Einschränkung des Kündigungsrechts in AGB
Miet- und Pachtverträge enthalten häufig vorformulierte Vertragsbedingungen, sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Bei deren Gestaltung sind den Verwendern jedoch rechtliche Grenzen gesetzt. Insbesondere dürfen sie die Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Dies führt in der Praxis häufig zu Streitigkeiten, auch vor den Gerichten. Das Landgericht (LG) Berlin hatte nunmehr zu der folgenden Frage zu entscheiden: Darf in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine Einschränkung des Kündigungsrechts vorgenommen werden?
Der Ausgangsstreit – Kündigung wegen ausstehender Vertragsleistungen
Die Parteien waren über zwei Pachtverträge vom 20.05.2022 für eine Photovoltaikanlage und einen Batteriespeicher miteinander verbunden. In diesen wurde das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Dauer der Vertragslaufzeit durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) ausgeschlossen. Zudem sah die Regelung vor, dass die außerordentliche Kündigung auch bei Nichtinstallation der Anlage erst nach zwölf Monaten und auch nur dann möglich sein sollte, wenn die Verpächterin das zu vertreten habe.
Während die von ihm angeworbenen Nachbarn ihre Anlagen schon frühzeitig nutzen konnten, wartete der Pächter selbst noch auf die vollständige Leistungserbringung. Nachdem er der Verpächterin mit E-Mail vom 28.02.2023 erfolglos eine Frist zur Abhilfe gesetzt hatte, erklärte er am 07.06.2023 die fristlose Kündigung der Verträge wegen ausstehender Restleistungen. Die Verpächterin wies dies zurück und bot mehrfach die Montage der noch fehlenden Teile an. Schließlich forderte sie den Pächter unter Fristsetzung auf, einen Termin für die Fertigstellung zu vereinbaren und diese auf seinem Grundstück zu dulden. Der Pächter lehnte jedoch ab und erklärte, die Arbeiten auf seinem Grundstück nicht mehr dulden zu wollen.
Die Verpächterin erhob schließlich Klage. Sie machte geltend, die Kündigung sei mangels wirksamen Abhilfeverlangens unwirksam. Der Pächter sei verpflichtet die Arbeiten zu Dulden. Außerdem habe er die Pachtraten für Oktober und November 2023 als Verzugsschaden zu ersetzen.
Zunächst wurde die Klage mit Versäumnisurteil abgewiesen, wogegen die Verpächterin Einspruch einlegte. Der Pächter verteidigte sich mit dem Hinweis, er habe die Verpächterin mehrfach zur Leistung aufgefordert und sei zur Kündigung berechtigt gewesen.
Die Entscheidung – Kann in AGB eine Einschränkung des Kündigungsrechts erfolgen?
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, so das LG Berlin, Der Pächter habe den Vertrag wirksam aus wichtigem Grund gemäß §§ 581, 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB gekündigt. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn der vertragsgemäße Gebrauch ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt wird. Es bestehe daher kein Anspruch der Vermieterin, den Anschluss und den Betrieb der Anlage zu dulden.
Da im Vertrag kein fester Übergabezeitpunkt vereinbart war, sei der Überlassungsanspruch sofort fällig gewesen (§ 271 Abs. 1 BGB). Spätestens mit der teilweisen Errichtung im September 2022 sei daher die vollständige Leistung geschuldet gewesen. Die Auffassung der Verpächterin, die Fälligkeit trete erst nach Ablauf einer in den AGB bestimmten Kündigungsfrist ein, wies das LG zurück. Die entsprechende Klausel halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. AGB seien so auszulegen, wie ein verständiger und redlicher Vertragspartner sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstehe. Für einen durchschnittlichen Pächter erschließe sich nicht, dass die für eine Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund bestimmte Frist dahin verstanden werden müsse, dass der Anspruch überhaupt erst nach Ablauf dieser Frist fällig werden soll.
Die Bestimmung sei gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, so das LG. Aus dem Wesen der außerordentlichen fristlosen Kündigung folge deren Unabdingbarkeit. Ein vertraglicher Ausschluss oder eine erhebliche Einschränkung sei unzulässig. Während Verschärfungen zu Lasten des Verwenders von AGB in bestimmten Fällen zulässig sein können, scheitern Einschränkungen zu Lasten des Vertragspartners regelmäßig an § 307 BGB. Im konkreten Fall sah die Regelung vor, dass eine Kündigung auch bei Nichtinstallation der Anlage nur dann möglich sein sollte, wenn die Verpächterin das zu vertreten habe. Damit wäre der Pächter selbst dann an den Vertrag gebunden gewesen, wenn die Anlage überhaupt nicht errichtet worden wäre, solange die Verzögerung nicht verschuldet war. Dies kam nach Ansicht des Gerichts einem faktischen Ausschluss des Kündigungsrechts gleich.
Nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Abhilfe nicht zu lange mit Kündigung warten
Darüber hinaus beanstandete das LG die Klausel auch als unzulässige Fälligkeitsbestimmung im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB. Danach sind Vertragsklauseln unwirksam, die dem Verwender unangemessen lange Leistungsfristen einräumen. Die vorgesehene Möglichkeit, den Anspruch auf Montage erst ein Jahr nach Vertragsschluss geltend machen zu können, überschreite das zulässige Maß deutlich und sei deshalb unwirksam
Schließlich lagen laut LG auch die Voraussetzungen eines wirksamen Abhilfeverlangens nach § 543 Abs. 3 BGB vor. Mit E-Mail vom 28.02.2023 hatte der Pächter der Verpächterin eine Frist gesetzt, die jedoch fruchtlos verstrich. Dass er dabei nicht ausdrücklich die Kündigung androhte, sei unschädlich. Auch der Umstand, dass er den Begriff „Rücktritt“ statt „Kündigung“ verwendete, ändere nichts – beide Begriffe machen deutlich, dass eine Vertragsbeendigung in Aussicht gestellt wird.
Zudem sei es unschädlich, dass der Pächter nicht die Fertigstellung der Anlage selbst, sondern die Benennung eines verbindlichen Liefertermins verlangte. Angesichts der erforderlichen Mitwirkung des Pächters bei der Montage sei die Terminnennung notwendig gewesen. Es sei reine Förmelei, zunächst einen Termin zu benennen und danach nochmals eine gesonderte Frist zur Fertigstellung zu setzen.
Das LG stellte außerdem klar, dass die Kündigung nicht unwirksam war, obwohl sie erst vier Monate nach Ablauf der gesetzten Frist ausgesprochen wurde. Zwar könne bei § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein längeres Zuwarten dazu führen, dass die Kündigung ausgeschlossen ist. Dies sei aber in der Regel erst nach sechs Monaten der Fall. Vorliegend war diese Zeitspanne nicht überschritten. Hinzu kam, dass die AGB der Verpächterin selbst den Eindruck erweckte, eine Kündigung sei ohnehin erst nach zwölf Monaten möglich. Damit konnte sich die Verpächterin nicht auf ein treuwidrig verspätetes Kündigungshandeln berufen.
Da die Kündigung somit wirksam war, hatte die Verpächterin weder einen Anspruch auf Duldung der Arbeiten noch auf Zahlung der Pachtraten für Oktober und November 2023.
Praxistipp – Abhilfeverlangen und Kündigung wirksam gestalten
Das LG stellte klar: Nur dann, wenn mit der Fristsetzung zur Abhilfe eine andere Maßnahme als die Kündigung, etwa eine Minderung oder die Klage auf Mängelbeseitigung, angedroht wird, kann die Kündigung nicht bereits nach Ablauf dieser Frist wirksam erklärt werden. In einem solchen Fall ist vielmehr erforderlich, nach fruchtlosem Ablauf der ersten Frist eine neue Frist zu setzen, die ausdrücklich auf die Beendigung des Vertrags gerichtet ist.
In vergleichbaren Fällen empfiehlt es sich, das Vorgehen rechtsanwaltlich prüfen zu lassen, um die Wirksamkeit des Abhilfeverlangens und einer möglichen Kündigung sicherzustellen.
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