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Wirksamkeit der Indexklausel im Übernahmevertrag

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Urteil // Landgericht Kiel // 3 O 28/21

Wenn die Parteien eines Mietvertrags mögliche Veränderungen der Miethöhe bereits im Mietvertrag festlegen möchten, haben sie die Möglichkeit, eine sogenannte Indexmiete zu vereinbaren. Danach steigt oder sinkt die Miethöhe mit den Verbraucherpreisen. Die Indexklausel muss allerdings bestimmten Voraussetzungen genügen, damit eine wirksame Vereinbarung vorliegt. Das gilt auch, wenn es zu einem Mieterwechsel kommt, bei dem der ursprüngliche Mietvertrag durch Übernahmevertrag bestehen bleibt. Was gilt also für die Wirksamkeit der Indexklausel im Übernahmevertrag? Das Landgericht Kiel hat zu dieser Frage entschieden.

Der Ausgangsstreit – Übernahme eines Untermietvertrags, Indexklausel bleibt bestehen

Die Vermieterin vermietete mit Untermietvertrag vom 02.10.2017 die von ihr ebenfalls durch Untermietvertrag gemieteten Gewerberäume. Mit Übernahmevertrag vom 12.06.2017 trat eine neue Untermieterin in das Mietverhältnis ein und der bisherige Untermieter schied aus. In dem Übernahmevertrag ist eine neue, um 200,00 € erhöhte Grundmiete vereinbart. Die Indexklausel aus dem ursprünglichen Untermietvertrag blieb bestehen. Das übernommene Mietverhältnis wurde für einen Zeitraum bis zum 31.06.2028 fest abgeschlossen. Die im Untermietvertrag vereinbarte Indexklausel sieht eine mögliche Anpassung vor, wenn sich der Indexstand um mindestens 10 % nach oben oder unten verändert.

Am 13.05.2020 sowie am 29.07.2020 machte die Vermieterin jeweils ein Mieterhöhungsverlangen geltend. Sie war der Meinung, dass der in der Indexklausel des Untermietvertrags vereinbarte Schwellenwert erstmals im Juli 2017 überschritten wurde und erklärte die Anpassung der Miete. Diese Indexanpassung in Höhe von 14,9 % berechnete sie auf Grundlage der Grundmiete aus dem Vertrag mit dem ehemaligen Untermieter.

Die Untermieterin widersprach dem Mieterhöhungsverlangen mit Schreiben vom 30.07.2020 und vom 15.09.2020. Die Indexklausel sei unwirksam, da sie gegen § 1 Abs. 1 Hs. 2 Preisklauselgesetz (PrKG) verstoße. Sie sei nicht hinreichend bestimmt und spätestens mit der Übernahmevereinbarung unwirksam geworden. Das automatische Vertragsende bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses stelle eine Umgehung der zehnjährigen Kündigungsausschlussfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 1 e) PrKG dar. Des Weiteren sei für die Überschreitung der 10 %-Schwelle auch eine falsche Grundmiete herangezogen worden. Es sei die ab dem Zeitpunkt der letzten Mieterhöhung, also die ab dem 12.06.2017 geltende Miete zugrunde zu legen.

Die Vermieterin wendete ein, dass die Untermieterin darauf hingewiesen worden sei, dass zeitnah eine Mietanpassung erfolgen würde. Zudem sei die Mietanpassung der Grundmiete in dem Übernahmevertrag nur zur Kompensation der erwünschten verlängerten Vertragslaufzeit erfolgt. Aus dem Vertrag ergebe sich, dass eine Mieterhöhung aufgrund der Indexklausel unabhängig von der bereits erhöhten Grundmiete erfolgen könne.

Wirksamkeit der Indexklausel im Übernahmevertrag

Die Entscheidung – Wirksamkeit der Indexklausel im Übernahmevertrag

Die Klage der Untermieterin ist zulässig und teilweise begründet, so das Landgericht. Die Berechnung des Mieterhöhungsverlangens vom 29.07.2020 sei fehlerhaft und für die Untermieterin nicht nachvollziehbar. Durch Vereinbarung einer um 200,00 € erhöhten Miete sei die Indexklausel im Übernahmevertrag modifiziert worden. Berechnungsgrundlage des Anpassungsverlangens hätte nunmehr die mit dem Übernahmevertrag neu vereinbarte Miethöhe sein müssen. Das sei auch durch § 5 Abs. 3 des Untermietvertrags gestützt, wonach Basis für jede weitere Mietanpassung die zuletzt gezahlte Miete ist. Aus dem Übernahmevertrag sowie der Information der Vermieterin, dass die Anpassung der Miete zeitnah erfolgen könnte, könne keine dahingehende Einigung der Parteien hergeleitet werden, dass für ein Erhöhungsverlangen die Grundmiete des Vormieters herangezogen werden sollte, so das Landgericht.

Das Landgericht ist zudem der Ansicht, dass die Ausführungen der Vermieterin, wonach die Erhöhung der Grundmiete um 200,00 € lediglich zur Abgeltung eines verlängerten Optionsrechts, also unabhängig von der Indexklausel vorgenommen wurde, nicht überzeugen. Die erhöhte Grundmiete sei schon vor der Bitte um ein verlängertes Optionsrecht thematisiert worden.

Die im Untermietvertrag vereinbarte Indexklausel bleibt auch im Übernahmevertrag wirksam bestehen

Die Indexklausel sei jedoch wirksam. Sie verstoße nicht gegen § 1 Abs. 1 PrKG, da es sich bei ihr um einen Ausnahmefall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 d) und e) PrKG handele:

„(1) Preisklauseln in Verträgen

1. über wiederkehrende Zahlungen, die zu erbringen sind […] d) für die Dauer von mindestens zehn Jahren, gerechnet vom Vertragsabschluss bis zur Fälligkeit der letzten Zahlung, oder
e) auf Grund von Verträgen, bei denen der Gläubier auf die Dauer von mindestens zehn Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet oder der Schuldner das Recht hat, die Vertragsdauer auf mindestens zehn Jahre zu verlängern,

sind zulässig, wenn der geschuldete Betrag durch die Änderung eines von dem Statistischen Bundesamt oder einem Statistischen Landesamt ermittelten Preisindexes für die Gesamtlebenshaltung […] bestimmt werden soll.“

Das sei hier der Fall. Der Mietvertrag ist mit einer Laufzeit von zehn Jahren bis zum 31.06.2028 fest abgeschlossen.

Die Tatsache, dass der Übernahmevertrag an das Bestehen des Hauptmietvertrags geknüpft ist, sei zudem keine Umgehung der Voraussetzung von zehn Jahren Festlaufzeit, so das Landgericht. Denn dabei handele es sich nur um einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung sei möglich, genauso wie Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, was vorliegend der Wegfall des Hauptmietvertrages wäre. Eine Fortführung des Mietverhältnisses wäre in diesen Fällen unzumutbar.

Der Übernahmevertrag führt nicht zu Unbestimmtheit der Indexklausel und damit zu deren Unwirksamkeit

Nach Ansicht des Landgerichts ist die Indexklausel auch hinreichend bestimmt. Der in der Klausel genannte Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts sei allgemein zugänglich und nachvollziehbar. Anpassungsvoraussetzungen, nämlich die Veränderung des Indexes um mehr als 10 % nach oben oder unten, seien erkennbar. Dass nicht zwischen Netto- und Bruttomiete unterschieden wurde, führe ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit der Klausel. Denn bleibe rechnerisch gleich, ob die prozentuale Veränderung auf die Nettomiete angerechnet wird oder auf die Bruttomiete.

Eine Unbestimmtheit der Indexklausel liege auch nicht durch den Übernahmevertrag vor, so das Landgericht. Die Indexklausel wurde eindeutig übernommen und die neue Miethöhe wurde unmittelbar danach genannt. Die neue Regelung sei demnach nur so zu verstehen, dass Grundlage weiterer Anpassungsverlangen nur diese neu vereinbarte Miete sein könne. Die Tatsache, dass die Vermieterin dies zunächst anders gesehen hat, ändere nichts an der Bestimmtheit der Klausel.

Keine Unangemessene Benachteiligung der Untermieterin durch die Indexklausel

Die Indexklausel würde die Mieterin schließlich auch nicht i.S.d. § 2 Abs. 3 PrKG unangemessen benachteiligen. Nach der Indexklausel sei sowohl eine Mieterhöhung als auch eine Mietsenkung möglich. Beide Parteien haben das Recht, eine Anpassung zu verlangen und die Indexklausel sehe auch keine im Vergleich zur Indexerhöhung überproportional steigende Miete vor.

Ob es sich bei der vorliegenden Indexklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handele, könne dahinstehen, denn auch aus den Regelungen für AGB, gemäß §§ 307 ff. BGB, ergebe sich keine Unwirksamkeit. Eine unangemessene Benachteiligung aufgrund eines Verstoßes gegen die Gebote von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, welche zur Unwirksamkeit der Indexklausel führen würde, sei nicht zu erkennen. Ebenso wenig sei der Vertragszweck, welcher im Erhalt eines langfristigen, wirtschaftlich sinnvollen Mietvertrags bestehe, gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sei nicht ersichtlich. Die Indexklausel sei klar und verständlich, Anpassungsvoraussetzungen, Bewertungsmaßstab und Anpassungszeitpunkt seien eindeutig bestimmt, so das Landgericht.

Praxistipp – Rechtsfolge einer Indexklausel kann umstritten sein

Wenn es sich bei einer Indexklausel um eine AGB handelt, welche sowohl nach § 8 PrKG als auch nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen greifen. Denn aufgrund von unangemessener Benachteiligung unwirksame AGB sind von Beginn an unwirksam. Mietende können hier nicht nur der Mieterhöhung widersprechen, sondern auch rückwirkend überzahlte Miete zurückverlangen. Dagegen müssen Mietende nach dem § 8 PrKG zunächst die Unwirksamkeit durch ein Gericht feststellen lassen und können erst ab dem Zeitpunkt der Feststellung die niedrigere Miete leisten. Welche Rechtsfolge in einem solchen Fall also eintritt, ist umstritten. Vermieden werden kann das Problem, indem Mietende bereits im Mietvertrag eine „frühere Unwirksamkeit“ vereinbaren.

Allgemein gilt, dass Mietende, welche vermuten, dass ihre Indexklausel unwirksam ist, sich stets von einem Rechtsanwalt beraten lassen sollten. Dieser kann die Indexklausel auf Unwirksamkeit prüfen und Mietende im Falle der Unwirksamkeit zum bestmöglichen Vorgehen beraten.

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  1. Eine Übersicht über das Thema Indexmieterhöhung in der Gewerberaummiete finden Sie hier.
  2. In diesem Beitrag haben wir das Wichtigste zur Indexmiete für Sie zusammengefasst.
  3. Was sind die Folgen einer unwirksamen Indexklausel? Hierzu hat das LG Berlin entschieden.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

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