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Schriftform und Konkurrenzschutz im Gewerbemietvertrag

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Urteil // Bundesgerichtshof // XII ZR 51/19

Die Anforderungen an die Schriftform gemäß der §§ 578 Abs. 1 S. 1, 2, 550 BGB sorgen im Gewerbemietrecht regelmäßig für Streit. Dabei stellt sich oft die folgende Frage: Ist die Vertragslaufzeit wirksam befristet oder gilt das Mietverhältnis mangels Einhaltung des Schriftformerfordernisses als unbefristet und ist somit ordentlich kündbar? Hinzu kommt, dass Gewerbemietverträge häufig Klauseln zu Betriebspflichten, Sortimentsbindungen oder dem Ausschluss des Konkurrenzschutzes enthalten. Doch wann führt die Kombination solcher Regelungen zu einer unangemessenen Benachteiligung der Mietenden, was eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu genau diesen Fragen bezüglich der Wahrung von Schriftform und Konkurrenzschutz bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Betriebspflicht im Gewerbemietvertrag entschieden.

Der Ausgangsstreit – Kündigungen der Mieterinnen wegen Nichteinhaltung der Schriftform und unangemessener Benachteiligung

Die Parteien schlossen im Januar 2009 einen Mietvertrag über ein Ladenlokal in einem Einkaufszentrum zum Betrieb eines Fast Food Restaurants. Vereinbart war eine Vertragslaufzeit von zehn Jahren. Der Mietvertrag umfasste eine Betriebspflicht der Mieterin mit Sortimentsbindung sowie den Ausschluss eines Konkurrenz-, Sortiments- und Branchenschutzes für sie. In der Folgezeit wurde der Mietvertrag mehrfach geändert.

Ende 2014 erfolgte die Kündigung aus wichtigem Grund und schließlich eine Vereinbarung über die „Fortsetzung bzw. Neubegründung des Mietverhältnisses“. Dabei trat neben der Mieterin eine neue Mitmieterin in den Mietvertrag ein. Für die Mitmieterin, die durch zwei gesamtvertretungsberechtigte GmbH-Geschäftsführer vertreten wurde, unterzeichnete nur einer der Geschäftsführer den Mietvertrag unter Beifügung des Firmenstempels auf dem für ihn vorgesehenen Unterschriftsfeld. Ein zweites Feld, vorgesehen für die Unterschrift des zweiten Geschäftsführers, blieb leer.

Die Mieterinnen kündigten das Mietverhältnis zum 30.06.2017 mit der Begründung, der Vertrag sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB unbefristet geschlossen. Am 15.05.2017 erfolgte eine erneute, fristlose Kündigung aus wichtigem Grund durch die Mieterinnen. Sie hätten nach den Vertragsbestimmungen eine Betriebspflicht mit Sortimentsbindung zu erfüllen, ohne ihrerseits Konkurrenzschutz zu genießen. Sie seien dadurch unangemessen benachteiligt.

Die Vermieterin klagte daraufhin auf Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag ungekündigt fortbestehe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Kammergericht hat die Berufung der Mieterinnen zurückgewiesen. Hiergegen richten sich deren Revisionen.

Schriftform und Konkurrenzschutz im Gewerbemietvertrag

Die Entscheidung – Welche Anforderungen gelten für die Schriftform und den Konkurrenzschutz im Gewerbemietvertrag?

Die Revisionen haben Erfolg, so der BGH. Sie führen zur teilweisen Klageabweisung und im Übrigen zur Zurückweisung der Sache an das Kammergericht.

Zutreffend habe das Kammergericht angenommen, dass ein wirksamer Mietvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Unzutreffend sei jedoch die Annahme des Kammergerichts, dass die ordentliche Kündigung zum 30.06.2017 nicht wirksam sei, da der Vertrag befristet für zehn Jahre geschlossen wurde. Mangels Einhaltung der Schriftform war die Befristung nicht wirksam, so der BGH.

Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr in nicht schriftlicher Form geschlossen, so gilt er als auf unbestimmte Zeit geschlossen, § 550 S. 1 BGB. Laut BGH erfordert § 550 BGB, dass sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, wie Mietgegenstand, Miethöhe, Dauer und Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag festgehalten, sondern in Anlagen, sodass sich der Gesamtinhalt der Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit zweifelsfrei kenntlich machen. Eine Nachtragsvereinbarung müsse demnach zur Erhaltung der Schriftform deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages bleiben soll.

Ersetzt der Firmenstempel einen mangelnden Vertretungszusatz in der Unterschrift des Mietvertrags?

Der 3. Nachtrag zum Mietvertrag genüge diesen Vorgaben nicht, so der BGH. § 550 BGB diene in erster Linie dem Schutz des gemäß § 566 Abs. 1 BGB eintretenden Erwerbers. Durch das Erfordernis der Schriftform solle dieser die Möglichkeit haben, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zu unterrichten. Außerdem werde dadurch die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sichergestellt und es diene dem Übereilungsschutz.

Der 3. Nachtrag zum Mietvertrag besagt, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird und die Mitmieterin in das Vertragsverhältnis eintritt. Dabei handelt es sich laut BGH um eine wesentliche, dem Formzwang des § 550 BGB unterliegende Vertragsänderung. Wegen der fehlenden Unterschrift des zweiten Geschäftsführers erfülle diese Vertragsänderung nicht das Schriftformerfordernis. Denn zur Wahrung der Schriftform müssen beide zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen Geschäftsführer unterzeichnen. Andernfalls müsste ein entsprechender Vertretungszusatz deutlich machen, dass der allein Unterzeichnende im Namen des anderen handelt.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Unterzeichnung nur durch einen Geschäftsführer. Laut BGH genüge auch der Firmenstempel, dem im Geschäftsverkehr zwar eine gewisse Legitimationswirkung zukommt, hier nicht, um anzunehmen, dass der Unterzeichner alleinvertretungsberechtigt war oder den zweiten Geschäftsführer vertreten wollte. Die Urkunde erwecke nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen unvollständigen Eindruck. Ein weiteres Unterschriftsfeld mit dem Namen des zweiten Geschäftsführers sei leer und es fehle ein Hinweis darauf, dass die Unterschriften vollständig seien. Etwa durch Vertretungszusatz oder ein durchgestrichenes Feld. Ein möglicher Erwerber könne so nicht erkennen, ob alle erforderlichen Unterschriften geleistet worden sind. Das Schriftformerfordernis sei nicht gewahrt.

Berufung auf Schriftformverstoß nicht treuwidrig

Auch sei den Mieterinnen die Berufung auf den Schriftformverstoß nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt.

Ausnahmsweise kann es rechtsmissbräuchlich sein, sich auf die ordentliche Kündbarkeit des Vertrags wegen Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen, wenn die vorzeitige Vertragsbeendigung zu einem untragbaren Ergebnis führt. Etwa wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten hat oder wenn die Existenz des Vertragspartners bedroht wäre. Diese Voraussetzungen liegen laut BGH hier nicht vor. Zwar wurde die Nichteinhaltung der Schriftform durch die Mitmieterin selbst verursacht. Dies war jedoch für die Vermieterin ohne weiteres erkennbar. Es war ihr zumutbar, auf eine formgerechte Vertragsurkunde hinzuwirken.

Schließlich führe auch die Schriftformheilungsklausel im ursprünglichen Mietvertrag nicht zu einer Treuwidrigkeit. Denn solche Klauseln seien stets unwirksam, so der BGH. Sie widersprechen dem Schutzzweck des § 550 BGB. Andernfalls würde die Gewährleistung der Beweisbarkeit langfristiger Abreden und damit auch die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung bei Formverstößen leerlaufen.

Ist ein Ausschluss des Konkurrenzschutzes bei gleichzeitiger Betriebspflicht mit Sortimentsbindung unzulässig?

Die Annahme des Kammergerichts, der Mietvertrag sei nicht durch die Kündigung der Mieterin aus wichtigem Grund beendet worden, könne nicht mit dieser Begründung stehen bleiben, so der BGH. Bei einem langfristig intendierten Mietverhältnis könne in einem Formularvertrag die Vereinbarung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung nicht wirksam mit einem Ausschluss von Konkurrenz- und Sortimentsschutz verbunden werden.

§ 307 Abs. 1 BGB besagt, dass Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Danach sei eine formularmäßige Betriebs- und Offenhaltungspflicht für sich genommen nicht unwirksam, ebenso wenig wie die formularmäßige Bindung der Mietenden an ein bestimmtes Sortiment oder der Ausschluss des Konkurrenzschutzes durch die Vermietenden, so der BGH.

Allerdings liege bei Kombination dieser Klauseln eine unangemessene Benachteiligung der Mieterinnen vor und diese seien daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Zu den Hauptleistungspflichten Vermietender gehöre die ungestörte Gebrauchsüberlassung der Mietsache gemäß § 535 BGB. Dies umfasse bei einem Gewerbemietverhältnis grundsätzlich auch den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz. Vermietende sind grundsätzlich verpflichtet, keine in der unmittelbaren Nachbarschaft gelegenen Geschäftsräume an Konkurrenten zu vermieten oder selbst in Konkurrenz zu den Mietenden zu treten. Das bedeute jedoch nicht, dass den Mietenden jeder Wettbewerb ferngehalten werden müsse. Der Umfang des Konkurrenzschutzes sei nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu bestimmen, so der BGH.

Wenn der Konkurrenzschutz verletzt wird, könne dies einen Mangel der Mietsache darstellen, was Ansprüche auf Beseitigung, Schadensersatz oder ein Recht zur Mietminderung begründen könne, so der BGH. Wenn der Mangel schließlich nicht behoben wird, könne dies einen wichtigen Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen.

Konkurrenzschutz in Einkaufszentren: Abwägung im Einzelfall

Der Konkurrenzschutz gelte auch in Einkaufszentren. Mietende dürfen hier weder weniger noch mehr Schutz genießen als in herkömmlichen Geschäftsstraßen. Der Umfang des Konkurrenzschutzes richte sich laut BGH nach der Verkehrserwartung. In kleinen Einkaufszentren sei ein möglichst breit gefächertes Angebot erwünscht und Sortimentsüberschneidungen seien zu vermeiden. In großen Einkaufszentren müssen Mietende hingegen Sortimentsüberschneidungen hinnehmen. Die Attraktivität großer Einkaufszentren steige gerade durch die Präsenz konkurrierender Angebote. Ob und in welchem Umfang Mietende unmittelbare Konkurrenz in ihrer Nähe hinnehmen müssen, hänge demnach vom Einzelfall ab.

Wenn der Konkurrenzschutz nunmehr formularvertraglich ausgeschlossen wird, könnte eine unangemessene Benachteiligung der Mietenden vorliegen. Denn werden durch eine Klausel wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist, ist eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen.

Ein solcher Fall der unangemessenen Benachteiligung liege hier laut BGH vor. In einem typischen Einkaufszentrum wurde durch formularmäßigen Mietvertrag jeglicher Konkurrenzschutz ausgeschlossen bei gleichzeitiger Betriebspflicht mit Sortimentsbindung. Die einseitige Erlaubnis der Vermieterin, eine Konkurrenzsituation herbeizuführen und dadurch einen strengen Branchenmix aufzuweichen, beeinträchtige die Mieterinnen unangemessen, da sie nicht durch Sortimentsanpassung reagieren können. Das Interesse der Vermieterin, innerhalb des als „Food Court“ ausgewiesenen Bereichs das Hauptsortiment auf Gastronomiebetriebe zu konzentrieren, wiege nicht schwerer als das Mieterinteresse, mit ihrem Untersortiment ein gewisses Alleinstellungsmerkmal einzunehmen.

Die Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der betreffenden Klauseln. Der Vertrag wird unter Außerachtlassung der unwirksamen Klauseln fortgesetzt.

Die Vermieterin könnte also ihre Pflicht zur ungestörten Gebrauchsüberlassung in Form des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes verletzt haben, so der BGH. Dies könnte die Kündigung der Mieterinnen aus wichtigem Grund rechtfertigen. Zur abschließenden Beurteilung bedürfe es aber weiterer Feststellungen zur konkreten Konkurrenzsituation. Daher verweist der BGH den Rechtsstreit an das Kammergericht zurück.

Praxistipp – Unbedingt Einhaltung der Schriftform beachten

Mietende wie Vermietende sollten unbedingt die Bedeutung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht beachten. Ein formnichtig geschlossener Vertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann jederzeit ordentlich gekündigt werden. Um dies zu vermeiden, sollten die Parteien bei Vertragsabschluss und Nachträgen sorgfältig darauf achten, dass alle wesentlichen Inhalte klar und vollständig schriftlich festgehalten sind.

Anders zu bewerten als im oben genannten Fall ist die Konstellation, wenn nach dem Erscheinungsbild der Urkunde der Unterzeichner für sich allein die Berechtigung zum Abschluss des Rechtsgeschäfts in Anspruch nimmt und dies durch einen die alleinige Vertretung der Gesellschaft anzeigenden Zusatz kenntlich macht. Das Hinzufügen eines Stempels zu einer Unterschrift weist dann denjenigen, der die Unterschrift geleistet hat, als unterschriftsberechtigt für den Stempelaussteller aus. Dies ergibt sich aus der Legitimationswirkung des Stempels im Geschäftsverkehr. Die Abgabe einer unterschriebenen und mit Stempelzusatz abgeschlossenen Erklärung dokumentiert mangels abweichenden Anscheins, hinsichtlich dieses Geschäfts zur alleinigen Vertretung berechtigt zu sein und in diesem Sinne handeln zu wollen. In einem solchen Fall ist die Schriftform gewahrt. Man muss also immer den Einzelfall bewerten.

Bezüglich der Betriebspflicht und des Konkurrenzschutzes wird Mietenden geraten, den Gewerbemietvertrag bereits vor Abschluss rechtsanwaltlich überprüfen zu lassen. Probleme sind hier für Laien nicht immer sofort erkennbar.

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  1. Wann ist eine Prüfung des Gewerbemietvertrags vor Abschluss notwendig? Dieser Beitrag gibt einen ersten Überblick.
  2. Interessante Informationen zur Schriftform im Miet- und Pachtrecht finden Sie hier.
  3. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

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