieter, der eine Kündigung durchsetzen möchte, sollten sich gerade jetzt besonders vertragstreu verhalten, um ihre Chancen in einem Rechtsstreit zu erhöhen.
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