Mietendeckel unerheblich bei Erhöhung vor 23.02.2020
Die Berliner Gerichte veröffentlichen bereits die ersten Entscheidungen zum Mietendeckel. Was bedeutet der Mietendeckel für Mieterhöhungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes am 23.02.2020 wirksam werden sollten? Nach Ansicht des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg ist das Gesetz zum Mietendeckel unerheblich für die Wirksamkeit des Verlangens auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete bei einem Wirksamwerden vor dem 23.02.2020.
Der Ausgangsstreit – Vermieter verlangt Zustimmung zu Erhöhung der Miete
Die Parteien sind über einen Mietvertrag für eine Wohnung miteinander verbunden.
Mit Schreiben vom 14.06.2019 verlangte die Vermieterin dann von den Mietern die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 01.09.2019. Die Mieter reagierten nicht auf das Schreiben. Erst im Klageverfahren widersprachen die Mieter dann ausdrücklich der Mieterhöhung.
Die Entscheidung – Gesetz zum Mietendeckel unerheblich bei Erhöhung vor 23.02.2020
Auf die Klage der Vermieterin verurteilt das Amtsgericht Tempelhof Kreuzberg die Mieter zur Zustimmung zur Mieterhöhung. Das Amtsgericht erklärt, dass dabei das Gesetz zum Mietendeckel bei einer Erhöhung, die vor dem 23.02.2020 wirksam werden soll, unerheblich sei.
Das „normale“ Erhöhungsverfahren
Zunächst einmal erklärt das Amtsgericht, dass die Mieter im normalen Mieterhöhungsverfahren zur Zustimmung zur Mieterhöhung verpflichtet sind. Die Vermieterin hat unter folgenden Voraussetzungen gemäß § 558 Abs. 1 BGB gegen die Mieter einen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete:
- Den Mietern ist ein formell wirksames Erhöhungsverlangen zugegangen (§ 558a BGB).
- Außerdem darf die verlangte Mieterhöhung nicht die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigen (§ 558 Abs. 1 S. 1 BGB).
- Weiterhin muss die zeitliche Grenze für eine Erhöhung der Miete eingehalten sein (§ 558 Abs. 1 S. 1, 2 BGB).
- Ferner ist die Kappungsgrenze der möglichen Erhöhung von max. 15 % der Nettokaltmiete innerhalb der letzten drei Jahre zu beachten (§ 558 Abs. 3 S. 2 BGB in Verbindung mit der Berliner Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB vom 10.04.2018 – GVBl. S. 370).
- Letztlich muss der Zeitpunkt der verlangten Erhöhung nach dem Ende der dem Mieter nach § 558b Abs. 2 S. 1 BGB zustehenden Bedenkenfrist liegen.
Diese Voraussetzungen bejaht das Amtsgericht. Dabei sind zwei Punkte hervorzuheben. Die Mieter hatten die von der Vermieterin zugrunde gelegte Wohnungsgröße bestritten. Nach Ansicht der Mieter soll die Wohnung kleiner sein als 98,79 m². Die Mieter hatten jedoch darauf verzichtet, diese Behauptung zu begründen. Ein solches einfaches Bestreiten ist nach Ansicht des Amtsgerichts nicht ausreichend. Außerdem stuft das Amtsgericht den Berliner Mietspiegel gemäß § 558d BGB als qualifiziert ein.
Berliner Mietendeckel unerheblich bei einem Wirksamwerden der Erhöhung vor dem 23.02.2020
Im Anschluss wendet sich das Amtsgericht dann der Frage zu, ob das Berliner Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung dem Erhöhungsverlangen entgegensteht. Das Gericht ist der Ansicht, dass das Gesetz zum Berliner Mietendeckel grundsätzlich unerheblich bei einem Wirksamwerden der Erhöhung vor dem 23.02.2020 sei. Das Gesetz müsse verfassungskonform so ausgelegt werden, dass Mieterhöhungen vor dem 23.02.2020 möglich sind und gegebenenfalls die (erhöhte) Miete ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verlangt werden darf. Denn Streitgegenstand dieses Rechtsstreits sei, ob die Mieter die Zustimmung zur Mieterhöhung ab dem 01.09.2019 schulden.
Das Gesetz selber nenne keinen Zeitpunkt, ab dem das Mieterhöhungsverbot des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln gilt. Entweder soll das Verbot ab dem Stichtag, dem 18.06.2019 gelten oder aber ab dem Tag des Inkrafttretens, dem 23.02.2020. Ein Wirksamwerden des Verbots zum Stichtag wäre aber verfassungswidrig. Ein zeitlich rückwirkendes Verbot bereits wirksam zustande gekommener oder gemäß § 894 ZPO als rückwirkend zustande gekommen geltender Mieterhöhungsvereinbarung würde in die vermögenswerte Rechtsposition des Vermieters eingreifen. Diese ist nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.
Ein Eingriff ist nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zwar möglich. Erforderlich sei aber, dass nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit der Eingriff erforderlich ist, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Hieran fehle es aber, da sich dieser Zweck auch bei einem Verbot ab dem 23.02.2020 erreichen lässt. Aus diesem Grund ist auf die Auslegung des Gesetzes abzustellen, die verfassungskonform wäre. Dann dürfte die Vermieterin vor dem 23.02.2020 die Zustimmung zur Mieterhöhung noch verlangen. Wenn das Gesetz verfassungsgemäß ist, darf die Vermieterin im Anschluss aber nicht mehr die erhöhte Miete verlangen.
Da dann das Berliner Gesetz zum Mietendeckel für diese Entscheidung nicht zum Tragen kommt, müsse das Gericht nicht darüber entscheiden, ob andere Gesichtspunkte für oder gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes sprechen. Allerdings erklärt das Gericht, das nach seiner Rechtsauffassung gewichtige Argumente für die Verfassungswidrigkeit sprechen.
Praxistipp – Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels wird noch offengelassen
Die Entscheidung des Amtsgerichts beschäftigt sich also ausdrücklich nicht mit der Frage, ob das Berliner Mietendeckel Gesetz verfassungsgemäß ist oder nicht. Diese Frage kann das Gericht noch offenlassen.
Den Einwand, die vertraglich vereinbarte Fläche der Wohnung sei nicht zutreffend, halte ich grundsätzlich für sinnvoll. Voraussetzung ist aber immer, dass man als Mieter erklärt, wie man selber die tatsächliche Fläche der Wohnung berechnet. Hierzu muss man im Gerichtsverfahren eine Berechnung der Wohnfläche vorlegen (s. hierzu auch meinen Beitrag Miete sparen aufgrund von Flächenabweichungen).
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- Mehr zum Thema Mietendeckel finden Sie auch in unserem Mietendeckel Blog.
- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
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