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Kündigung wegen Corona?

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Urteil // Landgericht Chemnitz // 2 HK O 378/21

Anfang des Jahres 2022 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Gewerberaummieter bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einer Anpassung der Miete aufgrund der Einschränkungen der Corona Pandemie verlangen können (BGH, Urteil vom 12.1.2022, XII ZR 8/21). Die Voraussetzungen sind jeweils im Einzelfall zu prüfen. Inzwischen werden durch die Gerichte auch die ersten Fälle entschieden, in denen die folgende Frage beantwortet wird: Ist die Kündigung des Gewerberaummietvertrages wegen Corona möglich?

Der Ausgangsstreit – Außerordentlich fristlose Kündigung wegen Corona

Die Parteien sind über einen Mietvertrag aus dem Jahr 2015 miteinander verbunden. Das Mietverhältnis ist bis zum 31.12.2025 befristet. Die Mieterin hat von der Vermieterin Ladenflächen zum Verkauf von Textilien, Schuhen, Taschen und Accessoires angemietet.

Aufgrund der sächsischen Corona-Schutzverordnung musste die Mieterin ihren Laden wiederholt schließen. Außerdem konnte nur eine beschränkte Anzahl von Kunden den Laden betreten. Die Mieterin macht weiter geltend, dass ein ausreichender Luftaustausch innerhalb des Ladens nicht gewährleistet sei. Aufgrund einer langsamen Luftumwälzung reichere sich die Luft mit Aerosolen an. Es bestehe hier deshalb eine akute Infektionsgefahr mit dem Coronavirus. Das Untergeschoss weise auch keine Fenster auf.

Die Mieterin kündigte mit Schreiben vom 24.02.2021 den Mietvertrag außerordentlich und fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Vermieterin widersprach der Kündigung. Mit Schreiben vom 22.11.2021 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis erneut.

Die Vermieterin erhob Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung der Mieterin nicht beendet sei.

Kündigung wegen Corona?

Die Entscheidung – Keine Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung wegen Corona

Das Landgericht gibt der Vermieterin Recht. Die von der Mieterin ausgesprochenen Kündigungen aufgrund von Corona haben das Mietverhältnis nicht beendet, so das Landgericht.

Zunächst prüft das Landgericht, ob die Mieterin nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB zur außerordentlich fristlosen Kündigung berechtigt war. Demnach besteht ein Recht zur Kündigung, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil entzogen wird. Nach § 535 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache so zu überlassen, wie vertraglich vereinbart. Außerdem ist der Vermieter verpflichtet, den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Ein Fall des Entzugs des Gebrauchs liegt dann vor, wenn der Vermieter einen Mangel, der dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache entgegensteht, nicht beseitigt. Der Mieter ist dann, nach Abmahnung oder Fristsetzung (§ 543 Abs. 3 Satz 1 BGB) zur außerordentlich fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.

Wenn also das Mietobjekt aufgrund der Beeinträchtigung durch die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie mangelhaft geworden ist, wäre eine Kündigung des Mieters berechtigt. Allerdings sind hoheitliche Anordnungen für den Mieter nur dann kündigungsrelevant, wenn sie unmittelbar auf den konkreten Zustand und die Beschaffenheit der Mietsache zurückzuführen sind. Bei Covid-19 bedingten Schließungen ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Diese zielen auf die Nutzungsart und den Umstand ab, dass auf den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet. Dies kann Infektionen begünstigen. Es handelt sich aber nicht um eine Einschränkung aufgrund des konkreten Zustands.

Kündigung wegen Mangel der Mietsache nicht möglich, da dieser bereits bei Vertragsschluss vorlag

Weiter hatte die Mieterin behauptet, dass ein Mangel aufgrund des nicht hinreichenden Luftaustauschs in den Mieträumen vorliegt. Hier ist das Gericht der Ansicht, dass es über diese Frage nicht entscheiden muss. Selbst wenn hier ein Mangel vorliegen würde, könnte aufgrund dieses Mangels das Mietverhältnis nicht gekündigt werden.

Die Tatsache, dass ein geringerer Luftaustausch Krankheitsübertragungen begünstigt, sei allgemein bekannt. Dies gelte nicht nur für Covid-19, sondern auch beispielsweise für Grippeviren. Der Mangel lag (wenn überhaupt) daher bereits bei Vertragsschluss vor. Der Mieter musste von dem Mangel Kenntnis haben. Soweit keine Kenntnis vorlag, ist er ihm aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist deshalb gemäß § 536b BGB ausgeschlossen.

Möglichkeit der Kündigung zur Anpassung der Geschäftsgrundlage?

Auch eine Kündigung zur Anpassung der Geschäftsgrundlage sei nicht möglich. Die Beklagte habe kein Recht zur außerordentlich fristlosen Kündigung gemäß § 314 Abs. 1 BGB. Nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB können Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Ein Kündigungsrecht ist aber dann ausgeschlossen, wenn sich die wesentliche Änderung bzw. Störung des Verhältnisses durch Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse beseitigen lässt. Die Fortsetzung des Vertrages wäre so zumutbar. Dabei obliegt es dem Mieter, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Betrieb auch während der Pandemie so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Grundsätzlich trägt nämlich der Mieter das unternehmerische Risiko dafür, dass sein Betrieb Gewinn erzielt. Hierzu müsste der Mieter zunächst einmal umfassend vortragen. Es wäre dann im Einzelfall zu entscheiden, ob eventuell doch eine Kündigung möglich ist. Da kein solcher substantiierter Vortrag gegeben war, war eine Kündigung zur Anpassung der Geschäftsgrundlage auszuschließen.

Praxistipp – Achten Sie bei Abschluss des Mietvertrages auf offensichtliche Mängel und fordern Sie deren Beseitigung ein

Zunächst einmal hat ja inzwischen der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Miete zur Anpassung der Geschäftsgrundlage angepasst werden kann. Dies ist schon einmal ein wichtiges Instrument, um dem Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu ermöglichen. Eine Kündigung des Mietverhältnisses zur Anpassung der Geschäftsgrundlage sei wohl nur noch im absoluten Ausnahmefall zu begründen.

Unabhängig von der Frage der Beeinträchtigung durch Covid-19 gibt es noch eine wichtige Lehre aus der Entscheidung. Mieter übersehen häufig, dass mit Unterzeichnung des Vertrages bzw. Übernahme der Mieträume Mängelrechte erheblich eingeschränkt werden können. Sind Mängel der Mietsache bekannt oder hätten diese dem Mieter bekannt sein müssen, kann sich der Mieter später nicht auf sein Recht zur Minderung bzw. zur Kündigung berufen. Es verbleibt alleine das Recht auf Mängelbeseitigung. Die Durchsetzung dieses Rechts kann aber Jahre in Anspruch nehmen.

Wenn also bei Abschluss des Mietvertrages oder Übergabe der Mietsache Mängel offensichtlich sind, sollte von Seiten des Mieters immer verlangt werden, dass ein Zeitpunkt zur Beseitigung des Mangels vereinbart wird. Außerdem sollte der Mieter ausdrücklich erklären. dass er sich seine Gewährleistungsrechte aufgrund des Mangels vorbehält.

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  1. Hier haben wir weitere Beiträge zur Corona-Pandemie für Sie zusammengestellt.
  2. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.

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