Kündigung des Gewerberaummietvertrages wegen Modernisierung
Gewerberaummieter können im Falle der Modernisierung der Immobilie den Mietvertrag fristlos kündigen und Schadensersatz verlangen, wenn die Modernisierung für sie eine unzumutbare Härte darstellt.
Der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 31.10.2012 über die Rechte eines Gewerberaummieters bei Modernisierung der Immobilie geurteilt. Die Mieter haben eine Praxis für Neurologie und Psychiatrie betrieben. Die Vermieterin wollte an dem Gebäude umfangreiche Modernisierungsarbeiten durchführen. Nachdem die Vermieterin zunächst Verhandlungen über einen Mietaufhebungsvertrag in Aussicht stellte, brach sie diese Verhandlungen ohne Begründung ab. Die Modernisierungsarbeiten sollten im Mai 2010 beginnen und bis Ende Januar 2011 andauern. Bereits Ende Januar 2010 schlossen die Mieter einen neuen zum 01.04.2010 beginnenden Mietvertrag und kündigten das bestehende Mietverhältnis zum 01.04.2010 außerordentlich gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB wegen Gebrauchsentziehung. In dem Mietvertrag der Parteien war das Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Modernisierung gemäß § 554 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. ausgeschlossen.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Mieter zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages berechtigt waren und gemäß § 536 a Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen können. Die Arbeiten waren von solch einem Umfang, dass sie zu einer sehr erheblichen Beeinträchtigung gerade für den Betrieb einer Praxis für Psychiatrie und Neurologie geführt hätten. Die Mieträume wären in der Zeit der Arbeiten für den Betrieb der Praxis kaum nutzbar gewesen. Der Mieter musste befürchten, dass er seinen bestehenden Patientenbestand verlieren würde und auch keine neuen Patienten in dieser Zeit hätte gewinnen können. Die Modernisierungsarbeiten wären deshalb für die Mieter mit einer unzumutbaren Härte verbunden gewesen. Konsequenz ist, dass die Mieter die Modernisierung nicht dulden musste (§ 555d Abs. 2 S. 1 BGB n.F.).
Der Mieter musste auch nicht abwarten, dass die Bauarbeiten beginnen. Diese waren für Mai 2010 angekündigt. Das Verhalten der Vermieterin gab keinen Hinweis darauf, dass die Bauarbeiten noch verschoben oder unterlassen worden wären. Deshalb war auch eine vorherige Abmahnung gemäß § 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht notwendig.
Interessant ist die Entscheidung, weil sie beleuchtet, wie im Gewerberaummietrecht mit Modernisierungen der Mietsache umgegangen wird. In § 578 Abs. 2 BGB werden die Vorschriften zur Modernisierung von Wohnraum auch für das Gewerberaummietverhältnis für anwendbar erklärt. Tatsächlich sind die Vorschriften zur Modernisierung aber vollständig auf das Wohnraummietrecht ausgelegt und für die Parteien eines Gewerberaummietvertrages nicht interessensgerecht. Z.B. wird dem Mieter gem. § 555 e BGB ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt. Wenn der Vermieter aber für den Abschluss des Mietvertrages Investitionen in das Mietobjekt getätigt hat, ist es nicht sinnvoll, wenn sich der Mieter plötzlich, ohne dass ein Grund notwendig ist, von dem Mietvertrag trennen kann. Auf der anderen Seite führt der dreimonatige Ausschluss der Minderung gem. § 536 Abs. 1a BGB bei – mit großer Wahrscheinlichkeit – gleichzeitigem Einbruch des Umsatzes des Gewerberaummieters zu einer sehr schwierigen Situation für den Mieter.
§ 555 e BGB kann wohl für Gewerberaummieter durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Zahlreiche alte Mietverträge sehen einen solchen Ausschluss des Sonderkündigungsrechts aber noch nicht vor. Nicht ausgeschlossen werden kann das Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 BGB. Der Mangel einer Mietsache stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen zumindest teilweisen Entzug der Mietsache dar. Dies berechtigt gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur außerordentlich fristlosen Kündigung. Wenn der Mieter die Arbeiten zu dulden hat, ist auch eine Kündigung ausgeschlossen. Wenn aber, wie in dem hier entschiedenen Fall, der Mieter nicht zur Duldung verpflichtet ist, da eine unzumutbare Härte vorliegt, besteht das Recht zur außerordentlichen Kündigung. Zusätzlich kann der Mieter dann auch noch Schadensersatzansprüche, z.B. der Differenz bei einer höheren Miete im neuen Mietverhältnis, Umzugs- und Maklerkosten, etc., geltend machen.
Praxistipp
Vermieter sollten vor Ankündigung einer Modernisierung ihre Mietverträge darauf hin prüfen, ob das Sonderkündigungsrecht durch den Mietvertrag ausgeschlossen wird. Ist dies nicht der Fall, kann der Mieter schon durch das Sonderkündigungsrecht das Mietverhältnis beenden. Aber selbst im Falle eines Ausschlusses besteht die Gefahr, dass eine außerordentliche Kündigung gem. § 543 BGB erfolgreich ist. Für Mieter bietet sich im umgekehrten Fall eine elegante Möglichkeit sich von einem unliebsam gewordenen Mietverhältnis zu lösen.
Da die Vorschriften zur Modernisierung nicht auf das Gewerberaummietverhältnis zugeschnitten sind, wird Vermietern und Mietern dringend geraten, eine individuelle und für beide Seiten interessensgerechte Lösung zu suchen.
Hier finden Sie weitere Informationen zu dem Urteil.
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