Zu geringe Vorauszahlungen auf die Betriebskosten
In einem Urteil vom 08.05.2013 hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken über die Zulässigkeit eines sogenannten „Lockvogelangebots“ entschieden. Von einem Lockvogelangebot spricht man, wenn bei Mietbeginn zu geringe Vorauszahlungen auf die Betriebskosten angesetzt werden.
Das Problem – Vorauszahlungen auf Betriebs- und Heizkosten zu niedrig
Nicht ganz selten setzen Vermieter bei Mietbeginn die Vorauszahlungen auf Betriebs- und Heizkosten viel zu niedrig an. Auf diese Weise soll die Miete als besonders niedrig erscheinen. Dies erhöht die Attraktivität des Mietobjekts für Interessenten.
Die Überraschung wartet auf die Mieter, wenn ihnen der Vermieter die erste Nebenkostenabrechnung präsentiert. Sie sind dann nicht nur zur Zahlung einer sehr erheblichen Nachforderung für das Abrechnungsjahr verpflichtet. Zusätzlich erhöht sich die Miete durch Anpassung der Vorauszahlungen auf ein jetzt angemessenes Niveau auch beträchtlich.
Diese Praxis wird durch die Rechtsprechung spätestens seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.02.2004 – VIII ZR 195/03 toleriert. Der BGH argumentierte, dass der Vermieter dem Mieter eine Art zinsloses Darlehen gewähre. Die zu geringen Vorauszahlungen seien für den Mieter deshalb sogar vorteilhaft.
Eine Pflichtverletzung des Vermieters ist nach Ansicht des BGH nur ausnahmsweise zu bejahen. Entweder muss der Mieter nachweisen, dass ihm der Vermieter bei Vertragsschluss die Angemessenheit der Vorauszahlungen ausdrücklich zugesichert hat. Oder er beweist, dass der Vermieter die Vorauszahlung bewusst zu niedrig angesetzt hat, um ihn über den Umfang der tatsächlichen Mietbelastung zu täuschen.
Der Ausgangsstreit – Erhebliche Nachzahlungen der Heizkosten
Die Parteien sind über einen Mietvertrag aus dem Jahr 2007 für einen Friseursalon miteinander verbunden. Das Gebäude, in dem das Mietobjekt liegt, stammt aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Schaufenster besteht aus einer Einfachverglasung.
Bei Mietbeginn setzte die Vermieterin die Vorauszahlungen auf die Heizkosten mit 50 Euro monatlich an. Die Gesamtmiete betrug 1.130,05 Euro. Laut Aussage des Ehemanns der Mieterin hatte der Mitarbeiter der Vermieterin bei Anmietung erklärt, dass der Vorauszahlungsbetrag „als Grenze angesetzt“ worden sei und „im Moment als (…) ausreichend angesehen“ werde.
Die Betriebskostenabrechnungen endeten für die Heizkosten (natürlich) mit erheblichen Nachzahlungen. Für das Jahr 2007 sollte die Mieterin einen Betrag von 3.404,19 Euro, für das Jahr 2008 einen Betrag von 4.402,54 und für das Jahr 2009 einen Betrag von 3.088,35 Euro nachzahlen.
Die Mieterin klagte, da sie der Ansicht war, dass ein Mangel vorlag. Die Vermieterin verlangte widerklagend die Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen. Das Landgericht hatte die Klage der Mieterin abgewiesen und sie zur Leistung der Nachforderungen verurteilt.
Die Entscheidung – Sind zu geringe Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zulässig?
In seiner Entscheidung vom 08.05.2013 bestätigt das OLG Saarbrücken das erstinstanzliche Urteil. Nach der Entscheidung darf der Vermieter bei Mietbeginn auch offensichtlich zu geringe Vorauszahlungen auf die Betriebskosten ansetzen.
Auf die Ausführungen des OLG zu der Frage eines Mangels des Mietobjekts möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Die Widerklage ist nach Ansicht des OLG begründet, da ein Schadensersatzanspruch der Mieterin gegen die Vermieterin wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nicht bestand.
Zunächst stellt das OLG fest, dass ein Vermieter bei Mietbeginn auch offensichtlich zu geringe Vorauszahlungen auf die Betriebskosten ansetzen darf. Allein in den von dem BGH genannten Fällen, sei eine Pflichtverletzung des Vermieters möglich. Ein solcher Fall läge trotz der von dem Ehemann geschilderten Erklärung des Mitarbeiters der Vermieteri nicht vor.
Zunächst sei über die vorherige Nutzung des Mietobjekts nicht gesprochen worden. Der Heizbedarf unterscheide sich aber je nach Nutzung erheblich. Deshalb durfte die Mieterin, nach Ansicht des OLG, die Erklärung nicht auf sich beziehen. Außerdem habe die Aussage des Mitarbeiters eine deutliche zeitliche Einschränkung enthalten, „im Moment“. Aus diesem Grund hätte sich die Mieterin nicht darauf verlassen können, dass sich die Höhe der Kosten in Zukunft nicht ändere.
Praxistipp – Mietende sollten sich bei Anmietung die Angemessenheit der Vorauszahlungen bestätigen lassen
Die Entscheidung bestätigt noch einmal die herrschende Ansicht, dass Vermieter nicht gezwungen sind, angemessene Vorauszahlungen auf die Betriebs- und Heizkosten zu vereinbaren. Zusätzlich zeigt die Entscheidung, dass der Nachweis einer Zusicherung des Vermieters durch den Mieter vollständig erbracht werden muss. Zwar ist dies auch durch Zeugen möglich. Einige Jahre nach den Verhandlungen über den Vertragsabschluss sind Zeugenaussagen ist die Erinnerung der Zeugen an die Ereignisse aber häufig verschwommen. Da hier eine sehr konkrete Aussage nachzuweisen ist, helfen solche Aussagen häufig nicht weiter.
Nach Möglichkeit sollte sich der Mieter bei Anmietung des Objekts schriftlich bestätigen lassen, dass die angesetzten Vorauszahlungen angemessen sind. Alternativ können sich Mieter aber auch die Betriebskostenabrechnung des Mietobjekts oder eines vergleichbaren Objekts für das Vorjahr vorlegen lassen, um die Angemessenheit der Vorauszahlung überprüfen zu können.
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- Ich empfehle Mietern von Gewerbe dringend, den Mietvertrag vor Abschluss durch eine spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Neben der Möglichkeit von viel zu gering angesetzten Betriebskostenvorauszahlungen enthalten moderne Gewerberaummietverträge häufig eine Reihe von versteckten Kostenpositionen. Mehr hierzu in dem Beitrag: Prüfung des Gewerbemietvertrags vor Abschluss.
- Andererseits prüft die Rechtsprechung die Regelungen zur Umlage von Betriebskosten in Gewerberaummietvertrag zunehmend kritisch daraufhin, ob diese nicht über ihr Ziel hinaus schießen. Im laufenden Mietverhältnis bietet sich daher die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt an.
- Hier finden Sie weitere Informationen zu dem Beschluss.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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