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Keine Mängelbeseitigung wenn Opfergrenze überschritten

  • RA Kuo
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile, Wohnraummietrecht Urteile
Beschluss // Bundesgerichtshof // VIII ZR 135/13

Der Fall hat in Berlin hohe Wellen geschlagen: Ein Vermieter, der gleichzeitig Eigentümer des Nachbargrundstückes ist, lässt direkt vor Badezimmer- und Küchenfenster ein neues Wohnhaus hochziehen. Die Altmieter sitzen auf einmal in ihren Küchen und Badezimmern im Dunkeln. Das Landgericht Berlin wies die Klage auf Beseitigung des Mangels – und damit Abriss des Wohnhauses – ab (LG Berlin, 63 S 387/12) und wurde hierfür kräftig kritisiert.

Jetzt wurde durch den Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 22.01.2014 (Az.: VIII ZR 135/13) angekündigt, dass er die Rechtsprechung des Landgerichts bestätigen werde. Der Bundesgerichtshof greift hier auf seine Rechtsprechung zurück, wonach Mängelbeseitigungsansprüche nicht grenzenlos bestehen, sondern dass eine sogenannte „Opfergrenze“ nicht überschritten werden darf.

Der Bundesgerichtshof hatte bereits 2010 (BGH vom 21.04.2010 – VIII ZR 131/09) entschieden, dass die Verpflichtung eines Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort endet, wo der dazu erforderliche Aufwand die „Opfergrenze“ überschreitet. Unter welchen Umständen diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, muss dabei unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden.
Besteht etwa ein krasses Missverhältnis zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand einerseits und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter andererseits, ist das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze indiziert. In dem damals entschiedenen Fall hatte eine Mieterin auf Zahlung eines Vorschusses von knapp 50.000,00 EUR geklagt. Insgesamt wären wohl Kosten für die Sanierung von rund 100.000,00 EUR angefallen. Demgegenüber stand ein der Verkehrswert der Mietsache von lediglich etwa 30.000,00 EUR.

In dem jetzt vorliegenden Fall ließ die Klägerin und Vermieterin ein mehrstöckiges Wohnhaus errichten, das mit einer Außenwand unmittelbar an die Giebelseite des Nachbaranwesens angrenzt, in der sich die Fenster von Küche und Bad der an die Beklagte vermieteten Wohnung befinden. Der BGH beantwortete die Frage, ob hier ein Abriss der Wand erfolgen müsse, wie folgt:

„Den auf Herstellung eines Mindestabstands von drei Metern zwischen den beiden Gebäuden gerichteten Widerklageantrag der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin dem Mangelbeseitigungsanspruch der Beklagten mit Erfolg den Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB entgegensetzen könne. Zwar sei zugunsten der Beklagten eine vorsätzlich mietvertragswidrige Errichtung des Neubaus zu unterstellen. Der Erfolg der erstrebten Mangelbeseitigung stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Aufwand der Mangelbeseitigung, der sich wegen des dafür erforderlich werdenden Teilabrisses des neu errichteten Gebäudes zumindest auf einen namhaften sechsstelligen Betrag belaufe. Zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand und dem Mangelbeseitigungserfolg bestehe daher ein krasses Missverhältnis, zumal von den Beeinträchtigungen nicht zentrale Wohnräume, sondern allein Funktionsräume betroffen seien. In die wertende Gesamtbetrachtung sei einzubeziehen, dass die Beklagte den Baufortschritt hingenommen habe, ohne die Klägerin auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Diese Wertung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.“

Insofern sind auch in dem Fall, dass Mängel unstreitig vorliegen, zwei Fragen zu beantworten: überschreitet die Beseitigung die „Opfergrenze“ und hat sich der Mieter rechtzeitig gegen den Mangel gewehrt? Wie Sie dem vorletzten Satz entnehmen können, hat der Mieter hier den Bau erst einmal hingenommen, ohne Unterlassung der Bautätigkeiten zu verlangen. Dieses Zögern wurde zu Lasten des Mieters ausgelegt, da er damit einen Vertrauenstatbestand („der Mieter akzeptiert die Situation“) für den Bauherrn geschaffen hatte bzw. gegen den juristischen Grundsatz verstoßen hat, dass man sich nicht in Widerspruch zu seinem ursprünglichen Verhalten setzen darf („erst den Bau hinnehmen und auf einmal später dagegen vorgehen“). Auch aus diesem Grund rate ich dringend an, bei dem Vorliegen bzw. am besten schon bei der Absehbarkeit (Ankündigung von Baumaßnahmen) eines Mangels rechtlichen Rat von einem Fachmann einzuholen, damit man nicht bereits durch zu langes Abwarten Rechte verliert, auf deren Durchsetzung ursprünglich gute Chancen bestanden.

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Hier finden Sie weitere Informationen zu der Entscheidung.

Simon Guang-Ming Kuo

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Kuo berät Sie zu den Themen Wohnraummietrecht, Immobilienrecht und Wohnungseigentumsrecht.

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