Minderung wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen
Wenn sich vermietete Gewerberäume in einem nicht vertragsgemäßen Zustand befinden, können Mietende die Beseitigung der Mängel fordern und bei Nichtbeseitigung die Miete mindern. Aber ist eine Minderung der Miete auch wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen möglich? Zu dieser Frage hat das Kammergericht (KG) entschieden.
Der Ausgangsstreit – Fehlende Genehmigungsfähigkeit von Umbaumaßnahmen wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen
Die Parteien waren über einen Mietvertrag für Gewerberäume miteinander verbunden. Zur Eröffnung eines Ladengeschäfts wollte der Mieter Umbaumaßnahmen an dem denkmalgeschützten Gebäude vornehmen. Diese waren genehmigungspflichtig durch eine Behörde. Unter anderem galt dies für die Nutzung des über der Durchfahrt gelegenen Raums mit einer als Büro nicht geeigneten Deckenhöhe. Die Genehmigung wurde durch Bescheid der Behörde vom 06.05.2019 versagt.
Der Mieter minderte daraufhin die Miete, kündigte außerordentlich fristlos und gab die Räume am 16.07.2019 zurück.
Die Vermieterin erhob Klage. Die Mietsache sei nicht mangelbehaftet gewesen. Der über der Durchfahrt gelegene Raum sei von ihr nicht als Büro vermietet worden. Im Versagungsbescheid der Behörde sei nicht generell die Nutzung der Mieträume als „Ladengeschäft mit Verkaufsraum, Kiosk“ versagt worden. Die Versagung sei allein wegen der vom Mieter geplanten Abrissarbeiten erfolgt. Diese hätten das Denkmal in seinen schützenswerten Bestandteilen wesentlich beeinträchtigt. Die Genehmigungsfähigkeit sei aber nicht daran gescheitert, dass der oberhalb der Durchfahrt gelegene Raum die Anforderungen an einen Büroraum nicht erfülle.
Die Vermieterin führte weiter aus, sie habe einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung und Mietausfallschaden für die Zeit nach Rückgabe der Mieträume am 16.07.2019. Der Mieter sei mit Mietzahlungen für April und Mai 2019 in Verzug gewesen. Zu einer Neuvermietung sei es nicht gekommen, weil die vom Mieter durchgeführten Abrissarbeiten zukünftige Mieter abgeschreckt hätten. Aufgrund dieser begonnenen Abrissarbeiten habe sie außerdem Anspruch auf Schadensersatz.
Das Landgericht verurteilt den Mieter zu Schadensersatz wegen des Zustands der Mietsache durch die von ihm begonnenen Arbeiten. Es stellt weiter fest, dass die Mietsache mit einem Mangel behaftet gewesen sei. Die Vermieterin habe den über der Durchfahrt gelegenen Raum als Büro vermietet. Dies könne aus dem Maklerexposé und dem Übergabeprotokoll abgeleitet werden. Gegen das Urteil des Landgerichts legen sowohl die Vermieterin als auch der Mieter Berufung ein.
Die Entscheidung – Sind Mietende wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen zur Minderung berechtigt?
Die Berufung der Vermieterin gegen das Urteil des Landgerichts ist teilweise begründet, die Berufung des Mieters ist unbegründet, seine Widerklage teilweise begründet, so das KG. Der Vermieterin stand für den Zeitraum April 2019 bis Juni 2019 ein Anspruch auf Miete bzw. Nutzungsentschädigung zu (§ 535 Abs. 2 BGB). Die Miete war gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ab 04.04.2019 wegen eines Mangels auf 50 % reduziert.
Übergabeprotokoll kann zur Auslegung des Mietvertrages herangezogen werden
Die Vermieterin mache ohne Erfolg geltend, dass der Raum nicht als Büro vermietet worden sei. Im Mietvertrag vom 24.07.2018 steht, dass Geschäftsräume im Erdgeschoss, und zwar ein Laden, ein Büroraum und ein Lagerraum, ein WC zur Nutzung als „Ladengeschäft mit Verkaufsraum, Kiosk“ vermietet würden. Im Übergabeprotokoll wurde der vom Mieter beanstandete Raum als „Büroraum“ bezeichnet. Das Übergabeprotokoll könne zur Auslegung des Mietvertrages herangezogen werden, weil es den Bezeichnungen im Mietvertrag folgt, so das KG. Nachträgliches Verhalten der Vertragsparteien könne berücksichtigt werden, wenn es Rückschlüsse auf ihren tatsächlichen Willen und ihr tatsächliches Verständnis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt. Die Lagebeschreibung im Mietvertrag, wonach nur Räume im Erdgeschoss vermietet werden, beruhe allein darauf, dass diese vom Erdgeschoss aus zugänglich waren.
Mietende können wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen zur Minderung berechtigt sein
Das KG stellt weiter fest, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, grundsätzlich einen Mangel i.S.v. § 536 BGB darstellen. Sie müssen dafür mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen Mietender ihre Ursache haben.
Vermietende schulden nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zwar grundsätzlich die Überlassung der Mieträume in einem genehmigungsfähigen Zustand und haben hierfür erforderliche Baumaßnahmen auf eigene Kosten zu veranlassen. Das gelte aber nur, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, so das KG. In diesem Fall wurde in der Anlage zum Mietvertrag vereinbart, dass der Mieter sich zur Ausführung von Umbaumaßnahmen zur Herstellung der Räume für seinen Mietzweck verpflichte. Dafür erhielt er von der Vermieterin Mietfreiheit. Die Vermieterin war nicht verpflichtet, die Räume unter Berücksichtigung der denkmalrechtlichen Vorgaben herzustellen.
Trotzdem sei die Mietsache ab dem Zugang des Schreibens an das Bezirksamt am 04.04.2019 mangelhaft gewesen, so das KG. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) besage zwar, dass öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen nicht zur Minderung berechtigen, wenn Mietende in ihrem vertragsgemäßen Gebrauch mangels Einschreiten der zuständigen Behörde nicht tatsächlich eingeschränkt sind, so das KG. Im vorliegenden Fall bezog sich Versagung der Genehmigung aber unter anderem auf die unzulässige Büronutzung wegen der ungenügenden Raumhöhe des einen Raumes. Ein Einschreiten der Behörde lag vor.
Das KG sieht hier eine Minderungshöhe von 50 % als angemessen an. Der Mangel liege in der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens. Diese beruhe sowohl auf der von der Vermieterin zu vertretenden unzulässigen Nutzung des Büroraumes als auch auf dem vom Mieter geplanten Durchbruch von Trennwänden. Der Mieter habe bereits vor Abschluss des Mietvertrages mitgeteilt, dass er sich beim Bau- und Denkmalamt darüber informiert habe, inwieweit Umbaumaßnahmen vorgenommen werden dürfen. Ihm war bekannt, dass denkmalschutzrechtliche Aspekte eine Rolle spielten. Eine vollständige Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der Mietsache zu dem vereinbarten Mietzweck sei daher nicht feststellbar.
Höhe der Nutzungsentschädigung bis zur Rückgabe der Mietsache richtet sich nach der geminderten Miete
Des Weiteren könne die Vermieterin bis zur Rückgabe der Mietsache am 16.07.2019 Nutzungsentschädigung in Höhe der geminderten Miete verlangen, so das KG. Ist die Miete bei Beendigung der Mietzeit mangelhaft, stellt die geminderte Miete die vereinbarte Miete i.S.v. § 546a Abs. 1 BGB dar.
Einen Mietausfallschaden bis Januar 2020 könne die Vermieterin nicht durchsetzen. Es fehle am Kündigungsfolgeschaden. Das Mietverhältnis sei spätestens durch die Kündigung des Mieters vom 03.07.2019 beendet worden. Da ein Mangel der Mietsache wegen der öffentlich-rechtlichen Unzulässigkeit der Büronutzung gegeben war, war der Mieter gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigt, das Mietverhältnis aus wichtigem Grund zu beenden. Allerdings habe das Landgericht den Mieter zu Recht zum Schadensersatz wegen Verschlechterung der Mietsache infolge Baumaßnahmen verurteilt. Er hafte für vertragswidrige Veränderungen der Mietsache. Der Mieter handelte auf eigenes Risiko, als er mit den Bauarbeiten bereits vor Erteilung der Umnutzungsgenehmigung begann und die unvollendeten Arbeiten auch nicht zurückbaute, so das KG.
Schließlich könne der Mieter keinen Schadensersatz gemäß § 536a Abs. 1 BGB verlangen. Gemäß § 536a Abs. 1 BGB können Mietende Schadensersatz verlangen, wenn die Mietsache bei Vertragsschluss mit einem Mangel behaftet ist, wenn ein Mangel wegen eines Umstandes entsteht, den die Vermietenden zu vertreten haben, oder wenn die Vermietenden mit der Mangelbeseitigung in Verzug geraten sind. Haben Gewerberaummietende im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung durch die Vermietenden Aufwendungen auf die Mietsache getätigt, die sich aufgrund der Mangelhaftigkeit der Mietsache als nutzlos erweisen, so können sie diese im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 536a Abs. 1 BGB ersetzt verlangen. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Der Mieter trägt eine Mitverantwortung für das Scheitern des Vorhabens.
Praxistipp – Rechtsprechung des BGH zur Minderung wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen beachten
Die Rechtsprechung des BGH, wonach öffentlich-rechtliche Beschränkungen nicht zur Minderung berechtigen, wenn Mietende mangels Einschreitens der zuständigen Behörde nicht tatsächlich eingeschränkt sind, mag für Nicht-Juristen überraschend erscheinen. Der BGH entscheidet aber in ständiger Rechtsprechung so und die Instanzgerichte folgen ihm. Nur in Ausnahmefällen kann man einen Mangel annehmen.
Sowohl Mietende als auch Vermietende sollten diese aber im Blick behalten, wenn sie sich im Streit darüber befinden, ob eine Minderung wegen öffentlich-rechtlicher Beschränkungen zulässig ist. Zudem sollten sich Mietende immer rechtsanwaltlich beraten lassen, bevor sie die Miete mindern. Insbesondere die angemessene Minderungshöhe ist für Laien schwer zu bestimmen. Im schlimmsten Fall kann hier die Kündigung wegen Zahlungsverzugs drohen.
Mietende sollten außerdem immer mögliche Minderungseinschränkungen in ihrem Mietvertrag im Auge haben.
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- In einem Urteil aus dem Jahr 2016 zeigt der BGH, wann ein zu weitreichendes Minderungs- und Aufrechnungsverbot im Gewerberaum unwirksam sein kann.
- Warum es sinnvoll ist, den Gewerbemietvertrag vor Abschluss zu prüfen, erkläre ich hier.
- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
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