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Türnischen bei der Berechnung der Wohnfläche

  • RA Daryai
  • Mieten Urteile, Wohnraummietrecht Urteile
Urteil // Bundesgerichtshof // VIII ZR 117/22

Weicht die tatsächliche Wohnfläche von der mietvertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % ab, stehen den Mietenden erhebliche Rechte und Ansprüche gegen die Vermietenden zu. Die genaue Bestimmung der tatsächlichen Wohnfläche kann jedoch je nach Einzelfall strittig sein. So auch im vorliegenden Fall, in dem der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Frage entschieden hat, unter welchen Umständen Türnischen bei der Berechnung der Wohnfläche zu berücksichtigen sind.

Der Ausgangsstreit – Mieterin mindert die Miete wegen Flächenabweichung

Die Parteien sind seit dem 01.11.2013 über einen Mietvertrag für eine 1 ½-Zimmer Wohnung nebst PKW-Stellplatz miteinander verbunden.

Die Mieterin minderte die Miete seit Mai 2014 unter anderem wegen einer Wohnflächenunterschreitung von mehr als 10 %. Bis Mai 2016 zahlte sie insgesamt 1.812,64 € weniger Miete. Durch ein Urteil des Amtsgerichts Pinneberg wurde die Mieterin zur Zahlung dieses Beitrags an den Vermieter verurteilt. Auch nachfolgend ab Juni 2016 zahlte die Mieterin die Miete weiterhin nicht in der vertraglich vereinbarten Höhe.

Mit Schreiben vom 08.03.2018 erklärte der Vermieter die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Am 22.06.2018 zahlte die Mieterin den Beitrag in Höhe von 1.812,64 € an den Vermieter. Mit Schreiben vom 27.06.2018 erklärte der Vermieter erneut die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs und erhob schließlich Klage.

Das Amtsgericht Pinneberg gab der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nebst Stellplatz gerichteten Klage statt, woraufhin die Mieterin Berufung beim Landgericht Itzehoe einlegte. Die Berufung hatte jedoch keinen Erfolg. Laut Landgericht sei das Mietverhältnis durch die wirksame außerordentliche fristlose Kündigung des Vermieters vom 27.06.2018 beendet worden. Der Kündigungsgrund ergebe sich aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b BGB. Die Mieterin habe sich zum Zeitpunkt der Kündigung mit der Zahlung der Miete für den Zeitraum Mai 2014 bis einschließlich Juni 2018 in Höhe von noch 1.314,16 € in Verzug befunden. Die Miete sei nicht gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert gewesen. Es liege kein Wohnflächendefizit von mehr als 10 % vor.

Mit der Revision beim BGH verfolgt die Mieterin ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Türnischen bei der Berechnung der Wohnfläche

Die Entscheidung – Wann liegen bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigende Türnischen vor?

Die Revision hat Erfolg. Der BGH hebt das Urteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück ans Landgericht.

Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass eine Wohnfläche von 48 m² zwischen den Parteien vereinbart war, so der BGH. Die in einem Wohnraummietvertrag angegebene Wohnfläche sei auch bei einer „ca.“-Angabe als vertragliche Festlegung der Soll-Beschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen. Außerdem habe das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % einen Mangel der Mietsache darstelle. Dieser führe gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Recht zur Minderung der Miete in dem Verhältnis, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte unterschreitet.

Schließlich habe das Landgericht auch zu Recht angenommen, dass die Wohnfläche im Streitfall anhand der Wohnflächenverordnung vom 25.11.2003 (WoFlV) zu ermitteln sei. Auch bei frei finanziertem Wohnraum sei der Begriff Wohnfläche grundsätzlich nach den für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen, wenn die Parteien keine abweichenden Vereinbarungen treffen.

Nach Ansicht des BGH hat das Landgericht jedoch ein unzutreffendes Verständnis vom Begriff der Türnische. Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV gilt, dass bei der Ermittlung der zur Wohnung gehörenden Grundflächen die Grundflächen von Türnischen außer Betracht bleiben. Eine Türnische im Sinne der Vorschrift sei eine Öffnung in einer die Grundfläche eines Raumes begrenzenden Wand, die einen Durchgang durch diese ermöglicht. Entgegen der Ansicht des Landgerichts komme es im Hinblick auf Regelungszweck und Systematik nicht entscheidend darauf an, ob in der Wandöffnung eine Tür oder ein Türrahmen eingebaut ist, so der BGH.

Der Verordnungsgeber habe den Abzug der Grundflächen bestimmter Raumteile im Hinblick auf deren geminderten Wohnwert vorgesehen. Dies betreffe eine Wandöffnung, die den Zugang zu einem Raum oder den Durchgang zwischen Räumen ermögliche. Unabhängig davon, ob sie von einem Türrahmen eingefasst sei oder durch eine Tür verschlossen werden könne. Die Grundfläche einer solchen Wandöffnung weise laut BGH aufgrund ihrer baulichen Gestaltung grundsätzlich keinen eigenen Wohnwert auf. Denn sie stehe für eine Nutzung zu Wohnzwecken im Regelfall nicht oder höchstens gemindert zur Verfügung.

Berechnung der Wohnfläche ist nicht vom tatsächlichen Nutzungsverhalten der Mietenden abhängig

Dabei komme es nicht darauf an, ob Mietende eine solche Wandöffnung tatsächlich als Zugangs- oder Durchgangsmöglichkeit nutzen oder ob eine solche Nutzung aus raumgestalterischer Sicht sinnvoll sei, so der BGH. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 WoFlV sei gerade nicht vom tatsächlichen Nutzungsverhalten der Nutzenden der Räumlichkeiten abhängig. Es komme nicht darauf an, ob die Durchgänge beispielsweise durch Regale für wohnliche Zwecke genutzt werden könnten.

Bisherige Ausführungen des Landgerichts ließen zudem nicht darauf schließen, dass die beiden Wandöffnungen in ihren Ausmaßen über eine Türöffnung hinausgehen und deshalb nicht als Türöffnung, sondern als größerer Wanddurchbruch anzusehen wären. Auch die Tatsache, dass in der Wand zwischen Schlaf- und Wohnzimmer zwei gleiche Öffnungen im Abstand von nur wenigen Metern nebeneinander existieren, schließe laut BGH die jeweilige Einordnung der Öffnungen als Türnischen nicht aus.

Sollte es sich schließlich bei den Durchgängen um Türnischen handeln, betrage die tatsächliche Wohnfläche statt der vom Landgericht angenommenen 43,38 m² lediglich 43,18 m². Sie wiche damit um 10,04 % von der vereinbarten Wohnfläche (nämlich 48 m²) ab, so der BGH. Damit sei die Erheblichkeitsschwelle von 10 % gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB überschritten.

Praxistipp – Überprüfen Sie Ihre Wohnfläche

Insbesondere in Altbauten können sich aufgrund der sehr breiten Durchgänge erhebliche Änderungen bei der Wohnflächenberechnung ergeben, wenn diese als Türnischen angesehen werden. Der BGH lässt aber die Möglichkeit zu, dass Türnischen als „größere Wanddurchbrüche“ zu werten sind. Für Mietende ist es daher ratsam, ihre Wohnfläche zu überprüfen. Bei einer Abweichung von mehr als 10 % zwischen vertraglich vereinbarter und tatsächlich vorhandener Fläche besteht ein Mangel der Mietsache. Solche Flächenabweichungen ziehen erhebliche Rechte und Ansprüche gegen die Vermietenden nach sich. Unter anderem können Mietende dann einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete sowie eine prozentuale Anpassung der Miethöhe an die tatsächliche Wohnfläche geltend machen. Außerdem sind auch folgende Mieterhöhungen an die tatsächliche Wohnfläche anzupassen.

Mietende sollten die Miete jedoch nie selbständig mindern, sondern die Miete unter Vorbehalt leisten, die zu viel geleistete Miete einklagen und das Recht zur Minderung feststellen lassen.

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  1. Welche Rechte und Ansprüche haben Mietende bei Flächenabweichungen? Dieser Beitrag liefert einen ersten Überblick.
  2. Weitere Beiträge zum Thema Flächenabweichung finden Sie hier.
  3. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

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