Mündliche Nebenabreden bestehen nicht
In Gewerberaummietverträgen finden sich am Ende häufig allgemeine Regelungen, die darauf abzielen, den Eindruck zu erwecken, dass der Vertragstext abschließend ist. Eine übliche Regelung lautet: Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass sich die Parteien eines Mietvertrages auf die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung nicht verlassen sollten.
Der Ausgangsstreit – Ist die Vertragsklausel, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen würden, wirksam?
Die Parteien sind über einen Mietvertrag für Gewerberäume verbunden. Sie streiten über restliche Mietforderungen aus dem Zeitraum April 2016 bis Mai 2017. Die Mieterin hatte in diesem Zeitraum die Miete gemindert.
In dem Mietvertrag heißt es unter anderem:
„§ 2 Mietzweck
Die Vermietung erfolgt zum Betrieb einer Tagespflegeeinrichtung.
§ 3 Zustand der Mieträume
Die Räume werden durch den Vermieter vor Mietbeginn frisch renoviert wie abgesprochen (…).
(…)
§ 14 Sonstiges
1. Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht.
2. Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.“
Die Mieterin minderte nach Übernahme der Räume die Miete. Sie war der Ansicht, dass die durchgehende Einfachverglasung der Mieträume nicht dem vertraglich vereinbarten Zustand entsprach. Zwar war in dem schriftlichen Mietvertrag eine Doppelverglasung nicht vereinbart. Die Mieterin machte aber geltend, dass der Vermieter mündlich vor Vertragsschluss eine weitere Verglasung der Fenster hätte.
Das Landgericht hatte die Mieterin zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht bestätigte im Hinblick auf den Mangel „Einfachverglasung“ die Entscheidung des Landgerichts. Hiergegen ist die Mieterin in Revision zum BGH gegangen.
Die Entscheidung – Die Klausel, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen, bedeutet nicht, dass die Parteien nicht mehr an vorvertraglichen Absprachen festhalten wollen
Der BGH hebt die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und verweist diese zurück an das Berufungsgericht. Die Vereinbarung, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen, würde nicht dazu führen, dass tatsächlich bestehende Nebenabreden unwirksam werden.
Hierbei stellt der BGH zunächst einmal fest, dass in § 3 Satz 1 des Mietvertrages individuell eine Verpflichtung zur Renovierung durch den Vermieter vereinbart wird. Welchen Umfang eine solche „Renovierung“ habe, müsse dann durch Auslegung ermittelt werden.
Ob der Begriff Renovierung in seinem Wortlaut auch eine Neuverglasung umfasse, könne nicht festgestellt werden. Der Zusatz „wie abgesprochen“ nehme aber auf vorvertragliche Absprachen Bezug. Er weise darauf hin, dass die Parteien selber den vorvertraglichen Vereinbarungen eine gewisse Relevanz zukommen lassen wollten.
Vollständigkeitsklauseln sind als allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam
Begleitumstände, wie vorvertragliche Vereinbarungen, können ihre Auslegungsrelevanz auch wieder verlieren. Es bestünde die Möglichkeit, das die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages nicht mehr an diesen vorvertraglichen Absprachen festhalten wollen, so der BGH. Aus der Klausel, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen, könne eine solche Annahme aber nicht geschlossen werden.
Sogenannte Vollständigkeitsklauseln sind als allgemeine Geschäftsbedingungen nach der Rechtsprechung des BGH unwirksam (vgl. §§ 305b, 307, 309 BGB). Aber auch wenn es sich um eine Individualvereinbarung handeln sollte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach der Ansicht des BGH wollen Vertragsparteien mit einer Vollständigkeitsklausel nur eine Tatsache bestätigen. Die Klausel soll aber nicht dazu dienen, vorvertraglichen Absprachen schlechthin die Wirksamkeit zu nehmen. Wenn aber eine Partei dann nachweisen kann, dass es vorvertragliche Absprachen gab, ist die vertragliche Bestätigung der Vollständigkeit wiederum hinfällig.
Praxistipp – Gewerberaummietverträge sollten alle wesentlichen Fragen ausdrücklich regeln
Die Entscheidung des BGH bestätigt die Tendenz, dass die am Ende von Gewerberaummietverträgen zu findenden allgemeinen vertraglichen Bestimmungen meistens nur geringe Relevanz haben. Auch die sogenannten Schriftformklauseln sind ja nach der Rechtsprechung des BGH nicht wirksam.
Es bleibt dabei, dass Gewerberaummietverträge nach Möglichkeit sämtliche wesentliche Fragen ausdrücklich und umfassend regeln sollten. Ansonsten muss man sich darauf verlassen, dass man mündliche Vereinbarungen im Nachhinein tatsächlich gegenüber dem Gericht nachweisen kann.
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- Gewerberaummietverträge sollte man vor Abschluss prüfen lassen. Weshalb, erkläre ich in dem Beitrag Prüfung des Gewerbemietvertrags vor Abschluss.
- Hier finden Sie weitere Informationen zu der Entscheidung.
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