Klageveranlassung bei Räumungspflicht
Nicht selten möchten Vermietende schon weit vor dem eigentlichen Ende des Mietverhältnisses wissen, ob die Mietenden das Mietobjekt pünktlich herausgeben. Für die weitere Planung, beispielsweise Weitervermietung und Durchführung von Instandsetzungsarbeiten, ist diese Information wesentlich. Für Mietende ist es hingegen häufig sinnvoll, sich so weit wie möglich bedeckt zu halten, um sich alle Möglichkeiten offen zu halten. In der Gewerberaummiete ist es grundsätzlich möglich, schon vor dem eigentlichen Räumungstermin auf (zukünftige) Räumung zu klagen. Mit der Frage, wer die Kosten der Räumungsklage zu tragen hat, wenn das Mietobjekt dann doch pünktlich übergeben wird, hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem Dezember 2022 befasst. Es musste entscheiden, ob die Mieter bei bestehender Räumungspflicht Klageveranlassung gegeben haben.
Der Ausgangsstreit – Vermieter reichen Klage auf Räumung ein
Die Parteien sind über einen Mietvertrag für eine gynäkologische Praxis vom 17.08.2018 verbunden. Das Mietverhältnis lief auf unbestimmte Zeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 580a Abs. 2 BGB). Die Vermieter erklärten mit Schreiben vom 16.03.2022 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.09.2022. Die Mieter antworteten auf das Schreiben nicht.
Mit Anwaltsschreiben vom 28.04.2022 forderten die Vermieter die Mieter auf, bis zum 12.05.2022 die fristgerechte Räumung zum 30.09.2022 zu bestätigen. Auch auf dieses Schreiben antworteten die Mieter nicht. Ebenso wenig erfolgte eine Antwort auf ein weiteres anwaltliches Schreiben mit Fristsetzung zur Antwort vom 27.05.2022.
Daraufhin reichten die Vermieter am 19.07.2022 Klage auf zukünftige Räumung ein. Die Klage wurde den Mietern am 12.08.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz des von ihnen beauftragten Rechtsanwalts vom 24.08.2022 erkannten die Mieter den Klageantrag der Vermieter unter Protest gegen die Kostenlast an.
Das Landgericht verurteilte die Mieter mit einem Erkenntnisurteil vom 26.08.2022 zur zukünftigen Räumung und entschied, dass die Mieter die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Mieter.
Die Entscheidung – Haben die Mieter bei bestehender Räumungspflicht Klageveranlassung gegeben?
Das OLG ändert die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils ab. Kosten des Verfahrens sind durch die Vermieter zu tragen. Die Mieter haben, so das OLG, auch bei bestehender Räumungspflicht Klageveranlassung für die Räumungsklage gegeben.
Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, richtet sich nach § 93 ZPO. Diese Vorschrift bestimmt, welche Partei im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses der Klage durch den Beklagten, die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Nach § 93 ZPO muss der Beklagte die Kosten dann nicht tragen, wenn er durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klage gegeben hat und die Klage sofort anerkennt. Der Beklagte hat keine Klageveranlassung gegeben, wenn der Kläger vernünftigerweise einen Prozess nicht für notwendig hat halten dürfen. Dies ist nicht nach starren Regeln zu entscheiden. Vielmehr erfolgt die Entscheidung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls. Die Entscheidung hat auf die Sicht des Klägers vor Klageerhebung abzustellen. Aber das bloße Schweigen des Schuldners ist nicht gegen diesen auszulegen. Denn im Allgemeinen ist der Schuldner vor Fälligkeit nicht verpflichtet, sich zu seiner Leistungsbereitschaft und Fähigkeit zu äußern.
Vermietende von Gewerberaum können einen künftigen Räumungsanspruch entweder nach § 257 ZPO oder nach § 259 ZPO einklagen. § 259 ZPO setzt aber voraus, dass die Vermietenden Besorgnis haben mussten, dass die Mietenden nicht rechtzeitig ausziehen, bspw. weil sie der Kündigung widersprechen. In der Gewerberaummiete können Vermietende nach § 257 ZPO auf zukünftige Räumung klagen, ohne dass eine Besorgnis der Verweigerung der Räumung bestehen muss. Gestritten wird dann häufig, wie auch hier, noch über die Kosten des Rechtsstreits nach sofortigem Anerkenntnis. Streitig ist, wann Mietende eine Klageveranlassung für die Räumungsklage gegeben haben.
Auch Mietende von Gewerberäumen müssen ihre Erfüllungsbereitschaft nicht vor Fälligkeit erklären
Teilweise wird verlangt, dass Mietende auf ein Verlangen der Vermietenden hin, ihre Räumungsbereitschaft ausdrücklich erklären. Nach dieser Ansicht soll auch eine ausbleibende Reaktion der Mietenden auf ein Auskunftsverlangen der Vermietenden schon Veranlassung zur Klage geben. Nach einer anderen Ansicht besteht ein Anlass zur Klageerhebung nur dann, wenn Mietende ein Verhalten an den Tag legen, das aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Betrachters Zweifel an ihrer Erfüllungsbereitschaft entstehen lassen.
Laut OLG ist die zweite Ansicht richtig. Auch gewerblich Mietende müssen vor Fälligkeit ihrer Schuld den Vermietenden nicht ihre Erfüllungsbereitschaft erklären. Bei positiver Anzeige ihrer Erfüllungsbereitschaft könnte dies als Anerkenntnis oder Zeugnis gegen sich selbst gewertet werden. Mietende wären dann an einer späteren Wahrnehmung ihrer zum Zeitpunkt der Anzeige der Erfüllungsbereitschaft eventuell noch nicht bekannten, berechtigten Belange gehindert. Auch würden Mietende zur Klärung ihrer rechtlichen Belange schon vor der Fälligkeit des Räumungsanspruchs gezwungen, einfach weil Vermietende dies verlangen. Letztlich sei ja selbst nach einer solchen Erklärung nicht garantiert, dass Mietende dann tatsächlich zum Räumungstermin das Objekt herausgeben.
Auf den konkreten Fall angewendet, gelangt das OLG so zu dem Ergebnis, dass die Mieter nicht verpflichtet waren, vor dem Räumungstermin den Vermietern ihre Räumungsbereitschaft zum 30.09.2023 zu erklären. Die Kosten der Klageerhebung haben deshalb die Vermieter zu tragen. Die Mieter haben im vorliegenden Fall keinen Anlass zur Klage gegeben.
Praxistipp – Mietende sollten Reaktion solange wie möglich hinauszögern
Zunächst muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Entscheidung zur Gewerberaummiete ergangen ist. In der Wohnraummiete stellt sich diese Situation noch einmal anders dar. Wenn Mietende hier keinen Anlass zur Befürchtung geben, sie werden nicht rechtzeitig ausziehen, ist die Klage schon nicht zulässig (§ 259 ZPO). Entsprechend würde die Klage abgewiesen werden. In der Gewerberaummiete erhalten Vermietende zumindest innerhalb übersichtlicher Zeit ein Urteil, auch wenn sie die Kosten tragen müssen. Letztlich müssen Vermietende von Gewerberaum also abwägen, ob die Gefahr der Kostentragung einer Klage im Verhältnis zur Absicherung des Räumungstermins wirtschaftlich sinnvoll ist.
In jedem Fall müssen Vermietende aber auch dann, wenn die Räumung durch Titel abgesichert ist, damit rechnen, dass das Mietobjekt nicht am Tag des Endes des Mietverhältnisses zurückgegeben wird, wenn Mietende sich bis zum Ende wehren. Denn dann müssen Vermietende die Räumung durch Gerichtsvollzieher durchsetzen. Auch dies kann nochmals einige Zeit in Anspruch nehmen.
Mietende (insbesondere von Gewerberäumen) sollten sich aber bewusst sein, dass das Verzögern der Herausgabe erhebliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Vermietende können durch eine verpasste Neuvermietung oder aber aufgrund von Zusatzkosten der bereits beauftragten Handwerker oder der verzögerten Durchführung des Auftrags einen sehr erheblichen Schaden erleiden. Sowohl Mietende von Wohnraum als auch von Gewerberaum müssen damit rechnen, dass Vermietende für die Zeit nach Beendigung eine Nutzungsentschädigung verlangen, die höher ist als die zuletzt geschuldete Miete.
Wichtig: Diese Entscheidung zeigt noch einmal deutlich, dass Mietende sich nur in Ausnahmefällen zu einer erklärten Kündigung sofort äußern sollten. Im Regelfall sollten zunächst die Handlungsmöglichkeiten und -optionen abgeklärt werden. Vermietende auf der anderen Seite haben ein erhebliches Interesse daran, dass sich Mietende vorzeitig äußern, um bereits zum Räumungstermin einen vollstreckbaren Räumungstitel vorliegen zu haben.
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