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Schriftformverstoß bei Personenmehrheit im Gewerbemietvertrag

  • RA Daryai
  • Gewerberaummietrecht Urteile, Mieten Urteile
Urteil // Oberlandesgericht Düsseldorf // I-10 U 49/13

Wird ein Gewerbemietvertrag für eine Laufzeit von mehr als einem Jahr geschlossen, unterliegt er dem Schriftformerfordernis der §§ 578 Abs. 1 S. 1, 2, 550 BGB. Wird dieses nicht eingehalten, gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Ob tatsächlich ein Schriftformverstoß vorliegt, kann im Einzelfall jedoch umstritten sein – insbesondere dann, wenn auf Seiten einer Vertragspartei eine Personenmehrheit besteht. Vor diesem Hintergrund stellte sich dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf die Frage: Liegt ein Schriftformverstoß bei Personenmehrheit im Gewerbemietvertrag vor, wenn der Vertrag ohne Vertreterzusatz und nur von einer der beteiligten Personen unterzeichnet wird?

Der Ausgangsstreit – Parteien streiten über Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung

Die Parteien waren über einen im Jahr 2005 geschlossenen Mietvertrag für ein Gewerbeobjekt miteinander verbunden. Der Mietvertrag wurde mit der Rechtsvorgängerin der heutigen Vermieterin geschlossen. Die Vermieterin kündigte den Mietvertrag mit Schreiben vom 16.05.2012 zum 12.05.2013. Die Mieterin widersprach und machte ihr vertraglich vereinbartes Optionsrecht geltend. Dabei handelt es sich um eine Klausel im Mietvertrag die die Option der einseitigen Verlängerung des Mietverhältnisses vorsieht.

Die Parteien streiten nunmehr über den Zeitpunkt der Beendigung des Mietvertrags, also ob dieser mit Ablauf der Kündigungsfrist oder mit Ablauf der von der Mieterin verlängerten Vertragslaufzeit endet. Hierfür entscheidend ist die Einhaltung der Schriftform nach § 550 S. 1 BGB. Denn bei einem Schriftformverstoß wäre der Mietvertrag als unbefristet anzusehen und damit ordentlich kündbar.

Die Mieterin erhob schließlich Klage auf Feststellung, dass der Mietvertrag aufgrund wirksamer Optionsausübung bis zum 12.05.2016 fortbestehe. Das Landgericht gab der Klage statt. Der Mietvertrag sei wirksam verlängert worden. Die Parteien hätten nicht gegen das Schriftformerfordernis verstoßen.

Die Vermieterin legte dagegen Berufung ein. Ihrer Auffassung nach sei der Mietvertrag aufgrund Schriftformmangels ordentlich kündbar gewesen. Insbesondere sei nicht eindeutig, wer auf Vermietendenseite tatsächlich unterzeichnet habe und ob der Unterzeichner „O.K. als Vermieter“ in Vertretung handelte (O.K. ist die zur Anonymisierung in dem Urteil verwendete Abkürzung des Namens desjenigens, der als Vertreter der Vermieter den Vertrag unterzeichnet hat).

Schriftformverstoß bei Personenmehrheit im Gewerbemietvertrag

Die Entscheidung – Wann liegt ein Schriftformverstoß bei Personenmehrheit im Gewerbemietvertrag vor?

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, so das OLG Düsseldorf. Der Mietvertrag wahre die Schriftform. Die Kündigung der Vermieterin wegen Schriftformmangels gemäß §§ 550 S. 2, 578, 566 BGB sei daher unwirksam gewesen. Durch die Optionsausübung der Mieterin sei das Mietverhältnis bis zum 12.05.2016 verlängert worden.

Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB schütze laut OLG die Immobilienerwerber. Diese sollen durch Einsicht in die Mietvertragsurkunde zuverlässig über Inhalt und Umfang eines bestehenden und nach § 566 BGB auf sie übergehenden Mietverhältnisses informiert werden. Zugleich erfülle die Schriftform Beweis-, Warn- und Klarstellungsfunktionen im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander. Ein Mietvertrag erfüllt die Anforderungen des § 550 BGB dann, wenn er alle Essentialia enthält, wie Vertragsparteien, Mietgegenstand, Miethöhe und Laufzeit sowie weitere Abreden, die nach dem Willen der Parteien von wesentlicher Bedeutung sind.

Der vorliegende Vertrag genüge diesen Anforderungen, so das OLG. Die Schriftform sei erfüllt in Bezug auf die Bezeichnung der Vermieterin als „Grundstücksgemeinschaft N.-K.“. Denn auch formbedürftige Vertragsklauseln seien der Auslegung durch Rückgriff auf gegebenenfalls außerhalb der Urkunde liegende Umstände zugänglich. Sie seien formwirksam, wenn der Inhalt der Vertragsurkunde zumindest eindeutig bestimmbar sei.

Im konkreten Fall sei aus dem Mietvertrag erkennbar, dass es sich bei der Grundstücksgemeinschaft um die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Grundbuch eingetragenen Eigentümer handele. Damit war für potenzielle Erwerber nachvollziehbar, wer Vermieter und damit Vertragspartner ist und ob ein befristeter oder unbefristeter Vertrag vorliegt.

Schriftformerfordernis kann auch ohne Vertreterzusatz erfüllt sein

Ein Schriftformverstoß liege laut OLG auch nicht deshalb vor, weil der Mietvertrag nur durch „O.K.“ und ohne Vertreterzusatz unterzeichnet worden ist. Wenn bei Personenmehrheit auf einer Vertragsseite dieser nicht von allen Vermietenden/Mietenden unterzeichnet werde, sei entscheidend, dass erkennbar ist, ob der Unterzeichner in Vertretung für weitere Personen handelte. Ein Vertretungszusatz sei dabei nicht unbedingt erforderlich, wenn sich dies aus anderen Umständen, wie beispielsweise dem Vertragstext, ergibt. Bei Unklarheiten wäre es außerdem zumutbar, sich bei den Vertragsparteien zu erkundigen, so das OLG.

Im vorliegenden Fall war im Eingang des Mietvertrages ausdrücklich festgehalten, dass Herr O.K. die Grundstücksgemeinschaft vertritt. Diese Formulierung reicht nach Auffassung des OLG aus, um einen Vertretungszusatz bei der Unterschrift entbehrlich zu machen. Letztlich wurde ein etwaiger Formmangel ohnehin durch die Nachtragsvereinbarung vom 30.05.2016 geheilt, in der ein Vertreterzusatz enthalten war.

Da die Mieterin ihr Optionsrecht fristgemäß ausgeübt hatte, wurde die Kündigung durch die spätere Verlängerung hinfällig. Die vom BGH aufgestellten Anforderungen an eine wirksame Optionsklausel wurden zudem erfüllt, so das OLG.

Praxistipp – Lassen Sie ihren Gewerbemietvertrag rechtsanwaltlich überprüfen

Die Vereinbarung einer Mietoption ermöglicht typischerweise der Mietendenseite, einseitig die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Anders als bei automatischen Verlängerungsklauseln muss die Option aber aktiv und fristgerecht ausgeübt werden.

Vor allem sollten Mietende bei Möglichkeit zur Ausübung der Option prüfen, wie sich dies auf die Miete auswirkt; häufig ist im Mietvertrag Neufestsetzung im Falle einer Optionsausübung vereinbart. Dann sollen die Parteien nach Optionsausübung über die neue Miethöhe verhandeln. Die neue Miete muss sich dann an den auf dem Markt aktuell zu erzielenden Mieten orientieren. Man verpflichtet sich also, das Mietverhältnis mehrere Jahre fortzusetzen, ohne die Höhe der Miete zu kennen! Deshalb rate ich, in solchen Fällen schon vor der Optionsausübung Kontakt mit den Vermietenden aufzunehmen, um die Miethöhe für die Zukunft fest zu vereinbaren.

Das Urteil unterstreicht zudem die Bedeutung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht. Denn ein formnichtig geschlossener Vertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann demnach trotz vereinbarter Festlaufzeit und Mietoption jederzeit ordentlich gekündigt werden.  Um dies zu vermeiden, sollten sowohl Mietende als auch Vermietende bei Vertragsabschluss und Nachträgen sorgfältig darauf achten, dass alle wesentlichen Inhalte klar und vollständig schriftlich festgehalten sind.

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  1. Wann ist eine Prüfung des Gewerbemietvertrags vor Abschluss notwendig? Dieser Beitrag liefert einen ersten Überblick.
  2. Hier finden Sie Tipps zur Ausübung der Mietoption in der Gewerbemiete.
  3. Weitere Informationen zu der Entscheidung finden Sie hier.
Nima Armin Daryai

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herr Rechtsanwalt Daryai berät Sie zu den Themen Gewerberaummietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Arbeitsrecht.

Sie können unter der Telefonnummer +49 (0)30 460 64 794 einen Termin mit Herrn Rechtsanwalt Daryai vereinbaren. Oder aber Sie schreiben ihm über unser Kontaktformular eine E-Mail.

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