Sicherheitsanforderungen im Pflegeheim
Der Ausgangsstreit
Die Klägerin, eine Versicherung, macht Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht im Zusammenhang mit einem Sturz ihrer Versicherten, einer Patientin im Pflegeheim, geltend.
Das Gericht entschied nun über folgende Frage: Welche Anforderungen sind an Pflegeheime bezüglich ihrer Sicherungspflichten zu stellen? Zum einen ist dabei natürlich immer zu bedenken, dass ein erhöhter Sicherheitsaufwand immer höhere Kosten bedeutet. Zum anderen aber natürlich auch einen Eingriff in die Privatsphäre des Patienten, wenn es, gerade wie hier, um einen Sturz bei, beziehungsweise nach dem Toilettengang geht. Insofern ist es natürlich schwierig, hier eine sachgerechte Abwägung zu treffen.
Hier war der Fall, dass es bekannt war, dass die Patientin Schwierigkeiten hatte, sich selbst richtig auf dem Toilettensitz zu platzieren.
Ferner war es so, dass es keine Anzeichen dafür gab, dass die Patientin vorzeitig aufstehen würde.
Des Weiteren sei an diesem Tag jedenfalls der Allgemeinzustand gut gewesen und von dem Personal sei sie als „sehr fit“ beschrieben worden. Das Grundproblem lag hier daran, dass die Patientin an einer bereits fortgeschrittenen Demenz litt, sodass die Steuerungsfähigkeit, beziehungsweise die Fähigkeit, hier problematische Situationen zu erkennen, eingeschränkt war.
Die Entscheidung
Das Gericht hat entschieden, dass im Rahmen der Abwägung hier zugunsten des Pflegeheims zu entscheiden war. Sicherungspflichten wurden hier nicht verletzt. Die entscheidende Frage ist, welcher pflegerische Standard hier anzulegen ist. Es geht hier um Ordnungspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Patienten. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und die Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind. Angesichts dieser schwierigen Ausgangssituation war die Entscheidung des Pflegepersonals richtig. Über das Maß hinaus in welchem die Überwachung erfolgt ist, war die Patientin nicht zu beaufsichtigen.
Maßstab bei der Beurteilung der Pflegeleistung ist dabei nicht, dass man jeden Unfall vermeiden können muss. Es kann keinen allumfassenden Schutz geben. Dies insbesondere nicht in dem bereits skizzierten Spannungsfeld zwischen Freiheitsrecht einerseits und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit andererseits.
Für eine lückenlose Beaufsichtigung beim Toilettengang muss ein konkreter Grund bestehen. Dieser wäre nur dann gegeben gewesen, wenn zum Beispiel in den Tagen oder Wochen zuvor bereits ähnliche Vorkommnisse stattgefunden hätten. Also wenn die Patientin zum Beispiel versucht hätte, nach dem Toilettengang alleine aufzustehen und wegzulaufen.
Das Gericht war letztlich der Überzeugung, dass es der Patientin noch möglich war Absprachen zu treffen und sich an diese zu halten. Insofern durfte sich das Personal mangels anderer Anhaltspunkte darauf verlassen, dass die Patientin sitzen bleiben würde bis die Pflegeperson zurückgekommen war.
Das Gericht hat noch einmal deutlich gemacht, dass man menschliches Verhalten nicht mathematisch vorhersagen kann. Letztlich kann es im Rahmen von derart schwierigen Entscheidungen immer zu Fehlern kommen, ohne das dann gleich eine Haftung begründet wird. Es liegt einfach in der Natur der Sache, dass unvorhergesehene Ereignisse eintreten können. Insbesondere auch unter dem Aspekt, dass es sich hier um den Ablauf eines Toilettenganges, der ja den Bereich den Teams sehr wohl zuzuordnen ist, war es dem Personal letztlich erlaubt, die größtmögliche Freiheitsphäre für die Patienten einzuräumen und zu schaffen.
Praxistipp
Im Rahmen von Heimverträgen oder allgemein in Pflegeheimen kommt es immer wieder zu der rechtlichen Frage, was muss ich als Personal machen, was darf ich als Pflegepersonal machen. Wie weit reicht unsere Pflicht, die Patienten davor zu schützen, dass sie körperlich zu Schaden kommen. Wie weit darf ich dabei in die Privat- und letztlich auch Intimsphäre der Patienten eingreifen. Dies ist ein schwieriges Feld mit ausgefeilter und ausgeprägter Kasuistik.
Es sollten bereits im Wege der Pflegedienstpläne, der Arbeitsverträge und auch der Heimpläne selbst entsprechende Vereinbarungen, Standards und Vorgehensweisen besprochen und auch schriftlich fixiert werden. Im Einzelfall können wir Sie hierzu auf der zivilrechtlichen Ebene gerne beraten, dies auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht, welche Anweisungen genau dem entsprechenden Pflegepersonal zu geben sind.
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Hier finden Sie weitere Informationen zu dieser Entscheidung.
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