Leistungsvorbehaltsklausel unwirksam
Die Parteien eines Gewerbemietvertrages haben bei der Gestaltung ihres Mietvertrages deutlich mehr Spielraum als im Wohnraummietrecht. Dadurch genießen Gewerbemietende deutlich weniger gesetzlichen Schutz. Aber nicht jede Klausel eines Gewerbemietvertrages ist auch wirksam. Wenn Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart, diese also nicht individuell ausgehandelt wurden, muss man prüfen, ob sie die Mietenden unangemessen benachteiligen. Ist dies der Fall, ist die Klausel unwirksam. Das Landgericht (LG) Hamburg hat sich mit der Frage beschäftigt, wann eine sogenannte Leistungsvorbehaltsklausel zur Mietanpassung im Gewerbemietvertrag unwirksam ist.
Der Ausgangsstreit – Vermieterin macht Mieterhöhung aufgrund von Leistungsvorbehalt geltend
Der vorige Vermieter und die Mieterin schlossen einen Mietvertrag für ein Ladenlokal mit Mietbeginn am 01.06.2007. Später erwarb die neue Vermieterin die Immobilie und trat in den Mietvertrag ein.
In § 7 Ziff. 2 Mietvertrag ist ein Leistungsvorbehalt vereinbart. Danach sollte die Angemessenheit der Miete überprüft und die Miethöhe neu vereinbart werden, wenn sich der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) um mehr als 5 % verändert oder seit der letzten Änderung der Miete mehr als ein Jahr vergangen ist. Die Mindestmiete sollte dabei stets die zuletzt geschuldete Miete sein. Sofern hier keine Einigung über die neue Miethöhe erfolgt, sollte ein von der Handelskammer zu ernennender Sachverständiger die ortsübliche Miete durch ein Schiedsgutachten feststellen. § 22 Mietvertrag besagt weiter, dass die Gesamtmiete bis zum 31.12.2016 fest vereinbart ist. Erst danach sollte die Miete nach dem VPI neu festgelegt werden.
Mit Schreiben vom 12.04.2018 machte die Vermieterin eine Mieterhöhung geltend. Die Mieterin widersprach dem.
Die Vermieterin ist der Meinung, die Parteien hätten bewusst eine niedrige Anfangsmiete vereinbart, da der damalige Vermieter der Mieterin für die Anfangszeit entgegenkommen wollte. Dies sollte allerdings auf knapp zehn Jahre beschränkt sein. Der vom Statistischen Bundesamt ermittelte VPI sei vom 01.06.2007 bis zum 01.05.2018 um ca. 16 % gestiegen. Die Vermieterin sei daher berechtigt, ein Schiedsgutachten einzuholen. Denn es handele es sich bei § 7 Mietvertrag um eine Individualvereinbarung. Das heißt, um eine individuell zwischen den Parteien ausgehandelte Klausel.
Die Vermieterin erhob schließlich Klage auf Feststellung, dass sie berechtigt war, die Miethöhe bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete anzupassen.
Die Entscheidung – Wann ist eine Leistungsvorbehaltsklausel unwirksam?
Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet, so das LG Hamburg. § 7 Ziff. 2 des Mietvertrags sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Es handele sich bei der Klausel um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. Es sei nicht anzunehmen, dass § 7 Ziff. 2 des Mietvertrages individuell ausgehandelt war. Grundsätzlich gelte bei dieser Frage, dass der Vertragspartner die Verwendung von AGB nachweisen müsse. Regelmäßig sei jedoch der Hinweis auf die äußere Form der vorformulierten Vertragsbedingungen als Indiz für das Vorliegen von AGB ausreichend.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt, dass von einem individuellen Aushandeln nur gesprochen werden kann, wenn der Verwender einer Klausel zunächst den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt. Mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (s. BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13).
Vorliegend fehle es am substantiierten Vortrag der hier darlegungs- und beweisbelasteten Vermieterin, so das LG Hamburg. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Vermieterin bereit gewesen wäre, die Vereinbarungen zur Mietanpassung zu ändern. Sie habe gerade keine notwendige Konkretisierung hinsichtlich der Kerngehalte einzelner Klauseln vorgenommen. Eine Abänderung des Vertragstextes in mehreren zentralen Punkten konnte sie nicht darlegen. Denn auch nachträgliche Veränderungen eines vorformulierten Textes können grundsätzlich nur ein Indiz dafür sein, dass der Vertrag insoweit im Einzelnen ausgehandelt wurde.
Die Inhaltskontrolle sei außerdem nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Danach sind nur deklaratorische Klauseln und solche, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, ausgenommen. Bei § 7 Ziff. 2 Mietvertrag handelt es sich laut LG jedoch um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Das sind Abreden, die mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber dispositives Gesetzesrecht treten kann, wenn es an einer wirksamen vertraglichen Regelung fehlt.
Leistungsvorbehaltsklausel ist unwirksam wegen unangemessener Benachteiligung
AGB sind gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist erfüllt, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Unerheblich für die Beurteilung der Unangemessenheit ist dabei, ob die Ausgangsmiete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lag. Eine unangemessene Benachteiligung kann laut LG Hamburg nicht mit einem möglicherweise geringeren Preis gerechtfertigt werden (s. BGH, Urteil vom 04.07.2017 – XI ZR 562/15).
§ 7 Ziff. 2 Mietvertrag hält der Inhaltskontrolle nicht stand, da die Regelung über die Wahrung des ursprünglich festgelegten Äquivalenzverhältnisses hinausgeht, so das LG. Der Mieterin komme nach der Klausel ein Absinken der ortsüblichen Miete nicht zugute, da die geschuldete Miete in jedem Fall die Mindestmiete sei. Es handele sich somit um eine unangemessene Benachteiligung. Die Mieterin werde außerdem dadurch unangemessen benachteiligt, dass nur das Verlangen der Vermieterin zur Neufestlegung der Miete aufgrund eines Schiedsgutachtens führen kann, die Mieterin dieses Recht aber nicht hat.
Praxistipp – Teilbarkeit einer teilweise unwirksamen AGB
Gemäß § 306 Abs. 1 BGB bleibt ein Vertrag bei teilweise unwirksamen AGB im Übrigen rechtsbeständig. Nur die unwirksame Klausel ist zu streichen und ist durch die gesetzlichen Regelungen zu ersetzen. Da in der Gewerberaummiete (im Unterschied zur Wohnraummiete) gesetzliche Regelungen zur Mieterhöhung fehlen, führt die Unwirksamkeit dazu, dass die Vermietenden bei Unwirksamkeit im Regelfall während der Mietzeit keine Mieterhöhungen durchsetzen können.
Für teilweise unwirksame AGB gilt nach der Rechtsprechung des BGH, dass inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in AGB auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen unwirksamen Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll ist, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel.
Im vorliegenden Fall besteht keine Teilbarkeit der Klausel, da es sich um keine lediglich formal miteinander verbundenen Regelungen handelt. Vielmehr besteht laut LG Hamburg ein inhaltlicher Zusammenhang der Klauseln in § 7 Ziff. 2 Mietvertrag. Daher ist § 7 Ziff. 2 Mietvertrag insgesamt unwirksam und wird nicht Vertragsbestandteil.
Grundsätzlich gilt, dass es in der Gewerberaummiete weite Dispositionsmöglichkeiten gibt, wenn Klauseln individuell ausgehandelt wurden. Hier ist jedoch unbedingt die Indizwirkung der äußeren Form zu beachten; wenn man sich auf ein Aushandeln berufen möchte, muss man im Gerichtsverfahren das Aushandeln auch nachweisen können, durch E-Mail-Verlauf, Beschreibung der Verhandlungen zu einzelnen Klauseln etc..
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- Einen Überblick zum Thema Indexmieterhöhung in der Gewerbemiete finden Sie hier.
- Was sollte bei der Prüfung des Gewerbemietvertrages vor Abschluss beachtet werden? Nützliche Tipps finden Sie in diesem Beitrag.
- Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
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