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Mieterwechsel erfordert Zustimmung aller Vertragsparteien

  • RA Daryai
  • Mieten Urteile, Wohnraummietrecht Urteile
Urteil // Landgericht Berlin II // 63 S 156/24

Bei Mietverträgen mit mehreren Vertragspartnern stellt sich häufig die Frage, unter welchen Voraussetzungen einzelne Mietende aus dem Vertrag ausscheiden können, ohne dass das Mietverhältnis für die übrigen Mietenden oder die Vermietenden beeinträchtigt wird. Erfordert also ein Mieterwechsel stets die Zustimmung aller Vertragsparteien? Und kann der Wechsel der Vertragsparteien auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erfolgen? Zu diesen Fragen hatte das Landgericht (LG) Berlin zu entscheiden.

Der Ausgangsstreit – Mieter klagt auf Feststellung, dass er noch Mieter der Wohnung sei

Die Parteien, also der Mieter und seine Mitmieterin auf Mieterseite sowie die Vermieterin, waren über einen Mietvertrag für eine Wohnung vom 29.08.1984 miteinander verbunden. Seit 1988 richteten sich alle Mieterhöhungsverlangen der Vermieterin ausschließlich an die Mitmieterin, die diese auch jeweils unterzeichnete. Weder in einem Zustimmungsverfahren vor dem Amtsgericht Schöneberg im Jahr 1996 noch in späterer Korrespondenz mit der Vermieterseite erwähnte sie den Mieter.

In einem späteren Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Schöneberg im Zusammenhang mit einem weiteren Mieterhöhungsverlangen vom 29.07.2019 berief sich die Mitmieterin darauf, nicht alleinige Mieterin zu sein. Das Amtsgericht nahm daraufhin an, der Mieter sei konkludent aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, da er seit mehr als 30 Jahren nicht mehr in der Wohnung lebte, keine Zahlungen leistete und sich nie irgendwie zu dem Mietverhältnis verhielt. Die Mitmieterin wurde im Berufungsverfahren zur Zustimmung zur Mieterhöhung verurteilt, da eine konkludente Einigung über das Ausscheiden des Mieters aus dem Mietvertrag vorliege.

Der Mieter klagte nun auf Feststellung, dass er weiterhin Mieter der Wohnung sei. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Mieter sei konkludent aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, da er über Jahrzehnte die Korrespondenz zwischen Mitmieterin und Vermieterin hingenommen habe. Gegen dieses Urteil legte der Mieter Berufung ein und machte geltend, dass seine Entlassung aus dem Mietverhältnis nur im allseitigen Einvernehmen möglich sei.

Mieterwechsel erfordert Zustimmung aller Vertragsparteien

Die Entscheidung – Erfordert Mieterwechsel die (konkludente) Zustimmung aller Vertragsparteien?

Die zulässige Berufung ist begründet, so das LG Berlin. Der Mieter sei weiterhin Vertragspartner des Mietverhältnisses.

Gemäß § 542 BGB enden Mietverhältnisse grundsätzlich durch Kündigung oder Zeitablauf. Daneben besteht die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung in Form einer Mietaufhebungsvereinbarung. Sind jedoch auf Mieter- oder Vermieterseite mehrere Personen Vertragspartei, so müssen alle Beteiligten an einer solchen Vereinbarung mitwirken. Soll eine Person ausscheiden und das Mietverhältnis mit den übrigen fortgesetzt werden, bedarf es daher der Zustimmung sämtlicher ursprünglicher Vertragspartner. Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses, der auch dann gilt, wenn einzelne Mietende die Wohnung nicht (mehr) nutzen oder nie bewohnt haben.

Ein Mietaufhebungsvertrag kann zwar auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen, muss also nicht ausdrücklich erfolgen. Voraussetzung ist aber, dass ein entsprechender Wille aller Beteiligten mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt und kein Zweifel an einer Einigung besteht. Daran fehle es laut LG hier. Der Mieter habe zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent erklärt, aus dem Mietverhältnis ausscheiden zu wollen. Auch sein Verhalten könne nicht als konkludente Zustimmung zu seiner Entlassung gewertet werden.

Es komme laut LG nicht darauf an, ob der Mieter tatsächlich in der Wohnung gewohnt hat oder schon vor Jahrzehnten ausgezogen ist. Mietende seien grundsätzlich nicht verpflichtet, die gemietete Wohnung selbst zu bewohnen oder dort ihren Lebensmittelpunkt zu begründen. Beispielsweise werden vielfach Eltern als Mitmietende ihrer sich in Ausbildung befindlichen Kinder verpflichtet. Die Tatsache, dass der Mieter seit 1988 nicht mehr in der Wohnung wohnte, könne nicht als konkludente Erklärung des Wunsches auf Entlassung aus dem Mietverhältnis gewertet werden, so das LG.

Keine Entlassung wegen Duldung des Schriftverkehrs zwischen Mitmieterin und Vermieterin

Dass der Schriftverkehr über Jahrzehnte ausschließlich zwischen der Vermieterin und der Mitmieterin geführt wurde, lasse ebenfalls keinen Rückschluss auf einen Willen des Mieters auf Entlassung aus dem Mietverhältnis zu. Es sei nicht dargelegt, dass der Mieter hiervon überhaupt Kenntnis hatte. Der Mieter könne kein Verhalten geduldet haben, von dem er nichts wusste, so das LG. Auch eine Pflicht seinerseits zu aktivem Nachforschen bestehe nicht. Zudem sei ebenfalls möglich, dass der Mieter die Zustimmungserklärungen sehr wohl kannte und billigte, solange nicht der Bestand des Mietverhältnisses durch eine vermieterseitige Kündigung infrage gestellt würde.

Schließlich stellt das LG klar, dass die auch Entscheidung des Amtsgerichts aus dem vorherigen Rechtsstreit dem nicht entgegenstehe. Denn diese betreffe allein das Verhältnis zwischen Vermieterin und Mitmieterin. Sie besage lediglich, dass es der Mitmieterin aus Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf einen fehlenden Zugang der Mieterhöhungserklärung beim Mieter zu berufen. Weiter folgt das LG der Auffassung des Amtsgerichts nicht, wonach von einer Entlassung des Mieters aus dem Mietverhältnis auszugehen sei, weil er seit 30 Jahren aus der Wohnung ausgezogen ist. Der Mieter sei weiterhin Vertragspartner. Ein konkludentes Ausscheiden liege nicht vor.

Praxistipp – Rechtsanwaltliche Beratung vor Mieterwechsel

Der bloße Auszug von Mietenden oder die Tatsache, dass sie die Wohnung nie bewohnt haben, führt nicht automatisch zu ihrem Ausscheiden aus dem Mietverhältnis. Eine Entlassung aus dem Mietvertrag setzt stets die Zustimmung aller Vertragsparteien voraus. Sowohl auf Seiten der Mietenden als auch der Vermietenden. Auch eine langjährige Abwesenheit oder eine ausschließliche Korrespondenz mit Mitmietenden begründen für sich genommen keinen konkludenten Entlassungswillen.

Bei einem Auszug aus der Wohnung sollten ausziehende Mietende sich zeitnah um eine Entlassung aus dem Mietvertrag kümmern. Sie haften ansonsten in voller Höhe für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis (nicht gezahlte Miete, Beschädigung der Mietsache).

In der Praxis sollten Mietende und Vermietende zudem bei einem beabsichtigten Mieterwechsel stets eine ausdrückliche Vereinbarung treffen. So lassen sich spätere Streitigkeiten über die Vertragsbeteiligung vermeiden. Im Zweifel empfiehlt sich eine rechtsanwaltliche Beratung.

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  1. Wohngemeinschaften in Großstädten wechseln häufig ihre Mitglieder. Aber besteht eigentlich ein Anspruch gegenüber den Vermietenden auf Mieterwechsel der WG? Eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Berlin gibt Aufschluss.
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  3. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

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