Fristlose Kündigung wegen Pflichtverletzungen
Mit Abschluss eines Mietvertrages verpflichten sich die Parteien gemäß § 535 BGB zur Einhaltung von vertraglichen und gesetzlichen Pflichten. Wenn nunmehr eine der Parteien ihre Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt, kann die jeweils andere sie zur Einhaltung auffordern und bei Nichteinhaltung Rechte und Ansprüche geltend machen. Insbesondere kann nach Abmahnung oder fruchtloser Fristsetzung ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bestehen. Unter welchen Voraussetzungen Vermietende ein Recht zur fristlosen Kündigung wegen Pflichtverletzungen haben, hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig entschieden.
Der Ausgangsstreit – Außerordentliche fristlose Kündigung wegen Pflichtverletzungen der Mieterin
Die Parteien waren über einen Mietvertrag für Gewerberäume miteinander verbunden. Das Mietverhältnis wurde Anfang 2019 für eine Laufzeit von 10 Jahren abgeschlossen. Die Vermieterin erwarb im Oktober 2022 die Immobilie und trat damit in das Mietverhältnis ein.
Die Vermieterin kündigte im März 2023 außerordentlich fristlos gemäß § 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2 BGB wegen verschiedener Pflichtverletzungen der Mieterin. Es liege eine Unterversicherung der Mieträume vor, außerdem sei eine nicht ausreichend dimensionierte Fettabluftanlage eingebaut und die Mieterin nutze nicht im Mietvertrag vorgesehene Flächen für ihre Außengastronomie. Schließlich erhob die Vermieterin Klage auf Räumung. Das Landgericht gab der Vermieterin recht und bejahte ein Recht zur fristlosen Kündigung aufgrund der Unterversicherung der Gewerberäume. Gegen das Urteil legte die Mieterin Berufung ein.
Die Entscheidung – Wann ist eine fristlose Kündigung durch die Vermietenden wegen Pflichtverletzungen Mietender möglich?
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, so das OLG. Das Landgericht habe die Mieterin zu Recht zur Räumung der Gewerberäume verurteilt. Zudem lägen weitere Pflichtverletzungen aus dem Mietverhältnis vor, welche bereits für sich genommen gemäß § 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2 BGB eine fristlose Kündigung des Mietvertrags rechtfertigen.
Ein wichtiger Grund zur Kündigung bei Pflichtverletzungen besteht nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei seien laut OLG alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie die Dauer des Vertragsverhältnisses, das bisherige Verhalten der Parteien, die Art, Dauer und Häufigkeit der Auswirkungen der Störung oder Pflichtverletzung, die Wiederholungsgefahr, die Verursachung und weitere.
Im vorliegenden Fall nutzte die Mieterin die Fläche vor der Gewerbeimmobilie für ihre Außengastronomie. Diese befinde sich laut OLG jedoch teilweise außerhalb der ursprünglich vertraglich vereinbarten Fläche. Die Mieterin habe diese Nutzung trotz Abmahnung weiter fortgesetzt. Der Umfang der Außengastronomie war geeignet, das Mietverhältnis erheblich zu stören. Die mietvertragliche Vereinbarung sah nur 8 Sitzplätze vor, tatsächlich betrieb die Mieterin aber 6 Tische und 12 Sitzbänke, einhergehend mit einem entsprechenden Betrieb an Publikum.
Des Weiteren habe die Mieterin die Mietsache mit einer nicht ausreichend dimensionierten Fettabluftanlage betrieben. Die Geräte der Mieterin erfordern eine Abluftmenge von 4500 qm/h, was die eingebaute Anlage aber nicht leisten könne, so das OLG. Laut Mietvertrag sei sie selbst für die Installation verantwortlich. Dass die Fettabluftanlage tatsächlich durch die vorherige Vermieterin installiert worden war, ändere nichts an dieser Verantwortung. Ein Entwurf eines Nachtrags zum Mietvertrag, nach dem die Vermieterin eine neue Anlage installieren sollte, wurde nicht abgeschlossen. Die Mieterin sei damit zu ordnungsgemäßer Installation verpflichtet gewesen. Die Vermieterin habe für das Verhalten der vorherigen Vermieterin nicht einzustehen, so das OLG.
Schließlich habe die Mieterin auch die erforderliche Haftpflichtversicherung für das Gewerbeobjekt in der erforderlichen Höhe nicht nachgewiesen. Dies wiege laut OLG umso schwerer, als mit der nicht gewarteten Fettabluftanlage eine erhebliche Brandgefahr einhergehend mit der Gefahr von Vermögensschäden bestehe. Trotz Aufforderungen der Vermieterin wurde von der Mieterin keine Abhilfe zur Installation einer ausreichend dimensionierten Fettabluftanlage geschaffen. Daraus folge Geruchsbelästigung sowie die Gefährdung anderer Mieter des Gebäudes durch Brandgefahr.
Keine Zumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung beiderseitiger Interessen
Das OLG musste noch entscheiden, ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter diesen Umständen noch zumutbar war. Hierzu stellt es zunächst fest, dass noch 2/3 der Mietzeit offen waren und dass ein beharrliches Nichteinhalten vertraglicher Verpflichtungen durch die Mieterin vorliege. Die Prognose für eine zukünftige Kooperation der Parteien sei daher ungünstig. Dies werde dadurch untermauert, dass die Mieterin weitere, in der Vergangenheit begangene Pflichtverstöße, eingeräumt habe, wie das Parken von vielen Lieferfahrzeugen auf den Stellplätzen vor der Immobilie.
Die Mieterin nutze die angemieteten Gewerberäume im Hinblick auf die Außengastronomie und den Lieferdienst maximal gewinnbringend aus und schrecke gleichzeitig vor mietvertraglichen Verpflichtungen wie Versicherungsprämien oder dem Einbau einer ausreichenden Fettabluftanlage sowie vor Umsatzeinschränkungen durch Einschränkung der Außengastronomie und des Lieferdienstes zurück, so das OLG. Dieses Verhalten führe zu einem nicht überbrückbaren Interessenkonflikt.
Die Kündigung führe zudem laut OLG nicht zur Existenzbedrohung der Mieterin. Die Fläche mache nur 30 % ihres Gesamtumsatzes aus, da sie über weitere Gastronomieflächen verfüge. Unter Berücksichtigung aller Umstände sowie beiderseitiger Interessen sei für die Vermieterin die Fortsetzung des Mietverhältnisses daher nicht zumutbar. Eine Räumungsfrist sei nicht zu gewähren, da § 721 ZPO nur auf die Wohnraummiete anzuwenden sei.
Praxistipp – Lassen Sie sich rechtsanwaltlich beraten, um eine unwirksame Kündigung zu vermeiden
Auch Mietende können wegen Pflichtverletzungen der Vermietenden außerordentlich fristlos kündigen. Beispielsweise, wenn diese bei einem erheblichen Mangel des Mietsache trotz Abmahnung oder Fristsetzung den Mangel nicht beseitigen. So ist die außerordentlich fristlose Kündigung für beide Seiten eine Möglichkeit, sich vorzeitig von einem Mietvertrag zu lösen.
Um eine unwirksame Kündigung zu vermeiden, sollten sich sowohl Mietende als auch Vermietende allerdings stets rechtsanwaltlich beraten lassen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Die Bewertung, wann ein solcher „wichtiger Grund“ vorliegt, ist dabei nicht immer einfach zu beurteilen.
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