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Überlassung eines Hotels an Geflüchtete

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Teilanerkenntnisurteil // Oberlandesgericht Celle // 2 U 148/24

Wird ein Hotel nicht mehr wie ursprünglich mietvertraglich vereinbart betrieben, sondern vollständig zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt, kann das rechtliche Konsequenzen für das Mietverhältnis nach sich ziehen. Doch wann ist eine solche Änderung der Nutzung noch zulässig und wann nicht mehr vom Vertrag gedeckt? Kann die Überlassung eines Hotels an Geflüchtete eine vertragswidrige Nutzung darstellen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt? Mit diesen Fragen hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Celle auseinanderzusetzen.

Der Ausgangsstreit – Kündigung wegen Überlassung eines Hotels an Geflüchtete

Die Parteien sind über einen Gewerberaummietvertrag vom 30.09.2008 miteinander verbunden. Darin ist vereinbart, dass die Räume ausschließlich „als Hotel der gehobenen Mittelklasse (Garni)“ genutzt werden dürfen. Im Zuge zweier Rechtsstreitigkeiten (2016 und 2022) schlossen die Parteien Nachträge zum Mietvertrag, mit denen die Laufzeit fest bis zum 31.12.2025 vereinbart wurde. Am 24.03.2022 schloss die Mieterin mit der Landeshauptstadt H. (LHH) eine Vereinbarung über die Beherbergung von Geflüchteten aus der Ukraine. Die Stadt buchte zeitweise sämtliche 79 Zimmer des Hotels.

Daraufhin mahnte die Vermieterin die Mieterin wegen der Unterbringung der Geflüchteten ab und forderte sie auf, die vertragswidrige Nutzung des Hotels spätestens bis zum 20.02.2023 zu beenden. Die Vermieterin kündigte die Mietverträge schließlich außerordentlich fristlos mit Schreiben vom 26.04.2023. Im Anschluss führten die Parteien Verhandlungen über einen Ankauf des Gebäudes durch die Mieterin. Zwar war im Frühjahr 2024 ein notarieller Kaufvertrag vorbereitet, der Termin wurde jedoch zwei Tage vor Beurkundung von der Mieterin abgesagt. Daraufhin erklärte die Vermieterin am 07.05.2024, sie werde ihren Anspruch auf Räumung und Herausgabe nunmehr gerichtlich durchsetzen.

Hinzu kamen Beanstandungen der Feuerwehr: Am 27.08.2024 kündigte diese einen Gebührenbescheid wegen Auslösung der Brandmeldeanlage durch angebranntes Essen an, nachdem zuvor bereits ein Einsatz wegen Kochdämpfen abgerechnet worden war.

Das Landgericht verurteilte die Mieterin zur Räumung und Herausgabe sowie zur Auskunft über sämtliche erfolgte Untervermietungen. Zudem wurde sie verurteilt, die Auskünfte durch Vorlage der einschlägigen Verträge, Bescheide und Kontoauszüge zu belegen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, die Vermieterin habe das Mietverhältnis wirksam außerordentlich gekündigt. Der Betrieb eines Hotels sei ausschließlich zu diesem Zweck vereinbart gewesen. Die Unterbringung von Geflüchteten stelle keine vertragsgemäße Hotelnutzung dar und rechtfertige daher die fristlose Kündigung.

Hiergegen legte die Mieterin Berufung ein. Sie machte geltend, die Beherbergung von Geflüchteten falle unter den vereinbarten Nutzungszweck Betrieb eines Hotels.

Überlassung eines Hotels an Geflüchtete

Die Entscheidung – Wann ist die Kündigung wegen der Überlassung eines Hotels an Geflüchtete zulässig?

Das OLG Celle hat das Urteil des Landgerichts teilweise korrigiert, im Ergebnis die Entscheidung aber bestätigt. Zwar weise das Urteil zahlreiche Verfahrensfehler auf, diese haben nach Ansicht des OLG jedoch keine durchgreifende Wirkung auf das Ergebnis. Die Räumungsklage sei zulässig und begründet, da die Vermieterin die streitgegenständlichen Mietverträge wirksam außerordentlich gekündigt habe.

Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Mietvertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein solcher Grund liegt nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn Mietende die Rechte der Vermietenden in erheblichem Maße verletzen, zum Beispiel durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Sorgfalt oder durch unbefugte Gebrauchsüberlassung an Dritte. Ein wichtiger Grund kann zudem insoweit vorliegen, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, s. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB.

Gebrauchsüberlassung ohne Zustimmung der Vermietenden ist unzulässig

Nach Ansicht des OLG war die Vermieterin sowohl nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB als auch nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt. Die Überlassung sämtlicher Hotelzimmer an die LHH zur Unterbringung von Geflüchteten überschreite den vertragsgemäßen Gebrauch. Das Mietobjekt sei zu einem völlig anderen Zweck genutzt worden: Die reguläre Hotelnutzung, charakterisiert durch eigenständige privatrechtliche Verträge mit den Gästen, einschließlich Rezeption, Frühstücksservice und Reinigung, wurde eingestellt. Stattdessen nutzten die Bewohner Küchenräume eigenständig. Die Nutzung als dauerhafter Wohnraum für Geflüchtete mit der damit verbundenen Eigengestaltung der Haushaltsführung unterscheide sich grundlegend vom Betrieb eines Hotels der gehobenen Mittelklasse. Es sei allgemein anerkannt, dass Überlassung von Hotelappartements zu Wohnzwecken dazu führe, dass ein Wohnraummietverhältnis vorliegt, so das OLG.

Darüber hinaus führe die dauerhafte Nutzung durch Geflüchtete zu höherer Beanspruchung und gesteigerter Schadensgefahr. Dies habe sich auch bereits anhand der Feuerwehreinsätze gezeigt. Der Mietvertrag sehe ausdrücklich eine „ausschließliche Nutzung als Hotel“ vor, wodurch ähnliche Nutzungen nicht gedeckt seien.

Weiter bestand keine Erlaubnis der Vermieterin für die Überlassung an einen Dritten, so das OLG. Die Vermieterin sei daher zur außerordentlich fristlosen Kündigung berechtigt gewesen.  Dass in dem Mietvertrag nur von vorheriger Zustimmung im Falle einer „Untervermietung“ die Rede ist, stehe dem hier nicht entgegen. Denn auch wenn es an einem Untermietvertrag in engerem Sinne fehle, sei das Interesse der Vermieterin, über Art und Umfang der Nutzung zu bestimmen, betroffen.

Zudem sei die Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich. Die Untervermietung sei laut Mietvertrag nur dann zulässig, wenn die Vermieterin vorher zustimmt, wobei Untervermietungen nur gegenüber solchen Untermietenden in Betracht kommen sollten, deren Insolvenz und Bonität außer Zweifel stehe und die bereit seien, gegenüber der Vermieterin die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Einhaltung aller Verpflichtungen der Hauptmieterin zu übernehmen. Eine bereits erteilte Erlaubnis für die Untervermietung bestand nicht, so das OLG. Vielmehr fehle es schon am Antrag der Mieterin für die erforderliche Erlaubnis. Außerdem hätte die Mieterin erkennen müssen, dass die eigenmächtige Nutzung des Hotels als Geflüchtetenunterkunft vertragswidrig war.

Auskunftsanspruch der Vermieterin über durch die Nutzung erzielte Einnahmen

Schließlich bestehe auch ein Auskunftsanspruch der Vermieterin über ab Rechtshängigkeit gezogener Nutzungen, so das OLG. Auf Grundlage von § 242 BGB bestehe ein solcher Anspruch immer dann, wenn zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis vorliegt und wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die Auskunft unschwer geben kann. Ein Abwicklungsverhältnis nach Kündigung des Mietvertrages stelle ein solches Rechtsverhältnis dar. Daraus folge, dass die Vermieterin in die Lage versetzt werden müsse, ihre möglichen Zahlungsansprüche, etwa auf Herausgabe von Mietzins oder Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB sowie auf Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen aus §§ 987, 990 BGB, konkret beziffern und durchsetzen zu können.

Die Mieterin war daher verpflichtet, Auskunft über die durch die weitere Nutzung des Hotels erzielten Einnahmen bzw. den gezogenen Gebrauchsvorteil zu erteilen. Ihre Bösgläubigkeit lag nach Auffassung des OLG darin, dass ihr hätte bewusst sein müssen, dass die eigenmächtige Nutzungsänderung eine Vertragsverletzung darstellte. Ein bloßer Rechtsirrtum beseitige die Bösgläubigkeit nicht. Neben deliktischen und schuldrechtlichen Ansprüchen kämen dabei auch bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 812 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB in Betracht: Wer die Sache über die vereinbarte Mietzeit hinaus nutzt, sei ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Vermieters bereichert und zur Herausgabe verpflichtet.

Das OLG stellt zugleich klar, dass der Auskunftsanspruch zeitlich begrenzt ist. Für den Zeitraum zwischen Wirksamwerden der Kündigung und dem Zugang des Schreibens der Vermieterin vom 07.05.2024, in dem diese erstmals ankündigte, ihre Räumungs- und Herausgabeansprüche nunmehr durchzusetzen, bestand kein Auskunftsanspruch. In dieser Phase verfügte die Mieterin noch über ein Besitzrecht, sodass die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch nicht erfüllt waren.

Praxistipp – Kein Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis in der Gewerbemiete

Anders als im Gewerbemietrecht war die Lage in einem vom Bundesgerichtshof (s. BGH, Urteil vom 02.02.2011 – VIII ZR 74/10) entschiedenen Fall zur Wohnraummiete. Dort enthielt der Mietvertrag eine Klausel, nach der der Mieterin das Recht zur Untervermietung grundsätzlich eingeräumt wurde: „Die Einwilligung zur Untervermietung wird erteilt. Bei einem Wechsel der Untermieter (…) ist die schriftliche Einwilligung des Vermieters erforderlich.“ Nach dieser Regelung musste die Mieterin bei einem Untermieterwechsel kein berechtigtes Interesse mehr darlegen, nachdem bereits nach ihrem Antrag auf und Erteilung der Einwilligung untervermietet wurde.

Im Gegensatz dazu haben Mietende von Gewerberäumen auch dann keinen Anspruch auf Erteilung einer Untermieterlaubnis, wenn kein Grund für eine Versagung vorliegt. Denn § 553 BGB gilt nur für Wohnraummietverhältnisse. Ein Anspruch könne, so das OLG, lediglich ausnahmsweise unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) angenommen werden, wobei allerdings große Zurückhaltung geboten ist.

In der Gewerberaummiete können Mietende, wenn ihnen die Erlaubnis zur Untervermietung nicht erteilt wird, das Mietverhältnis außerordentlich kündigen (§ 540 Abs. 1 S. 2 BGB). Dieses Kündigungsrecht kann nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden (s. BGH, Urteil vom 24.05.1995 – XII ZR 172/94).

Darüber hinaus gilt die Räumungsfrist des § 721 ZPO nicht für Gewerberaummietverhältnisse. Eine analoge Anwendung, wie sie im Wohnraummietrecht vorgesehen ist, scheidet laut OLG aus.

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  1. Mehr zum Thema Untervermietung finden Sie hier.
  2. Weitere Beiträge zum Gewerberaummietrecht finden Sie hier.
  3. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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