Kündigung bei Fehlverhalten von Besuchern
Wenn man sich vertragswidrig verhält, droht einem die Kündigung des Mietvertrages. Aber wann ist bei Fehlverhalten von Besuchern die Kündigung des Mietvertrages möglich? Dies musste jetzt das Amtsgericht Stuttgart entscheiden.
Der Ausgangsstreit – Vermieterin kündigt wegen Fehlverhalten des Freundes der Mieterin
Die Parteien sind über einen Wohnraummietvertrag aus dem Jahr 2008 miteinander verbunden.
Die Vermieterin hatte die Mieterin bereits im Jahr 2015 abgemahnt. Der Freund der Mieterin soll sich über ein ausgesprochenes Hausverbot hinweggesetzt haben. Mit Schreiben vom 15.11.2019 kündigte die Vermieterin dann das Mietverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Zur Begründung führte sie an, dass sich der Freund der Mieterin erneut über das Hausverbot hinweggesetzt habe. Außerdem habe er am 18.10.2019 einen anderen Mieter mit Pfefferspray angegriffen und mit „üblen Schimpfworten“ belegt. Weiterhin erklärte die Vermieterin mit weiterem Schreiben vom 15.11.2019 dem Freund der Mieterin nochmals ein Hausverbot.
Mit Schreiben vom 21.02.2020 kündigte die Vermieterin die Mieterin nochmals außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Als Grund gab sie an, dass sich der Freund der Mieterin weiterhin über das Hausverbot hinwegsetzt.
Die Entscheidung – Möglichkeit der Kündigung bei Fehlverhalten von Besuchern unterliegt einigen Voraussetzungen
Das Amtsgericht Stuttgart weist die Klage zurück. Die Voraussetzungen einer Kündigung bei Fehlverhalten von Besuchern seien hier nicht eingehalten, so das Amtsgericht.
Erste Kündigung nicht ausreichend begründet
Die erste Kündigung vom 15.11.2019 habe das Mietverhältnis nicht beendet. Sie war nicht ausreichend begründet. In der Kündigung selber heißt es alleine, dass der Freund der Mieterin „einen anderen Mieter körperlich angegriffen“ habe. Wer genau dieser Mieter gewesen sein soll, werde nicht erklärt.
Nach dem Begründungserfordernis (§§ 569 Abs. 4, 573 Abs. 3 BGB) ist der Kündigungsgrund so genau zu bezeichnen, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Zweck dessen ist es, dass der Mieter die Möglichkeit erhält, zu prüfen, ob er sich gegen eine ausgesprochene Kündigung wehren kann. Die Kündigung müsse so genau erklärt werden, dass eine Auswechslung des Grundes nicht möglich sei. Die Begründung der Vermieterin halte diese Anforderung nicht ein, so das Amtsgericht.
Abmahnung aus dem Jahr 2015 auch nicht ausreichend
Im Anschluss prüft das Amtsgericht, ob das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 15.11.2019 bei ausreichender Begründung der Kündigung beendet worden wäre. Dies verneint das Amtsgericht.
Das im Jahr 2015 ausgesprochene Hausverbot sei nicht mehr zu beachten gewesen. Der Mieter, mit dem es Reibungspunkte gegeben hatte, war inzwischen verstorben. Die Vermieterin hätte deshalb das Hausverbot aufheben müssen.
Keine Kündigung wegen Pflichtverletzung Dritter ohne Abmahnung
Als nächstes prüft das Amtsgericht, ob der Vorfall vom 18.10.2019 für sich alleine ausreichend ist, um das Mietverhältnis zu kündigen. Dabei muss sich die Mieterin das Verschulden ihres Freundes grundsätzlich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Für Besucher, die sich im Einverständnis mit dem Mieter in der Wohnung aufhalten, gilt Folgendes: Sie sind im Hinblick auf die Einhaltung des Hausfriedens als Erfüllungsgehilfen des Mieters anzusehen.
Für eine außerordentlich fristlose Kündigung wäre aber gemäß § 543 Abs. 3 BGB eine Abmahnung erforderlich. Die Abmahnung vom 12.10.2015 reiche hierfür nicht aus. Eine Abmahnung erfülle nur dann die Warnfunktion, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem erneuten Verstoß erfolgt. Nach Ablauf von drei Jahren ist ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang nicht mehr vorhanden.
Eine Abmahnung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB. Hierbei muss man berücksichtigen, dass die Mieterin für fremdes Verschulden einstehen soll. Im Fall einer Pflichtverletzung eines Besuchers besteht für den Vermieter als milderes Mittel zunächst die Möglichkeit, ein Hausverbot gegen den Besucher zu verhängen.
Auch die ordentliche Kündigung bei Pflichtverletzung eines Dritten setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus
Grundsätzlich ist für eine ordentliche Kündigung eine Abmahnung keine notwendige Voraussetzung. Allerdings kann eine Abmahnung bedeutend werden, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht verleiht.
In dem hier zu entscheidenden Fall, in dem die Kündigung wegen der Pflichtverletzung eines Besuchers erklärt wurde, soll eine Abmahnung regelmäßig notwendig sein, so das Amtsgericht. Soll ein Mieter für die Pflichtverletzung eines Besuchers einstehen, kommt seine eigene Pflichtverletzung (Empfang des Besuches und Zurechnung von dessen Pflichtverletzung) ein geringeres Gewicht zu. Erst durch eine vorherige Abmahnung wäre ein ausreichendes Gewicht erreicht, das zu einer Kündigung berechtigt. Vermieter sollen auch bei einer ordentlichen Kündigung bei Fehlverhalten von Besuchern also zunächst eine (wirksame) Abmahnung erklären.
Keine Kündigung ohne vorheriges Hausverbot
Die mit Schreiben vom 22.02.2020 ausgesprochenen Kündigungen scheitern bereits daran, dass in der Kündigung vom 15.11.2019 kein erneutes Hausverbot ausgesprochen worden war. Das gegenüber dem Besucher selber ausgesprochene Hausverbot könne der Mieterin nicht zugerechnet werden, da ihr dieses nicht bekannt gegeben worden war.
Praxistipp – Vermieter sollten Kündigung bei Fehlverhalten von Besuchern sorgfältig vorbereiten und begründen
Die Entscheidung des Amtsgerichts verdeutlicht, wie wichtig es ist, Kündigungen ordentlich vorzubereiten und zu begründen. Die Vermieterin scheitert hier nicht daran, dass das Verhalten des Besuchers nicht grundsätzlich zur Kündigung berechtigen könnte. Sie hätte die Kündigung und das Hausverbot genau voneinander unterscheiden und ausreichend begründen müssen. Dann hätte wohl Beweis darüber erhoben werden müssen, ob die Kündigung berechtigt war.
Dass man den Mieter, bevor man ihm wegen dem Fehlverhalten eines Besuchers die Kündigung erklären kann, zunächst einmal auf dieses Fehlverhalten hinweisen muss, ist durchaus nachvollziehbar.
– – –
- Hier finden Sie weitere Informationen zu dem Urteil.
- Als Rechtsanwälte für Wohnraummietrecht beraten wir Sie gerne zu diesem und anderen Themen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.
Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.