Ist Kinderlärm ein Mangel der Wohnung?
Beeinträchtigungen durch Lärm sind ein immer wiederkehrendes Thema und Streitpunkt zwischen Nachbarn, Vermietenden und Mietenden. Häufig wird dabei über die Frage gestritten, ob Kinderlärm ein Mangel der Wohnung ist. Mit Urteil vom 05.09.2016 hat das Landgericht Berlin die Klage einer Mieterin zurückgewiesen und Grundsätze zu dem von Nachbarn hinzunehmenden Lärm von Kleinkindern aufgestellt.
Der Ausgangsstreit – Mieterin mindert die Miete wegen Lärm durch Nachbarkinder
Die Parteien sind über einen Mietvertrag aus dem Jahr 2004 über eine 3,5-Zimmer-Wohnung miteinander verbunden. Die Mieterin fühlt sich seit Ende 2012 durch Lärm durch Stampfen, Springen, Poltern, Schreien und lautstarke, aggressive familiäre Auseinandersetzungen ihrer Nachbarn beeinträchtigt.
Sie verlangt von der beklagten Vermieterin, dass diese die Störung beseitigt. Außerdem soll die Vermieterin ihr zu viel geleistete Miete zurückzahlen. Letztlich hat sie beantragt, dass das Amtsgericht feststellt, dass sie bis zur Beseitigung des Mangels zur Minderung in Höhe von 50 % der Miete berechtigt ist. Das Amtsgericht hatte die Klage der Mieterin in der ersten Instanz abgewiesen.
Die Entscheidung – Wann ist Kinderlärm ein Mangel der Mietsache?
Das Landgericht Berlin bestätigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sämtliche, von der Mieterin geltend gemachten Ansprüche und Rechte setzen voraus, dass ein Mangel der Mietsache besteht. Dies ist nach Ansicht des Landgerichts nicht der Fall.
Wann besteht ein Mangel der Mietsache?
Ein Mangel liegt dann vor, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vereinbarten Zustand abweicht. Deshalb muss man zunächst den vertraglich vereinbarten Zustand bestimmen.
Der vertraglich vereinbarte Zustand ergibt sich zunächst aus den Beschaffenheitsvereinbarungen der Parteien. Fehlen solche Vereinbarungen, wird der zum vertragsgemäßen Verbrauch geeignete Zustand, unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben, nach der Verkehrsanschauung bestimmt.
In dem hier entschiedenen Fall haben die Parteien, wie auch sonst üblich, keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über die hinzunehmende Belastung durch Lärm und Erschütterungen abgeschlossen. Deshalb muss der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand nach der Verkehrsanschauung bestimmt werden.
Ist der Kinderlärm ein Mangel?
Hierzu betrachtet das Landgericht zunächst einmal die Hausordnung, die Ruhezeiten vorgibt und erklärt, dass Kinder in der Wohnung bei ihren Spielen auf Hausbewohner Rücksicht nehmen sollen. Außerdem, so das Landgericht, sollen Eltern ihre Kinder zu einem rücksichtsvollen Verhalten anhalten.
Andererseits berücksichtigt das Landgericht, dass es in dem Haus sieben z.T. auch größere Wohnungen gibt. Solche Wohnungen eignen sich besonders für Familien mit Kindern. Auch wurde das Gebäude mit öffentlichen Mitteln errichtet, die Mieten werden öffentlich gefördert. Solche Wohnungen sind für Familien mit mehreren Kindern besonders attraktiv. In einem solchen Fall sei von Mietern ein höheres Maß an „Geräuschtoleranz“ zu erwarten als von Mietern extrem teurer Altbauwohnungen, Luxusappartements oder als „seniorengerecht“ angebotener Wohnungen.
Letztlich kann man von Kindern im Kleinkindalter nicht die gleiche Rücksichtnahme wie von Erwachsenen verlangen, so das Landgericht. Kleinkinder seien nun einmal nicht zu einer differenzierten verbalen Auseinandersetzung und zu einer leisen Art der Fortbewegung fähig. Dies muss von Mitmietern als ein Schritt der natürlichen Entwicklung von Kindern hingenommen werden und entspricht einer normalen Wohnnutzung.
Deshalb kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die von der Mieterin beklagten Beeinträchtigungen noch kein Maß erreichen, um einen Mangel darzustellen.
Praxistipp – Schallschutz gegen Lärm
Die Entscheidung verhält sich alleine zu der Frage, ob der Kinderlärm an sich ein Mangel der Mietsache ist. Ein Mangel kann aber auch darin liegen, dass der Schallschutz nicht den Anforderungen zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes entspricht. Es besteht schließlich die Möglichkeit, dass der Lärm aufgrund eines mangelhaften Schallschutzes besonders intensiv ist. Zu dieser Frage sollte im Prozess gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten als Beweis angeboten werden. Das Gericht ist dann gezwungen ist, dem Beweisangebot nachzugehen (BGH, Beschluss vom 21.02.2017 – VIII ZR 1/16).
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- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
- In dem Beitrag Richtig mindern gebe ich Tipps dazu, was aus meiner Sicht als Fachanwalt für Mietrecht bei der Umsetzung einer Minderung beachtet werden sollte.
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