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Unwirksame Indexklausel

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Hinweisbeschluss // Oberlandesgericht München // 27 U 624/10

Wenn im Gewerberaummietvertrag eine sogenannte Indexklausel vereinbart ist, ändert sich die Höhe der Miete mit der Änderung des Verbraucherpreisindexes. Das heißt, dass die Indexmiete umso stärker steigt, je höher die Inflationsrate ist. In Zeiten hoher Inflationsraten bedeutet dies für Mietende zusätzlich zur Belastung durch allgemeine Preissteigerungen noch eine stark steigende Miete. Wenn die Frage nach der Wirksamkeit solcher Indexklauseln also bisher nicht allzu viel Beachtung bei den Gerichten gefunden hat, könnte sich das mit anhaltend hohen Inflationsraten ändern. In einem Urteil aus dem Jahr 2010 hat das Oberlandesgericht (OLG) München zu folgender Frage entschieden: Kann eine unwirksame Indexklausel mithilfe ergänzender Vertragsauslegung so ergänzt werden, dass sie wirksam wird?

Der Ausgangsstreit – Mieter hält im Mietvertrag vereinbarte Indexklausel für unwirksam

Die Parteien sind über einen Mietvertrag miteinander verbunden. Der Mieter beantragte mit seiner Klage die Feststellung, dass die im Mietvertrag vereinbarte Klausel unwirksam ist. Mit seiner Widerklage verlangte der Vermieter die Zustimmung des Mieters zur Anpassung des Mietvertrags. Durch Urteil solle die Zustimmung des Mieters zu einer geänderten vertraglichen Indexklausel eingefordert werden. Das Landgericht gab der Klage des Mieters statt. Die Widerklage des Vermieters wies es ab, mit der Begründung, ein Anspruch auf Vertragsanpassung ergebe sich nicht aus dem Mietvertrag. Auch aus Treu und Glauben sei ein solcher Anspruch nicht möglich. Der komme nur in Betracht, wenn auf einen eindeutigen Parteiwillen geschlossen werden könne.

Der Vermieter legte daraufhin Berufung gegen die Abweisung der Widerklage ein und verlangte die Zustimmung zu folgender Klausel: „Erhöht oder ermäßigt sich der Verbraucherpreisindex um 4 % so erhöht oder ermäßigt sich der Mietzins entsprechend und ab dem Monat, in dem die Veränderung des Verbraucherpreis-Indexes 4 % erreicht, frühestens aber nach jeweils 4 Jahren.“ Er ist der Ansicht, das Landgericht verkenne die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung. Wäre den Parteien bewusst gewesen, dass die Bezeichnung Index nicht konkret genug sei, hätten sie schon damals den Verbraucherpreis-Index für Deutschland (VPI) benannt.

Unwirksame Indexklausel

Die Entscheidung – Unwirksame Indexklausel, da kein übereinstimmender Parteiwille erkennbar ist, der eine ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigen würde

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die ursprünglich im Mietvertrag vereinbarte Indexklausel sei unwirksam, da sie nur eine Erhöhung und keine Herabsetzung des Mietzinses vorsieht, so das OLG München. Aus dem Mietvertrag lasse sich zudem kein Anspruch auf Erklärung der Zustimmung zu der angepassten Vertragsklausel herleiten. Die mietvertragliche Bestimmung verweise nur auf gesetzliche Vorschriften. Eine ergänzende Vertragsauslegung, wie vom Vermieter gefordert, komme nicht infrage.

Ziel der ergänzenden Vertragsauslegung ist es, Lücken eines bestehenden Vertrags zu schließen. Der tatsächliche Regelungsinhalt dient dann als Grundlage, aus der fehlende Punkte abgeleitet werden. Der Bundesgerichtshof (s. BGH, Urteil vom 13. 1. 2010 – VIII ZR 81/08) hat festgestellt, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zum einen nur dann in Betracht kommt, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht (solches, von dem die Parteien durch Vereinbarung abweichen können) füllen lasse. Zum anderen dürfe sie nicht zu einem Ergebnis führen, welches das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Das liege laut OLG hier nicht vor. Der Vermieter werde nicht dadurch in unvertretbarer Weise belastet, dass ihm monatlich 110,22 € entgehen. Der Betrag entspreche einer Erhöhung von 0,63 €/qm und stelle daher keine völlig einseitige Verschiebung in nicht mehr vertretbarer Weise dar.

Zudem bleibe, selbst wenn in der ursprünglichen Klausel der Verbraucherpreis-Index für Deutschland gemeint war, die Frage, in welcher Weise der Mietzins verändert werden sollte. Aus der getroffenen Vereinbarung lasse sich hierzu nichts entnehmen. Dort sei nur eine Mieterhöhung alle vier Jahre, „wenn Index 4 % übersteigt“, vereinbart. Eine nähere Bezeichnung der Höhe der Mieterhöhung lasse sich hingegen nicht entnehmen.

Unwirksame Indexklausel kann nicht durch wirksame Klausel ersetzt werden, welche über den ursprünglichen Regelungsgehalt hinausgeht

Der hypothetische Parteiwille, also die Auslegung der Willenserklärungen der Parteien (s. §§ 133, 157 BGB), ist Grundlage der Ergänzung des Vertragsinhalts. Das heißt, es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung dürfe aber nicht im Widerspruch zum tatsächlichen Parteiwillen oder zum Vertragsinhalt stehen. Sie ist ausgeschlossen, wenn die Parteien über den (scheinbar) regelungsbedürftigen Punkt bewusst eine abschließende Regelung getroffen haben, so das OLG. Es verwirkliche sich damit das Risiko der Vertragspartei, die eine unwirksame Klausel vereinbart.

Das ist hier der Fall. Vereinbart war eine unwirksame Klausel, welche den Mieter unangemessen benachteiligte, indem sie nur eine Erhöhung, nicht aber auch eine Herabsetzung des Mietzinses zuließ. Die Tatsache, dass sich die Unwirksamkeit der Klausel herausgestellt hat, könne nicht dazu führen, dass die unwirksame Klausel im Wege einer Vertragsauslegung durch eine Klausel ersetzt wird, die über den ursprünglichen vertraglichen Regelungsgehalt hinausgehe. Die ergänzende Vertragsauslegung müsse sich immer innerhalb des Rahmens der getroffenen Vereinbarung bewegen. Hier gehe die neue Klausel jedoch in ihrem Inhalt weiter als die vereinbarte. Daher bestehe auch kein Anspruch gegen den Mieter auf Zustimmung zur Klausel, so das OLG.

Praxistipp – In Gewerberaummietverträgen müssen Mietanpassungen immer vertraglich geregelt werden

Mietende und Vermietende sollten beachten, dass es, anders als beim Wohnraum, für Gewerberaummietverträge keine gesetzlich vorgegebenen Mieterhöhungsmöglichkeiten für Vermietende gibt. Das heißt, wenn die Miete über die Mietzeit angepasst werden soll, muss dies immer vertraglich vereinbart werden. Vermietende sollten sich daher vor Vereinbarung rechtsanwaltlich beraten lassen, um nicht versehentlich eine unwirksame Klausel zu vereinbaren. Genauso kann es sich für Mietende lohnen, ihren Mietvertrag rechtsanwaltlich überprüfen zu lassen, wenn die Indexklausel unwirksam sein könnte.

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  1. Hier finden Sie einen Überblick über das Thema Indexmieterhöhung in der Gewerberaummiete.
  2. Weitere Beiträge bezüglich Indexmiete finden Sie hier.
  3. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.

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