Kein Kündigungsrecht Vermietender bei eigenen Pflichtverletzungen
Wenn Mietende mit der Zahlung der Miete im Rückstand sind oder diese wiederholt unpünktlich zahlen, steht den Vermietenden unter Umständen das Recht zur außerordentlichen fristlosen oder ordentlichen Kündigung zu. Ob ein solches Kündigungsrecht besteht, kommt allerdings auf den Einzelfall an und muss im Rahmen einer Gesamtabwägung entschieden werden. Dabei werden auch eigene Pflichtverletzungen Vermietender berücksichtigt. Wann besteht also kein Kündigungsrecht Vermietender bei eigenen Pflichtverletzungen? Hierzu hat das Amtsgericht Nürtingen entschieden.
Der Ausgangsstreit – Vermieterin kündigt Mietvertrag wegen unpünktlichen Mietzahlungen
Die Parteien sind über einen Mietvertrag für eine Wohnung vom 03.06.2013 miteinander verbunden. In § 3 Mietvertrag ist vereinbart, dass Miete und Nebenkosten spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats zu zahlen sind.
Der Mieter zahlte die Miete ab September 2020 immer wieder einige Tage verspätet. Daraufhin mahnte ihn die Vermieterin mit Schreiben vom 25.10.2021 ab. Dabei gab sie den Hinweis, dass im Wiederholungsfall ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung besteht. Auch nach der Abmahnung zahlte der Mieter die Miete wiederholt unpünktlich. Außerdem hatte er bereits in der Vergangenheit häufig Mietzahlungen unter dem Vorbehalt der Minderung gezahlt, wegen Ausfällen der Heizung in den Wintermonaten.
Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis am 07.02.2023 außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich wegen wiederholten unpünktlichen Mietzahlungen. Einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses über den Beendigungszeitraum hinaus widersprach sie gemäß § 545 BGB ausdrücklich. Die Miete für März 2023 zahlte der Mieter erst am 07.03.2023. Am 10.03.2023 kündigte die Vermieterin erneut außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Am 17.03.2023 erhielt der Mieter einen Wohngeldbescheid mit dem ihm rückwirkend ab dem 01.01.2023 Wohngeld bewilligt wurde. Ab diesem Zeitpunkt erfolgten seine Mietzahlungen stets pünktlich.
Die Vermieterin klagte schließlich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung durch den Mieter.
Die Entscheidung – Wann besteht kein Kündigungsrecht Vermietender bei eigenen Pflichtverletzungen?
Die Klage ist unbegründet, so das Amtsgericht Nürtingen. Mietende sind zwar verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Vorliegend sei das Mietverhältnis aber nicht beendet worden. Denn laut Amtsgericht liegt keine wirksame Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages vor.
Keine wirksame Kündigung wegen Zahlungsverzug gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB
Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein solcher wichtiger Grund besteht, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Vorliegend fehle es aber an diesem wichtigen Grund der Vermieterin, so das Amtsgericht. Der Mieter befand sich zwar für mehrere aufeinanderfolgende Termine mit der Errichtung der Miete im Verzug und es bedürfe hier nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB auch keiner Abmahnung. Die Kündigung sei jedoch ausgeschlossen, da die Vermieterin vorher befriedigt wurde (vgl. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Miete wurde verspätet aber unstreitig vollständig gezahlt. Es liege keine wirksame außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug vor.
Keine wirksame Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlungen gem. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB
Des Weiteren wurde das Mietverhältnis auch nicht durch eine Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlungen beendet, so das Amtsgericht. Zwar könne es sich bei wiederholten unpünktlichen Mietzahlungen um einen sonstigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB handeln (s. BGH, Urteil vom 01.06.2011 – VIII ZR 91/10). Allerdings ergebe die Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen sowie die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung eines Verschuldens der Vertragsparteien vorliegend, dass eine fristlose Kündigung nicht zulässig war.
Es fehle an der Erheblichkeit der Pflichtverletzungen des Mieters. Schließlich erfolgten die Mietzahlungen nur mit geringfügigen Verspätungen um wenige Tage und es bestanden nie große Rückstände über einen längeren Zeitraum. Zudem sei die Miete vollständig eingegangen, obwohl dem Mieter ein Recht zur Minderung zugestanden hätte.
Außerdem habe der Mieter vorgetragen, seinen Lohn immer erst Mitte des Monats zu bekommen und den Wohngeldbescheid erst am 17.03.2023 bewilligt bekommen zu haben. Zwar haben Mietende fehlende oder unpünktliche Mietzahlungen wegen Zahlungsunfähigkeit stets zu verschulden. Dennoch sei das Vorbringen des Mieters laut Amtsgericht im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Der Wohngeldbescheid sei ein Indiz, dass pünktliche Mietzahlungen für die Zukunft sichergestellt sein werden. Dies werde dadurch untermauert, dass der Mieter nach Bewilligung des Wohngelds stets pünktlich und vollständig gezahlt habe.
In die Gesamtabwägung einbezogen werden müsse zudem, dass die Vermieterin wiederholt eklatant gegen ihre mietvertraglichen Pflichten verstoßen habe. So kam es zu einem wiederholten vollständigen Ausfall der Heizung in den Wintermonaten, da die Vermieterin den Heizöltank nicht befüllt hatte. Weil sie auf Aufforderungen zur Mängelbeseitigung nicht reagierte, hat der Mieter gemeinsam mit Mitmietern den Heizöltank auf eigene Kosten, die ihnen nicht erstattet worden sind, selbst befüllt. Außerdem hat die Vermieterin trotz Aufforderung jahrelang keine Nebenkostenabrechnungen erstellt sowie keinen Nachweis über die Kaution vorgelegt. Aus diesem Grund verstoße es hier gemäß § 242 BGB gegen Treu und Glauben, sich auf geringfügig verspätete Mietzahlungen zu berufen, so das Amtsgericht.
Keine wirksame ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB
Schließlich liege auch keine wirksame ordentliche Kündigung vom 07.03.2023 sowie vom 10.03.2023 vor.
Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB können Vermietende nur kündigen, wenn sie ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben. Ein solches berechtigtes Interesse besteht, wenn Mietende ihre vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt haben. Die Heilung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gilt für die ordentliche Kündigung nicht zwangsläufig.
Vorliegend hat der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt. Denn einen Mangel an Geld haben Mietende stets zu vertreten, auch ohne Verschulden. „Geld hat man zu haben“ (s. BGH, Urteil vom 04.02.2015, VIII ZR 175/14). Da schon in § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB kein Verschulden verlangt wird, muss ein unverschuldeter Rückstand mit den Mietzahlungen erst recht unter den weniger engen § 573 BGB fallen. Die Pflichtverletzung des Mieters muss zudem erheblich sein. Sofern der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt, ist die Erheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel nicht überschritten. Wiederholte unpünktliche Mietzahlungen können jedoch grundsätzlich als gewichtige weitere Umstände die Erheblichkeit der Pflichtverletzung begründen.
Allerdings ist auch bei § 573 BGB eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Interesse der Vermietenden muss von einigem Gewicht sein und das Interesse der Mietenden an der Beibehaltung ihres Lebensmittelpunkts überwiegen.
Die Gesamtabwägung ergibt laut Amtsgericht, dass das Mietverhältnis nicht ordentlich beendet wurde. Es lag kein Mietrückstand über einen längeren Zeitraum vor und die Vermieterin habe nicht vorgetragen, auf den pünktlichen Mieteingang in besonderem Maße angewiesen gewesen zu sein. Zudem habe die Vermieterin selbst erheblich gegen Pflichten verstoßen und der Mieter habe sein Recht zur Minderung bisher nicht geltend gemacht. Weiter besteht ein geminderter Grad des Verschuldens beim Mieter, da die Wohngeldbewilligung auf sich warten ließ und er seinen Lohn immer erst Mitte des Monats erhält. Die Kündigungen der Vermieterin verstoßen gegen Treu und Glauben und seien folglich nicht wirksam.
Praxistipp – Mietrückstände so schnell wie möglich ausgleichen
Grundsätzlich sollten Mietende Mietrückstände unbedingt ausgleichen, bevor die Kündigung erklärt wird (§ 543 Abs. 2 S. 2 BGB) oder nach Zugang der Kündigung prüfen, ob eine Aufrechnung in einer Höhe möglich ist, die den Rückstand vollständig ausgleicht. Diese muss schnellstmöglich erklärt werden (§ 543 Abs. 2 S. 3 BGB).
Vermietende sollten vor einer Kündigung immer auch das eigene Verhalten kritisch prüfen. Eigene Vertragsverletzungen sind bei der Abwägung, ob die Pflichtverletzung hinreichend schwer für eine Kündigung war, zu berücksichtigen (s. BGH, Urteil vom 04.06.2014 – VIII ZR 289/13).
– – –
- Weitere Informationen zum Thema Kündigung wegen Zahlungsverzug finden Sie hier.
- Was tun bei einer Kündigung wegen Mietschulden? In diesem Beitrag finden Mietende nützliche Tipps.
- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.
Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.