Indexklausel im Gewerbemietvertrag von Anfang an unwirksam
Die rechtlichen Folgen einer unwirksamen Indexklausel hängen maßgeblich davon ab, auf welcher Grundlage die Unwirksamkeit festgestellt wird. Es gibt hier zwei Alternativen. Während das Preisklauselgesetz (PrKG) eine Unwirksamkeit meist erst ab rechtskräftiger Entscheidung (ex nunc) vorsieht, erfolgt die Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB rückwirkend von Beginn an (ex tunc). Dies ist wirtschaftlich aber ein erheblicher Unterschied. Bei einer Unwirksamkeit von Beginn an, können Mietende bis zur Verjährungsgrenze die seit Mietbeginn zu viel geleistete Miete zurückfordern. Im Falle einer Wirksamkeit erst ab rechtskräftiger Entscheidung muss zunächst das – eventuell langwierige – Gerichtsverfahren abgewartet werden, bis die Miete für die Zukunft angepasst wird.
Wann ist also eine Indexklausel im Gewerbemietvertrag von Anfang an unwirksam? In der Rechtsprechung ist diese Frage umstritten. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, hat sich nun positioniert.
Der Ausgangsstreit – Indexklausel im Gewerbemietvertrag
Die Parteien sind über einen auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag für Gewerberäume mit Mietbeginn am 01.09.2019 miteinander verbunden. Darin ist vereinbart, dass die Miethöhe in den ersten 24 Monaten unverändert bleibt. Nach Ablauf dieser Frist sollen Mieterhöhungen auf Grundlage der im Vertrag enthaltenen Indexklausel erfolgen. Diese besagt: „Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex für Deutschland – VPI gegenüber dem für Mai 2017 veröffentlichten Index, so ändert sich automatisch die Miete im gleichen Verhältnis.“
Nachdem die Vermieterin die Miete erhöhte, klagte die Mieterin auf Feststellung, dass die Indexklausel von Anfang an unwirksam sei.
Das Landgericht stellte die Unwirksamkeit der Indexklausel wegen unangemessener Benachteiligung der Mieterin von Anfang an fest. Es verurteilte die Vermieterin daher zur Rückzahlung der Beträge, die die Mieterin aufgrund der Mieterhöhungsverlangen über die vereinbarte Miete hinaus gezahlt hatte. Bei der Indexklausel handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB). Sie sei vorformuliert, auch wenn sie hinsichtlich einzelner Punkte unvollständig gewesen sei, da die Vermieterin die Art und Weise der Lückenfüllung einseitig festgelegt habe.
Die Vermieterin legte dagegen Berufung ein.
Die Entscheidung – Wann ist eine Indexklausel im Gewerbemietvertrag von Anfang an unwirksam?
Die Berufung der Vermieterin ist unbegründet so das OLG. Denn die Klage der Mieterin auf Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel von Beginn des Mietverhältnisses an sei begründet. Während sich im Wohnraummietrecht die Zulässigkeit einer Indexklausel nach § 557b BGB richtet, unterliegen Indexklauseln in Gewerbemietverträgen den Vorgaben des PrKG. Nach § 8 PrKG tritt die Unwirksamkeit einer gegen das PrKG verstoßenden Klausel, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, grundsätzlich erst ex nunc, also ab rechtskräftiger Feststellung, ein. Zentrale Frage des Rechtsstreits war, ob eine als AGB vereinbarte Indexklausel in einem Gewerberaummietvertrag zusätzlich der AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegt. Mit der Folge einer möglichen Unwirksamkeit ex tunc, also rückwirkend. Diese Frage ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden und in Literatur und Instanzrechtsprechung umstritten.
Das OLG bejaht eine doppelte Kontrolle. Aus allgemeinen Erwägungen in bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) lasse sich ableiten, dass Indexklauseln nicht nur am PrKG, sondern auch am Maßstab des § 307 BGB zu messen seien. Die Wirksamkeit nach dem PrKG lasse keine Aussage über eine AGB-rechtliche Zulässigkeit zu und umgekehrt.
Kein Anwendungsvorrang des PrKG gegenüber § 307 BGB
In Betracht kommt jedoch ein Vorrang von §§ 2, 8 PrKG vor einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB, wodurch keine rückwirkende Unwirksamkeit angenommen werden könnte. Dafür spricht, dass das PrKG nur solche Preisklauseln erlaubt, die hinreichend bestimmt sind und keine unangemessene Benachteiligung der Vertragsparteien bewirken. Beide Regelwerke prüfen insofern vergleichbare Tatbestände, Bestimmtheit und Angemessenheit.
Das OLG lehnt jedoch die Annahme eines Anwendungsvorrangs der §§ 2, 8 PrKG als lex specialis gegenüber § 307 BGB ab. Eine nach dem PrKG wirksame Klausel sei nicht automatisch auch im Rahmen der AGB-Kontrolle unbedenklich. Der Prüfungsmaßstab sei nicht identisch, sondern richte sich nach den unterschiedlichen Zielrichtungen der Normen. Während das PrKG dem öffentlichen Interesse am Schutz vor inflationären Tendenzen dient, verfolgt § 307 BGB das Ziel, unter angemessener Berücksichtigung beiderseitiger Interessen ein ausgewogenes Vertragsverhältnis herzustellen. Die Überschneidungen zwischen den Regelungsbereichen ändern daran nichts. Auch die Gesetzesmaterialien geben laut OLG keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass des PrKG die Inhaltskontrolle nach dem BGB einschränken wollte.
Das OLG stellt daher klar: Preisklauseln im Sinne von § 3 PrKG unterliegen sowohl einer Kontrolle nach § 2 PrKG als auch einer solchen nach § 307 BGB. Die parallele Anwendung beider Normen sei nicht nur zulässig, sondern geboten.
Auch der Zweck des § 8 PrKG, die Vermeidung der mit einer Rückabwicklung verbundenen Rechtsunsicherheit, rechtfertige keine Abkehr von der AGB-Kontrolle mit ex-tunc-Wirkung. Eine Rückabwicklung sei in diesen Fällen rechtlich und rechnerisch zumutbar. Die Rückforderung zu viel gezahlter Miete aufgrund einer unwirksamen Indexklausel sei mit keinen unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden. § 8 PrKG habe zudem nie die Funktion gehabt, eine nach § 307 BGB unwirksame Klausel schwebend wirksam zu lassen, so das OLG. Eine Indexklausel in einem Gewerbemietvertrag könne daher von Anfang an unwirksam sein, wenn sie sowohl gegen das PrKG als auch gegen § 307 BGB verstößt.
Auch eine mit Lücken vorformulierte Klausel kann eine AGB sein – Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung
Nach Ansicht des OLG handelt es sich bei der streitgegenständlichen Indexklausel auch um eine AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB und nicht um eine individualvertragliche Vereinbarung. Auch eine als Lückentext ausgestaltete Klausel könne vorformuliert sein, wenn die Art und Weise der Lückenfüllung vom Verwender vorgegeben wurde. Dies sei hier der Fall: Die verbleibende Ergänzung, nämlich die Festlegung auf den Monat September 2019 als Ausgangswert für die Indexierung, habe sich lediglich auf den bereits an anderer Stelle vereinbarten Mietbeginn bezogen. Damit erfolgte die Ergänzung ohne echte Wahl- oder Einflussmöglichkeit der Mieterin.
Das OLG bestätigt zudem die Entscheidung des Landgerichts, wonach die Klausel gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt und daher unwirksam sei. Eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich bereits daraus, dass als Ausgangspunkt für die Indexentwicklung der Mai 2017 festgelegt wurde. Also ein Zeitpunkt, der mehr als zwei Jahre vor dem Mietbeginn am 01.09.2019 liegt. Eine ab diesem Zeitpunkt eingetretene Inflation belaste die Mieterin, ohne dass sie in dieser Zeit eine entsprechende Gegenleistung erhalten hätte.
Zudem sei ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gegeben, so das OLG. Die Regelung sieht vor, dass sich die Miete bei einer Veränderung des Verbraucherpreisindex „automatisch“ ändern soll. Gleichzeitig wurde aber bestimmt, dass die Änderung ab dem Folgemonat und nach schriftlicher Aufforderung durch die Vermieterin wirksam wird. Dieser Widerspruch lasse offen, ob und wann tatsächlich eine Zahlungspflicht zu einem erhöhten Mietzins entstehen soll. Es fehle an einer klaren Darstellung. Auch das Argument, die Klausel lasse sich durch Auslegung hinreichend klar verstehen, überzeugt das OLG nicht. Maßgeblich sei, dass für die erste Mietanpassung ein Indexstand vor Vertragsbeginn angesetzt werde, während zugleich unklar bleibe, welcher Indexwert bei späteren Anpassungen als Referenz dienen solle. Diese Unsicherheit genüge für die Annahme der Intransparenz.
Der Mietvertrag bleibt trotz Unwirksamkeit der Klausel im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel kommt nicht in Betracht, § 306 Abs. 2 BGB. Aufgrund der Unwirksamkeit der Indexklausel von Anfang an schulde die Mieterin keine erhöhten Mietzahlungen, so das OLG. Die Vermieterin sei daher gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zur Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge verpflichtet.
Praxistipp – Verhältnis von § 8 PrKG und § 307 Abs. 1 BGB bleibt umstritten
Das OLG vertritt im vorliegenden Fall die Auffassung, dass bei als AGB vereinbarten Indexklauseln, die sowohl gegen das PrKG als auch gegen § 307 BGB verstoßen, die Unwirksamkeit ex tunc eintritt, also von Anfang an. Eine Unwirksamkeit nach dem PrKG könne bei gleichzeitiger Unwirksamkeit nach dem § 307 BGB nicht dazu führen, dass die Klausel zunächst schwebend wirksam ist, bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung. Diese Frage ist jedoch weiterhin nicht höchstrichterlich geklärt und bleibt in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Mietende sollten daher weiterhin so früh wie möglich ihre Rechte aufgrund einer unwirksamen Mietindexklausel verfolgen. Und zwar bis zu einer endgültigen Entscheidung durch den BGH. Bis dahin ist es weiterhin möglich, dass die Unwirksamkeit erst durch rechtskräftigte Entscheidung eintritt.
Vermietende sollten darauf achten, Indexklauseln so zu formulieren, dass diese nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen. Im vorliegenden Fall hätte die Vermieterin laut OLG entweder eine Formulierung wählen sollen, aus der deutlich wird, dass zu der Änderung des Wertmaßstabes noch das Aufforderungsschreiben hinzukommen muss und dass dann gerade die Änderung nicht automatisch eintritt, oder eine Formulierung, aus der deutlich wird, dass die Mieterhöhung automatisch eintritt, die Mieterin aber erst nach einem Aufforderungsschreiben in Verzug gerät.
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- In diesem Beitrag finden Sie einen Überblick über das Thema Indexmiete.
- Genaueres zur Indexmieterhöhung in der Gewerberaummiete finden Sie hier.
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