Eigenbedarf bei nur vager Nutzungsabsicht
Mit Urteil vom 23.09.2015 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Räumungsurteil des Landgerichts Bonn an das Landgericht zurückverwiesen, damit das Landgericht die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin einer kritischeren Prüfung unterzieht. Bei nur vager Nutzungsabsicht kann eine Kündigung wegen Eigenbedarf ausgeschlossen sein.
Der Ausgangsstreit – Vermieterin kündigt wegen Eigenbedarf
Die Vermieterin ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses mit 15 Wohnungen. Sie bewohnte zum Zeitpunkt der Kündigung selbst ein Einfamilienhaus. Mit Schreiben vom 28. März 2012 kündigte sie Mietern, die in dem Mehrfamilienhaus eine Dreizimmerwohnung sowie eine separate Mansardenwohnung angemietet hatten. Nach einer Bestimmung des Mietvertrags können beide Wohnungen von Seiten der Vermieterin nur zusammen gekündigt werden.
In der Begründung der Kündigung führte die Vermieterin aus, dass sie in die Dreizimmerwohnung selbst einziehen möchte. Die Mansardenwohnung soll nach der Begründung Teil einer für die Tochter der Vermieterin vorgesehenen Maisonettewohnung werden.
Nachdem das Amtsgericht die Räumungsklage der Vermieterin noch abwies, verurteilte das Landgericht die Mieter zur Räumung.
Die Entscheidung – Ist die Kündigung wegen Eigenbedarf auch bei nur vager Nutzungsabsicht möglich?
Nunmehr hebt der BGH wiederum das Urteil des LG Bonn auf. Nach der Entscheidung steht einer Verurteilung der Räumung entgegen, dass der Sachverhalt bisher noch nicht ausreichend aufgeklärt ist. Bei nur vager Nutzungsabsicht ist eine Kündigung wegen Eigenbedarf nicht begründet.
Nach Ansicht des BGH ist die Eigenbedarfskündigung zwar ausreichend begründet. Für die Begründung einer Kündigung wegen Eigenbedarfs reiche es grundsätzlich aus, dass die Person, für die die Wohnung benötigt werde, und das Interesse, das diese Person an der Erlangung der Wohnung habe, ausreichend dargelegt werden. Der BGH sah auch einen Eigenbedarf für die Tochter an der Mansardenwohnung als gegeben an.
Das Urteil wurde deswegen aufgehoben, weil das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH bei der Würdigung der Ernsthaftigkeit des von derKlägerin selbst angegebenen Nutzungswunsches an der Dreizimmerwohnung einen unzureichenden Maßstab angelegt hatte. Nach Ansicht des BGH muss sich der Nutzungswunsch soweit verdichtet haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht. Dies sei im vorliegenden Fall fraglich.
Die Klägerin, die sich im Seniorenalter befindet, habe auf die Nachfragen des Amtsgerichts nicht angeben können, warum sie von mehreren Dreizimmerwohnungen die streitgegenständliche Wohnung als künftige Wohnung ausgewählt hatte. Es sei lebensfremd, dass man sich vor einem Wohnungswechsel keine Gedanken darüber mache, welche Wohnung nach Größe, Lage und Zuschnitt für die eigenen Zwecke am besten geeignet sei. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Entscheidung, die Wohnung der Mieter zu kündigen, innerhalb relativ kurzer Zeit gefallen ist. Auch hier sei es nach der Lebenserfahrung wenig plausibel, dass eine für die Vermieterin solch weitreichende Entscheidung derartig kurzfristig gefasst worden sein soll. Auch dieser Umstand würde für einen unzureichend konkretisierten Nutzungswunsch der Vermieterin sprechen.
Der BGH hat den Rechtsstreit deshalb zur weiteren Sachaufklärung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Praxistipp – Lassen Sie sich bei einer Kündigung wegen Eigenbedarf rechtsanwaltlich beraten
Das Urteil des BGH zeigt auf, woran eine Kündigung wegen Eigenbedarfs im konkreten Fall durchaus scheitern kann. Zwar sind die Anforderungen an eine Kündigungsbegründung stark zusammengestutzt worden. Als Vermieter wird man aber weiter darauf achten müssen, dass der Wunsch und das Interesse, die konkrete Wohnung nutzen zu können, von Beginn an plausibel dargestellt werden.
Mieter sollten auch schon vor der Kündigung Äußerungen des Vermieters zu einem künftigen Wunsch auf Eigennutzung sorgfältig dokumentieren. Eventuell kann man anhand einer solchen Dokumentation Widersprüche bei der Darstellung des Eigenbedarfswunsches aufdecken.
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- Was aus meiner Sicht als Rechtsanwalt für Mietrecht ein Vermieter im Falle einer Kündigung wegen Eigenbedarfs beachten sollte, erkläre ich in dem Beitrag Kündigung wegen Eigenbedarf als Vermieter.
- Hier finden Sie weitere Links zu dem Urteil.
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