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Kündigung während Krankheit in der Probezeit im Kleinbetrieb

  • RA Daryai
  • Arbeiten, Individuelles Arbeitsrecht
Urteil // Landesarbeitsgericht Köln // 4 Sa 693/19

Während der Probezeit vor Ablauf der Wartefrist haben Arbeitnehmer nur einen sehr eingeschränkten Kündigungsschutz. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem einer Arbeitnehmerin im Kleinbetrieb während ihrer Krankheit in der Probezeit vor Ablauf der Wartefrist die Kündigung erklärt wurde. Frage war, ob die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung wirksam ist.

Der Ausgangsstreit – Ist die Kündigung während Krankheit in der Probezeit im Kleinbetrieb wirksam?

Die Arbeitgeberin betreibt ein Labor für Dentaltechnik mit deutlich weniger als zehn Arbeitnehmern. Die Arbeitnehmerin war hier seit dem 01.05.2019 als Zahntechnikerin beschäftigt. In dem unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 19.03.2019 war eine Probezeit von drei Monaten vereinbart.

Die Arbeitnehmerin meldete sich am 02.07.2019 telefonisch krank. Am 08.07.2019 hinterließ sie auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht, dass sie bis zum 12.07.2019 erkrankt sei.

Die Arbeitgeberin kündigte mit Schreiben vom 08.07.2019 das Arbeitsverhältnis ordentlich.

Mit ihrer Klage wendete sich die Arbeitnehmerin gegen diese Kündigung. Neben der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht, macht sie einen Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung und einer Persönlichkeitsverletzung geltend. In dem Klageverfahren hat die Arbeitnehmerin dann noch behauptet, dass sie einen GdB von 30 hat und im Juli 2019 einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen.

Kündigung während Krankheit in der Probezeit im Kleinbetrieb

Die Entscheidung – Kündigung ist auch während Krankheit in der Probezeit im Kleinbetrieb wirksam

Das Landesarbeitsgericht bestätigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Kündigung während Krankheit in der Probezeit im Kleinbetrieb ist nach der Entscheidung wirksam.

Kündigung verstößt nicht gegen das Kündigungsschutzgesetz

Hierzu stellt das LAG zunächst einmal fest, dass die Kündigung nicht gegen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verstößt. Zum einen war die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG von 6 Monaten noch nicht abgelaufen. Zum anderen handelt es sich bei dem Betrieb um einen Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG.

Keine Unwirksamkeit nach dem AGG

Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1,3 Abs. 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) wegen unmittelbarer Benachteiligung der Arbeitnehmerin unwirksam. Grundsätzlich kann eine Kündigung aufgrund einer Diskriminierung unwirksam sein. Die Klägerin konnte aber nicht belegen, dass sie aufgrund eines der in § 1 AGG festgelegten Merkmale diskriminiert wurde.

Die behauptete Behinderung konnte die Arbeitnehmerin nicht nachweisen. Weiterhin konnte sie nicht darlegen, ob die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Kündigung überhaupt Kenntnis von einer Behinderung hatte.

Grundsätzlich könnte auch die Erkrankung ein Merkmal nach § 1 AGG sein, wenn sie den Grad einer Behinderung erreicht. Erkrankte Menschen gelten aber erst dann als behindert im Sinne des Antidiskrimierungsrechts, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Alter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“

Kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot

Letztlich verstößt die Kündigung auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Demnach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Voraussetzung für die Rechtsfolge des § 612a BGB ist zunächst, dass der Arbeitnehmer in zulässiger Weise ein Recht ausübt. Die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit sei aber kein Recht, so das LAG. Vielmehr sei der Arbeitnehmer wegen der infolge der Krankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit außer Stande, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, § 275 Abs. 1 BGB. Erst dann, wenn der Arbeitgeber das sich aus diesem Zustand ergebende Recht negiert, kann der Arbeitnehmer dieses wiederum ausüben. Wenn dann eine Reaktion des Arbeitgebers erfolgt, kann dies den Anwendungsbereich von § 612a BGB eröffnen.

Die Kündigung der Arbeitgeberin verstößt auch nicht deshalb gegen das Maßregelungsverbot, weil sie während der Erkrankung der Klägerin erklärt wurde. Es verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot, wenn einem Arbeitnehmer, für den das KSchG nicht anwendbar ist, während einer Erkrankung (oder sogar während der Erkrankung) gekündigt wird, so das LAG.

Letztlich scheide ein Verstoß gegen § 612a BGB in jedem Fall aus, weil die Arbeitnehmerin nicht dargelegt hat, dass die Krankmeldung der tragende Beweggrund für den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung war.

Auch der Schadensersatzanspruch der Arbeitnehmerin wird dann noch von dem LAG zurückgewiesen.

Praxistipp – Die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht übersehen

Arbeitnehmer sollten nicht vergessen, dass es neben der im Arbeitsvertrag geregelten Probezeit auch die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG gibt. Nach § 1 Abs. 1 KSchG greift der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes erst,  wenn das „Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat“.

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Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.

Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

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