Legionellenbefall als Mangel
Legionellen im Trinkwasser sorgen immer wieder für Unsicherheit und damit auch zu Streit vor den Gerichten, wenn die Mietenden auf Grund dessen die Miete mindern. Doch wann liegt bei einem Legionellenbefall tatsächlich ein Mangel vor, der ein Recht zur Minderung begründet? Reicht schon der bloße Nachweis von Legionellen oder kommt es auf bestimmte Belastungswerte und konkrete Nutzungseinschränkungen an? Mit diesen Fragen hatte sich das Landgericht (LG) Dresden zu befassen.
Der Ausgangsstreit – Mieter mindert Miete wegen Legionellenbefalls in seiner Wohnung
Die Parteien waren über einen Mietvertrag vom 04./10.07.2018 für eine Wohnung miteinander verbunden. Im April 2019 wurde aufgrund eines Legionellenbefalls ein Duschverbot ausgesprochen, das jedoch im Juni 2019 wieder aufgehoben wurde, nachdem keine Legionellenkonzentration oberhalb von 10.000 KbE/100 ml mehr festgestellt worden war.
Von Juni bis Dezember 2020 geriet der Mieter mit Teilen der Miete in Rückstand. Er berief sich darauf, zur Minderung berechtigt zu sein, da ein Legionellenbefall vorgelegen habe. Die Vermieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 18.05.2022 fristlos und hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzugs und klagte auf Räumung sowie Zahlung rückständiger Mieten. Sie vertritt die Auffassung, ein Minderungsrecht bestehe nicht, da seit Mai 2019 keine erheblichen Belastungen mehr festgestellt worden seien. Das bloße Vorhandensein von Legionellen ohne konkrete Gesundheitsgefährdung begründe keinen Mangel.
Das Amtsgericht (AG) Dresden verurteilte den Mieter zur Räumung sowie zur Zahlung der Mietrückstände. Der Mieter sei mit mehr als zwei Monatsmieten im Verzug gewesen und hatte auch kein Recht zur Minderung. Gegen dieses Urteil legte der Mieter Berufung ein.
Die Entscheidung – Wann gilt ein Legionellenbefall als Mangel, der ein Recht zur Minderung begründet?
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, so das LG Dresden. Das Mietverhältnis sei durch die fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB wirksam beendet worden, da sich der Mieter mit Mieten in Höhe von insgesamt 2.832,85 € und damit mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug befunden habe. Ein Minderungsrecht gemäß § 536 BGB habe nicht bestanden. Es lag weder eine Nutzungsbeeinträchtigung der Mietsache noch eine Gesundheitsgefährdung des Mieters vor.
Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen enthalte grundsätzlich jedes Trinkwasser Legionellen. Die Trinkwasserverordnung sehe insoweit keine Grenzwerte, sondern sogenannte „technische Maßnahmenwerte“ vor. Ab einer Legionellenbelastung von 100 KbE/100 ml müsse der Betreiber zwar Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ergreifen und eine Gefährdungsanalyse durchführen. Dies beinhalte auch Maßnahmen zur Überprüfung der Anlage und Abstellung der gegebenenfalls vorhandenen Mängel, welche ein Legionellenwachstum förderten. Bei einer solchen „mittleren Kontamination“ sei eine mittelfristige Sanierung erforderlich. Das heißt, innerhalb von maximal einem Jahr seien weitergehende Untersuchungen durchzuführen. Eine Nutzungseinschränkung liege jedoch erst ab einer Belastung von 10.000 KbE/100 ml vor. Erst ab dieser Belastung seien ein Duschverbot von den Vermietenden auszusprechen, das Gesundheitsamt zu informieren und weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Im hier maßgeblichen Zeitraum von Juni 2020 bis August 2021 sei keine Belastung über diesem Wert festgestellt worden. Bereits im Jahr 2019 war die zuvor erhöhte Legionellenkonzentration nach entsprechenden Maßnahmen wieder unter diesen Schwellenwert gesenkt worden. Eine Gesundheitsgefährdung oder Nutzungsbeeinträchtigung der Mietsache habe daher nicht bestanden, so das LG.
Bei der Anwendung des § 536 BGB sei zudem ein objektiver, überindividueller Maßstab anzulegen. Die Vorschrift knüpfe an die Mangelhaftigkeit des Mietobjekts an. Wann ein Mangel vorliegt, bestimme sich durch eine am Vertragszweck orientierte Auslegung, bei der die Interessen der Vertragsparteien und die Verkehrssitte sowie die gesamten Umstände des Mietverhältnisses, insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung maßgeblich seien. Es komme laut LG nicht auf die subjektive Empfindlichkeit oder auf gesundheitliche Besonderheiten einzelner Mietender an. Vielmehr sei ein allgemeiner Maßstab auf einen Durchschnittsnutzer anzulegen, dessen gesundheitliche Reaktionen sich im Rahmen des Erwartbaren halten. Nach diesem Maßstab ergaben sich weder aus der Trinkwasserverordnung noch aus dem vom Sachverständigen herangezogenen Regelwerk Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung. Ein Minderungsrecht bestand daher nicht.
Praxistipp – Miete unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen
Mietende, die einen Mangel vermuten, sollten die Miete nicht vorschnell mindern. Stattdessen empfiehlt es sich, die Miete zunächst in voller Höhe weiterzuzahlen und den Vermietenden mitzuteilen, dass die Zahlung „in Höhe einer angemessenen Minderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung“ erfolgt. Denn die Höhe einer Minderung und ob überhaupt ein Minderungsrecht besteht, ist für Laien schwer einzuschätzen.
Wie der Fall zeigt, kann eine unberechtigte Minderung schnell zu erheblichen Mietrückständen und letztlich zur fristlosen Kündigung führen. Lassen Sie sich daher vor einer Minderung stets rechtlich beraten. Insbesondere dann, wenn unklar ist, ob tatsächlich eine erhebliche Gesundheitsgefährdung oder Nutzungseinschränkung vorliegt.
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- Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil vom 17.06.2021 entschieden, dass bereits bei begründetem Verdacht einer Gefahr durch Legionellen ein Recht zur Minderung besteht.
- Weitere Beiträge zum Thema Legionellen finden Sie hier.
- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
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