Schließung wegen Corona ist ein Mangel
Seit Beginn der Corona-Pandemie stellt sich, insbesondere für den Zeitraum des ersten Lockdowns, folgende Frage: Sind Mieter von Gewerberaum zur Minderung der Miete aufgrund einer behördlich angeordneten Schließung berechtigt? Die bislang vorliegenden Entscheidungen fallen recht unterschiedlich aus. Nunmehr liegt ein Urteil des Landgerichts (LG) Kempten vor, nach dem die durch Corona bedingte Schließung eines Ladengeschäfts einen Mangel der Mietsache darstellt.
Der Ausgangsstreit – Vermieter klagt auf Leistung der Miete für die Monate April und Mai 2020
Die Parteien sind über einen Mietvertrag aus dem Jahr 2009 über Gewerbeflächen verbunden. Als Mietzweck vereinbarten die Parteien den Einzelhandel mit Bekleidung und Textilien aller Art. Die monatliche Miete beträgt 28.262,50 €.
Die Mieterin leistete in den Monaten April 2020 und Mai 2020 keine Miete. Sie musste aufgrund des staatlich angeordneten COVID-19 Lockdowns ihr Ladengeschäft vom 18.03.2020 bis zum 03.05.2020 für den Publikumsverkehr schließen.
Mit der Klage macht der Vermieter die Miete für die Monate April und Mai 2020 in einer Höhe von insgesamt 56.525,00 € mit Zinsen geltend.
Die Entscheidung – Mieterin ist zur Minderung berechtigt
Das LG Kempten verurteilt die Mieterin zur Zahlung einer Miete von 28.262,50 €. Die weiter gehende Klage weist das Landgericht ab. Nach Ansicht des Landgerichts ist die durch Corona bedingte Schließung eines Ladengeschäfts ein Mangel der Mietsache. Die Mieterin sei deshalb zu einer Minderung von 50 % der Miete berechtigt.
Schließung wegen Corona ist ein Mangel der Mietsache
Die Voraussetzung für eine Minderung der Miete ist zunächst, dass ein nicht unerheblicher Mangel der Mietsache vorliegt (§ 536 Abs. 1 BGB). In Rechtsprechung und Literatur herrscht Streit darüber, ob die staatlich angeordneten Maßnahmen einen Mangel der Mietsache darstellen.
Ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn die Tauglichkeit der Mietsache für den vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen und Gebrauchshindernisse können einen Mangel darstellen. Voraussetzung ist, dass sich die Beschränkung oder das Gebrauchshindernis auf die Beschaffenheit oder Lage der Mietsachen beziehen. Sie dürfen ihre Ursachen nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben.
Die Nutzung der vermieteten Flächen zum Verkauf der Bekleidung und Textilien sei während des Bestehens der Corona-Beschränkungen durch öffentlich-rechtliche Beschränkungen eingeschränkt gewesen. Deshalb lag ein Mangel der Mietsache vor, so das LG Kempten.
Nach Ansicht des LG Kempten berechtigt dieser Mangel den Mieter zur Minderung der Miete um 50 %. Die Gewährleistung der Öffnung für den Publikumsverkehr falle im Rahmen der Risikoverteilung nicht pauschal in das Verwendungsrisiko des Gewerberaummieters. Andererseits sei die Mietsache grundsätzlich weiterhin zur Nutzung als Einzelhandelsfläche geeignet. Sie können nur aufgrund der behördlichen Untersagungen nicht zweckentsprechend verwendet werden. Daher können die staatlich angeordneten Lockdown-Maßnahmen weder dem Mieter noch dem Vermieter wirklich zugeschrieben werden. Aus diesem Grund sei eine Minderung in Höhe von 50 % der Miete berechtigt, um so beiden Parteien einen Teil des Risikos zu aufzubürden.
Keine Unmöglichkeit bei Schließung wegen Corona
Das Landgericht weist die Begründung der Mieterin zurück, wenn diese meint, sie sei aufgrund einer Unmöglichkeit nicht zur Leistung der Miete verpflichtet (§ 326 Abs. 1 BGB). Der Vermieter sei seiner Leistungspflicht zur Gebrauchsüberlassung der Mietsache nachgekommen. Es läge daher keine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB vor.
Störung der Geschäftsgrundlage durch Schließung wegen Corona
Weiterhin könne die Mieterin die Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage verlangen. Zwar ist § 313 BGB als Ausnahmetatbestand eng auszulegen. Die Parteien hätten aber bei Vertragsschluss nicht bedacht, dass es während der Vertragslaufzeit zu einer Schließung der Geschäftsräume aufgrund einer Pandemie kommen würde.
Dem Mieter sei es auch nicht zuzumuten, an dem Vertrag festhalten zu müssen. Grundsätzlich trage er zwar das Verwendungsrisiko der Mietsache. Das Risiko der Betriebsuntersagung trifft den Mieter allerdings schwer. Die Zuweisung des Verwendungsrisikos bei Zugangsbeschränkung für den Kundenverkehr sei durch den Gesetzgeber nicht bedacht worden. Er hätte genauso gut dieses Risiko dem Vermieter zuschreiben können. Auch aus diesem Grund sei eine Anpassung der Miete auf die Hälfte angemessen.
Praxistipp – Es liegen sehr unterschiedliche Entscheidungen der Gerichte vor
Zu der Frage, ob die Miete von Gewerberaummietern während der Corona-Pandemie gemindert ist, liegen inzwischen recht unterschiedliche Entscheidungen vor. Wichtig ist es immer, den Einzelfall zu betrachten. Ein Mieter eines Ladengeschäftes konnte schließlich während des staatlich angeordneten Lockdowns seine Räume überhaupt nicht mehr nutzen.
Im Gewerberaum sollten Sie außerdem darauf achten, ob sich in dem Mietvertrag Regelungen zur Umsetzung einer Minderung finden. Häufig ist in Gewerbemietverträgen geregelt, dass der Mieter zunächst zur Leistung der vollen Miete verpflichtet bleibt. Er muss dann die nach seiner Ansicht zu viel geleistete Miete zurückfordern.
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